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gäbe, nur ist die Schraffur der in der Mitte der Seite befindlichen Ziffer 20 ungenau. Die Rückseite ist weniger gut geraten. Die zarten guillochierten Linien in den Ornamenten sind durch die Pho- tographie nicht wiedergegeben. Bei der Ziffer 20 find innerhalb der Null die Ornamente und auf der Mitte des Ban­des die Schattierungslinien mit ungeübter Hand nachgearbeitet. Die Fasern am linken Rande der Rückseite sind in der Art nachgeahmt, daß die dunklen Haare eines weichen Pinsels in Stücke geschnit­ten, auf das Papier gestreut und mit ganz dünnem Scidenpapier überklebt worden sind. Der so mit Fasern verse­hene Teil des Papiers ist dann mit leich­ter blauer Farbe angetuscht worden. Bei Annahme von 20 Mk.-Scheinen verfahre man dah>r sehr vorsichtig.

Weinsberg, 19. Okt. (Em Ehe­drama.) Zimmermann Münzing hat gestern nachmittag den ledigen, hier be­schäftigten Schuhmachergesellen Gottlob Geist (von Neuepstein) in seiner Wohnuug bei ehebrecherischem Umgang mit seiner Frau betroffen. Münzing griff sofort zum Messer und versetzte Geist je einen gefährlichen Stich in Brust und Arm. Der Verletzte floh aus dem Hause und schleppte sich aüf der Straße noch etwa 100 Schritte fort, brach aber dann in­folge des großen Blutverlustes zusammen. In einem Hausöhrn wurde der erste Verband angelegt und Geist hierauf in das Bezirkskrankenhaus überführt. Mün- zing machte selbst bei der Polizei Anzeige. Gestern abend noch wurde auch der Ge­stochene gerichtlich vernommen.

Möckmühl, 19. Okt. Seit mehr als Jahresfrist trieb hier ein anonymer Briefschreiber sein Unwiesen, der durch seine schamlosen Anschuldigungen, beson­ders von verheirateten Frauen, viel Aer- ger und Unfrieden stiftete. Endlich glückte es, den traurigen Verleumder zu ermit- teln. Es war der Bäcker Wilhelm Heh­ler hier, der zwar zuerst jede Täterschaft leugnete, gegenüber den Feststellungen eines Schriftexperten aber doch schließlich sich zu einem Geständnis beguemte. 10 Monate Gefängnis sind der Lohn für feine Tat.

München, 16. Okt. Das neue In­fanterie-Gewehr 98 hat dieser Tage die Infanterie des ersten bayerischen Armee­korps erhalten, die Truppenteile des zwei­ten und des dritten Korps behalten vor aussichtlich noch längere Zeit, jedenfalls noch für das Ausbildungsjahr 1903/04, das bisherige Gewehr 88. Unsere Chi­natruppen haben ja die Brauchbarkeit dieses neuen Gewehrs schon bewiesen. Es läßt sich bekanntlich als Einzellader ohne Ladestreifen verwenden. Gegenüber dem bisherigen Rahmenvisier hat es ein Quadrantenvisier, das einfacher ist und ein größeres Gesichtsfeld gewährt. Standvisier" ist 200, das nächste Visier 300 Meter, von da ab Erhöhung von .50 zu 50 Meter bis 2000 Meter. Der Schaft hat eine pistolengriffartige Hand­stütze erhalten, die das Umfassen des Kol­benhalses wesentlich erleichtert; der zwi­schen Visier und Unterring lagernde hölzerne Handschutz gestattet die Hand­habung des Gewehrs auch bei sehr heißgejchossenem Laufe. Das Seitenge­wehr hat wieder die frühere große Länge erhrlten und wird unter dem Laufe am Schaft befestigt; bekanntlich haben sich die kleinen messcrartigen Seitengewehre

71/84 nicht bewährt und sind in Preußen schon seit geraumer Zeit wieder abgeschafft worden. Der Mündungsdeckel ist gleich­zeitig alsSchoner" beim Gewehrreini­gen zu verwenden. Gewicht und Länge des Gewehrs haben sich vergrößert. Ge­wehr 98 wiegt ungeladen ohne Seiten­gewehr 4,1 Kilogramm, gegen 3,8 Kilo­gramm bei Gewehr 88, gegen 3,5beim neuen österreichischen und 4,2 beim französischen Gewehr. Die Länge mit aufgepflanztem Seitengewehr 1,77 m, gegen 1,71 m beim Gewehr 88, gegen 1,51 Meter beim österreichischen und 1,82 Meter beim französischen Gewehr. Da aber be« der Munition der schwere Rahmen durch den sehr leichten Ladestreifen ersetzt wurde, so ist die Gesamtbelastung des Mannes etwa gleich geblieben. Das neue Gewehr hat wie das alte Drehverschluß, im Ge- gensatz zum Gradzug Mannlichers, und Kammerwarzenverriegelung. Das Kali­ber ist .dasselbe geblieben, so daß die früheren Patronen weiter verwandt wer­den können.

Saarbrücken, 19. Okt. Im be­nachbarten Völklingen produzierte sich auf der Kirmes eine Tierbändigerin, die eine Riesenschlange um ihren Hals legte, um die Ungefährlichkeit des Tieres darzutun. Die Schlange zog sich jedoch plötzlich zusammen und preßte dem Mädchen den Hals zu, so daß es erstickte. Der Buden­besitzer hieb so lange auf das mörderische Tier los, bis es zerstückelt und unschäd- lich gemacht war.

Leipzig, 20. Okt. DasLeipziger Tageblatt" erfährt, daß der Kaiser dem Dichter Rudolf v. Gottschall anläßlich seines 80. Geburtstages eine dauernde Unterstützung von jährlich 2000 Mk. ge­währt habe.

Lokales.

Wildbad, 22. Okt. Heute Nacht brannte in Nonnenmiß das Haus des Fuhrmanns Johann Seyfried u. des Holzhauers Ernst Gauß bis auf den Grund ab. 3 Familien sind obdachlos geworden. Menschen sind nicht verun­glückt. Sämmtliche Abgebrannten sind versichert. Gerettet konnte nichts werden. Mobiliar-und Gebäudeschaden ca. 15000 Mark. Die Feuerwehren von Nonnen­miß, Sprollenhaus und Enzklösterle wa­ren in Tätigkeit.

Die Werk- und Wohstoffge- riofsenscHaft KarterkacH.

In den letzten Jahren hat man sich vielfach mit der Frage beschäftigt: Wie ist dem Handwerk aufzuhelfen? Das Resultat all dieser Beratungen und Verhandlungen war das, daß man die Handwerker aus den Weg der Selbst­hilfe verwiesen und sie insbesondere auf die Ausbildung des Genossenschaftswesens in ihren Kreisen aufmerksam gemacht hat. In der Tat liegt in der Bildung von Genossenschaften (z. B. für den ge­meinsamen Einkauf) ein Mittel für die Handwerker, sich die Vorteile des Groß­betriebs einigermaßen zu gute zu machen Es dürite daher für manchen Handwer­ker nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie sich eine solche Einkaufsgenossenschaft in der Praxis gestaltet. Haiterbach hat uns ein Beispiel dieser Art von Selbst­hilfe gegeben.

Dort wurde im Lauf des Jahres eine genossenschaftliche Betrrebswerkstätte mit Maschinen für Schreiner, Dreher, Zim­

merleute, Küfer und sonstige Handwerker errichtet. Die Genossenschaft, welche den gemeinschaftlichen Einkauf der zum Be­trieb ihrer Gewerbe erforderlichen Roh- stoffe bezweckt, zählt znr Zeit 31 Mitglie­der und zwar: 18 Schreiner, 1 Drechs­ler, 2 Zimmerleute, 1 Küfer, 9 sonstige Handwerker. Dazu kommen noch Privat­leute, die der Genoffenschaft aus idealem Interesse beigetreten sind, um das Unter­nehmen zn fördern. Jedes Mitglied hat ein Eintrittsgeld zu entrichten, das für die znr Zeit der Gründung Eingetre­tenen 2 Mk. betrug, für später Eintretende aber auf 20 Mk. festgesetzt ist. Ferner ist jedes Mitglied verpflichtet, einen Ge­schäftsanteil von 300 Mark zu er­werben um diesen entweder beim Eintritt bar oder in monatlichen Raten von nicht unter 2 Mk. zu bezahlen. Jeder Genosse kann bis zu 5 Geschäftsanteile erwer­ben. Die Haftsumme beträgt pro Geschäftsanteil 600 Mk. Der Reserve­fonds zur Deckung etwaiger Geschäfts­verluste, welche nicht aus dem Geschäfts­ertrag des Rechnungsjahres gedeckt wer- den können, wird durch die Eintrittsgel­der und 10 Prozent vom Reingewinn gebildet. Eine Spezialreserve zur Deckung zweifelhafter klusstände und et­waiger Verluste, sowie zur Verbesserung der Dividenden wird aus einem Teil des jährlichen Reingewinns angesammelt. Vom Remgewinn erhalten nach Abzug der dem Reservefonds zufließenden Summe die Mitglieder eine Kapitaldividende von höchstens 5°/o ihres Geschäftsguthabens.

Der Rest stießt zu den Spez-alreser- ven, zur Ansammlung von Fonds für Maschinen. Der noch bleibende Rest wird an die Mitglieder nach Verhältnis der von ihnen für die Benützung der Ma­schinen und Werkzeuge gezahlten Miete verteilt.

Die Genossenschaft hat ein Gebäude erstellt, welches als Werkstattgebäude und als Lagerhaus füc die Rohmaterialien dient. Es enthält im Souterrain eine 8 ? 8-Sauggasanlage, im I. Stock den Arbeitssaal mit Band- und Kreissäge, Fräß-, Hobel- und Hobelmefferschleifma- schinen, Bandsägenfeilmaschine, Dreh- bank, Schraubstock, Werkzeug für den Maschinisten, im Dachstock große Lager­räume für Rohstoffe. Die ganze Anlage kam auf 16000 Mk. zu stehen. Die Ord­nung und Leitung der Genoffenschafts­angelegenheiten geschieht durch den Vor- stand, den Aufsichtsrat und die General­versammlung. Der Direktor h»t die gesamte Geschäftsführung der Genossen­schaft zu leiten und zu überwachen. Der Kassier hat die Kasseneingänge in Empfang zu nehmen und die Ausgaben terminmäßig zu leisten. Dem Geschäfts­führer rst das Maschinenhaus und das Warenlager der Genossenschaft übergeben. Derselbe hat mindestens von vormittags 6 Uhr bis abends 7 Uhr zu arbeiten und erhält ein Taggeld von 3 Mk. 50 Pfg., der Maschinenorbeiter pro Stunde 30 Pig. Die Arbeitslöhne an den Ma­schinen betragen: 1. Hobelmaschine pro Stunde 1 Mk. 80 Pfg., 2. Bandsäge pro Stunde 1 Mk. 20 Pfg., 3. Tisch­fräse pro Stunde 1 Mk., 4. Kreissäge pro Stunde 1 Mk., 5. Drehbank pro Stunde 30 Pfg. Ueber die Geschäfts­ordnung in den Arbeitsräumen gelten folgende Bestimmungen. Die Arbeitszeit dauert von morgens 6 bis abends 7 Uhr. Zutritt haben nur Mitglieder, welche