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diese wichtigste Handlung seines Lebens heran und die Erfahrung lehrt, daß das Unglück vieler Ehen einzig uud allein dadurch herbeigeführt wird, daß der eine oder der andere der Ehegatten infolge seiner gesundheitlichen Berhältnisse dem Zweck der Ehe nicht zu genügen vermag. Viel häufiger, als es geschieht, sollte der Rat des Arztes eingeholt werden. Denn wenn auch Epileptiker, Geisteskranke, Schwindsüchtige unter keinen Umständen heiraten sollten, so gibt es doch noch Zweifelsfälle genug, in denen das ärzt­liche Urteil den Ausschlag zu geben hat. So dürften die Kinder tuberkulöser Eltern, auch wenn sie anscheinend gesund sind nicht in die Ehe treten, ohne vorher das Gutachten eines Arztes gehört zu haben.

Auf der Kanzel erblindet ist der Pastor Steinhaufen in G l i n d e bei Schöneck in der Mark. Er hatte einen Abendgottesdienft beendet und wollte die Kanzel verlassen, plötzlich legte sich ein Schleier über seine Augen es war völlige Blindheit eingetreten. In der Klinik soll ihm die tröstliche Kunde ge­worden sein, daß er auf Heilung rechnen könne.

Hilversum, 7. Okt. Der frühere Präsident Krüger ist heute nach Mentone Llbgereist. Derselbe vollendet am 10. Oktober sein 78. Lebensjahr.

Paris, 3. Okt. Der vom franzö­sischen Kriegsministerium ausgeschriebene Wettbewerb um einen Preis von 20000 Francs für das beste Kommißbrot, das sich 40 Tage frisch hält, ist jetzt entschie- den worden. 72 Wettbewerber hatten sich gemeldet, 69 von ihnen wurden jedoch gestrichen, da ihr Brot den Anforder­ungen des Heeresausschusses nicht ent­sprach. Die drei verbleibenden Brotpro­ben wurden versiegelt und 40 Tage später untersucht. Als bestes erwies sich das von dem Bäcker Sinopoulon in Marseille gelieferte Brot. Er erhielt den Preis von 20000 Francs und die Brotliefer­ung für das ganze französische Heer.

Brüssel, 3. Okt. (Die Feuergefähr- lichteit der Warenhäuser.) Wie unberech­enbar die Feuergefährlichkeit der großen Warenhäuser ist, zeigt der tragikomisch verlaufene Versuch des Direktors des Bernheimischen Warenhauses in Verviers, sein Personal durch blinden Feuerlärm auf die Probe zu stellen. Er berichtet darüber in einem Fachblatte wie folgt: Wir haben in unserem Geschäft eine sehr zweckmäßige Feuerschutzeiurichtung, mit deren Handhabung ich die betreffen­den Angestellten (Damen), die diesen Apparaten am nächsten und, vertraut ge­macht habe. Da ich mich nun überzeugen wollte, was mein Personal und beson­ders die über die Schutzapparate unter­richteten Angestellten bei Feuerlärm ma­chen würden, ließ ich eines Abends, als die Kundschaft bereits den Laden verlas­sen hatte und das Personal auf das Glockenzeichen zum Nachhausegehen war­tete,Feuer" schreien. Die Wirkung war eine unerwartete; denn das ganze Per­sonal bis aus einige Damen, die ohn­mächtig umfielen, flüchtete sofort unter lautem Schreien in den Hof, und nie­mand von denen, die mir wiederholt er­klärt hatten, genau zu wissen, was sie bei einem vorkommenden Feuer zu tun hätten, hielt ans dem Platze aus. Was wäre nun wohl im Ernstfälle mit den

Angestellten geschehen, die ohnmächtig wurden?"

London, 1. Okt. Nachseinem hiesigen Polizeibericht sind zwei gebürtige Deut- sche, ein gewisser Franz Tiefenbecher, 60 Jahre alt und ein 25jähriger Schneider Alexander Schwarz, Hungers gestorben alsOpfer der kontinentalen Illusion, daß der Broterwerb in London leichter sei, als jenseits des Kanals," wie der Leichenschaubericht warnend bemerkt.

Sofia, 7. Okt. Die sonst im Ja­nuar übliche Einberufung von 24 000 Rekruten der bulgarischen Armee ist auf den 8. Oktober alten Stils festgesetzt. Ferner wurden sämtliche Unteroffiziere aller Reserveklassen zu einer dreiwöchigen Waffenübung einberufen. Zahlreiche Ge­schützmunition ist vom Auslande einge- troffen.

Den tollkühnen Kapitän Boß, einen Deutschen, hat sein Schicksal erreicht. In einem aus einem ausgehöhltcn Baum­stamm bestehenden Kanoe wollte er eine Reife um die Erde machen und hatte auch glücklich den ungeheuren stillen Ozean von San Franzisco in Nordamerika bis Sidneh in Ausstralien dürchmcssen. Hier hielt er sich längere Zeit auf, erwarb sich durch halten von Vorträgen seinen Un­terhalt und ließ sein gebrechliches Fahr­zeug ausbessern. Dann stattete er Neu­seeland einen Besuch ab und verließ in Anwesenheit einer großen Menge Schau­lustiger den Hasen von Aucklaud. Jetzt wird gemeldet, daß die Nußschale an dem gefährlichen Rangitoto-Riff gescheitert ist. Ob Kapitän Boß selbst am Leben geblie­ben ist, wird in der Meldung nicht ge­sagt.

Von den Buren meldet der Lon­donerStandard": In einer am letzten Samstag in Bryheid stattgehabten Ver­sammlung der Buren sprach General Botha von den in Europa gesammelten Geldsummen und teilte mit, es handle sich im ganzen um 130 000 Psd. Stert. (2,65 Millionen Mark). Das Geld würde von einer Kommission in Trans­vaal vsrwaltet. Diese habe die Summe zwischen Kapkolonie, Oranjekolonie und Transval geteilt. Der auf Transvaal entfallende Teil sei sehr gering. Er be. laufe sich auf 40 150 Psd. für die Wilt- wen, 30 000 Pfd. seien für die Kinder- erziehung bestimmt. Die ihm und Dela- rey zugewendeten Summen seien in obigen nicht einbegriffen. Sie bildeten einen Reservefonds von 15 000 Psd. Botha forderte die Versammlung auf, die Un- abhängigkeit zu wahren, die darin be­stehe, daß man die Muttersprache nicht preisgebe. Daß die Buren m erster Linie für die vielen Witwen und die Erziehung der Waisen sorgen, ist im Sinn der Geber obgenannter Summe. Die übrige jBurenbevölkerung wird sich mit leichter Beihilfe selbst zu helfen wissen. Die Sammlung und Wiederausiedlung des im furchtbaren Krieg zerschmetterten Völkleins ist die zweite, aber ebenso wich- ige Aufgabe der Burenführer. Aus diesem Grunde wollen Botha, Dewet und Delarey im Lauf des Oktobers nach Indien reisen, um die noch dort gefange- neu 600unversöhnlichen" Buren zur Unterwerfung und zur Rückkehr ins Burenland zu bewegen.

NntevhcEendes.

Im Banne der Rache.

Bon O. Elster.

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(Nachdruck verboten.)

5. Kapitel.

Mörderin! Mörderin!"-

Jäh fuhr Cläre aus dem einer Be­täubung gleichenden Schlummer empor. Hatte sie das furchtbare Wort im Traum gehört, oder gellte es ihr jetzt in den Ohren, da sie erstaunt, im ersten Augen­blicke nicht wissend, was um sie vorging, sich emporrichtete und sich umschaute.

Mörderin! Mörderin meiner Kin­der ..." schrillte es ihr wiederum ent­gegen und dann fühlte sie sich am Arm erfaßt, heftig emporgerissen und mit der Kraft des Wahnsinns zu Boden geschleu­dert. Einer rasenden Furie gleich stand ihre Stiefschwester vor ihr, die zur Faust geballten Hände drohend erhoben, als sollten sie im nächsten Moment zer­schmetternd auf die halb zu Boden Ge­sunkene niederfallen. Frau von Oettekint hatte einen Morgenrock nur flüchtig um­geworfen; ihr schwarzes Haar, hing in halbaufgelösten Strähnen wirr uud zer­zaust um das Haupt, in ihren dunklen Augen loderte eine wahnsinnige Wuth und der Ausdruck des Schmerzes, des Zornes, der Rache verzerrte ihr gelblich­fahles Antlitz zu einer dämonischen Maske.

In dem Herzen Cläre's stieg wieder die namenlose Angst empor, welche sie am gestrigen Abend während des furchtbaren Auftrittes mit ihrer Schwester ergriffen. Sie streckte flehend die Hände zu dieser empor und bat:Habe Erbarmen mit mir, Schwester."

Erbarmen?! Ich Erbarmen mit Dir?" Ein furchtbares, höhnisches Lachen drang über die Lippen der Frau, dann faßte sie mit beiden Händen die Arme Cläres und rief, sie zu den Betten der Kinder zerrend und schleifend:Ich; Erbarmen mit Dir? Mit der Mörderin meiner Kinder? Sich, was Du ge­tan hast! Sie die unschuldigen Opfer Deiner Rache!"

Blaß und starr lag die kleine Emmy regungslos in ihrem Bettchen, die kalten, blauen Augen mit glanzlosem, gebroche­nem Ausdruck zum Hm>inel gerichtet, die Händchen krampfhaft in die Kissen ein- gekrampft, die Beinchen wie in schmerz, haftem Krampf nach dem Leib zn ange­zogen. Kurt dagegen ächzte und stöhnte schwer und schien von einem furchtbaren Albdruck, von einem Krampf ergriffen er wälzte sich hin und her, bäumte sich empor und fiel dann wieder kraftlos in die Kissen zurück; seine fieberheißen Au­gen rollten wie im Wahnsinne, vor seinen Lippen stand gelblich weißer Schaum, seine Hände umklammerte in jnamenloser Angst den Nacken des Hausmädchens, das an seinem Bette kniete und schluchzte und jammerte.

Meme Kinder meine Kineer!" schrie Frau von Oettekint in furchtbarer Verzweiflung auf und warf sich über den starren Leichnam der kleinen Emmy, in wehes Schluchzen ausbrechend, das ihre Gestalt bis in die innersten Tiefen er­schütterte.

Cläre glaubte nicht anders, als daß sie noch von einem entsetzlichen Traum »miangen sei. Todt die kleine Emmy ihr süßer kleiner Liebling todt? Und Kurt, der tapfere kleine Bube, im