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lin bis Peking und Tientsin 20—22 Tage, bis Shanghai und Nagasaki 22 —28 Tage.
Kiel, 23. Sept. Heute vormittag begann vor dem Oberkriegrgericht die von dem Reichsmilitärgcricht angeordnete erneute Verhandlung gegen den Fähnrich zur See Hüssener. Den Vorsitz führt wiederum Fregattenkapitän v. Bredow. Nach Verlesung des Erkenntnisses aus der früheren Verhandlung sowie desjenigen des Reichsmrlitärgerichts tritt eine Unterbrechung ein. Nach Wiederaufnahme der Verhandlung schildert der Angeklagte den Vorgang in der bekannten Weise und erklärt, daß er den Dolchstoß nicht geführt haben würde, wenn er hätte ahnen können, daß er Hartmann dadurch töten würde. Es folgt die Vernehmnng der Sachverständigen. Gegen 5^ Uhr wird das Urteil gefällt. Es ist dahin erkannt worden: Die vom Kriegsgericht der l. Marineinspektion am 26. Mai gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher körper- licher Mißhandlang eines Untergebenen mit tödlichem Ausgang in Jdealkonkur- renz mit rechtswidrigem Waffengebrauch erkannten einzelnen Strafen und die von demselben Gerichte erkannte Gesamtfrei- heits und Ehrenstrafe werden aufgehoben uud der Angeklagte wegen vorschriftswidriger Behandlung eines Untergebenen und vorsätzlicher Mißhandlung mit tödlichem Ausgang in rechtswidrigem Gebrauch einer Waffe zu zwei Jahren 7 Tagen Festungshaft verurteilt, von welchen 2 Monate 7 Tage durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt erachtet werden. Die weiter gehende Berufung des Angeklagten und diejenige des Gerichtsherrn wurden verworfen. Aus den Urteilsgründen ist hervorzuheben, der Angeklagte habe nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Tsd emtreten könne. Es ist ein minder schwerer Fall angenommen worden, weil der Angeklagte zum Ziehen der Waffe be- rechtigt war. Hüssener erklärte sofort, auf eine weitere Revision zu verzichten.
Ga st ein, 22. Sept. Die Schreckenstage sind vorüber und die Gemüter beruhigt. So groß auch der von dem entfesselten Element angerichtete Schaden ist und so viele Hunderttausende die Herstellung der unterwaschenen Straßen und Promenadewege kosten wird, so sind die Berichte über den Einsturz mehrerer Häuser übertrieben. Die gefährdeten geräumten Häuser stehen noch und haben nicht so stark gelitten, wie man anfangs glaubte. Die Elisabethpromenade, die teilweise überflutet worden, wird wieder praktikabel gemacht. Die Verheerungen in Böckstein und Bad Bruck sind viel schlimmer als in Bad Gastein selbst. Es wird viel Arbeit und Geld kosten, bis alle Schäden wieder gutgemacht sind. Der Verkehr mit Lend ist durch Notbrücken hergestellt.
Paris, 21. Sept. Eugönie Fou- gör, eine trotz ihrer 40 Jahre noch immer wegen ihrer Schönheit und Eleganz bewunderte Tingeltangelsängerin, ist, nach der Köln. Ztg., in der Nacht zum Sonntag in ihrem Landhaus bei Aix-les- Bains ermordet worden. Auch ihre Kammerfrau fand man erdrosselt vor, während das Dienstmädchen, das die Mörder gleichfalls getötet zu haben wähnten, noch am Leben ist. Die Juwelen der Fougere im Wert von 200000 Frs. sind verschwunden.
Lokales.
Wildbad, 27. Sept. Wie bekannt, feiert die hiesige Einwohnerschaft am 4. Oktober das 25jährige Dienstjubiläum ihres Gemeindevorstandes, des Herrn Stadtschultheißen Bätzner. Wer es ernstlich zu würdigen weiß, wie s-hr das Wohl und Wehe einer Gemeinde von der Leitung und Vertretung derselben abbängt, wer das jetzige Wildbad mit demjenigen von 1878 vergleicht, für den liegen die großen Verdienste des Jubilars um die Stadt Wildbad ohne einzelne Daten klar. Seine, auch höheren Orts anerkannte Amtstüchtigkeit, sein zielbewußtes unermüdliches Streben, die Stadt in allen Teilen auf die Höhe zu bringen, seine Tatkraft und Energie, sein jederzeit wohlwollendes Entgegenkommen, sichern ihm gewiß den aufrichtigen Dank aller Ge« meindemitglieder. Was alles seit seinem am 5. Oktober 1878 erfolgten Amtsantritt für die Stadt und in der Stadt geschehen, davon können wir uns tagtäglich auf Schritt und Tritt überzeugen. Die vollständige Umgestaltung der Haupt- und Olgastraße, die Neuschaffung der König-Karlstroße an Stelle der früheren Metzgergasse und des Croatenviertels, die Canalisation, die vorher ganz fehlte, und die breiten bequemen Asphalttrottoire durch die ganze Stadt legen Zeugniß ab von dem weiten Blick und von dem Geschick, einmal in's Auge gefaßtes im guten Einvernehmen mit den Ttadtvätern durchzuführen. Besondere Leistungen sind: 1880 die König-Karlstraße, 1881 die Hauptstraße, 1882/83 die Olgastcaße, 1882/3 die I Wasserleitung, und 1881 Regelung der Bürgernutzungsfrage, welche bis dahin ein ewiges Schmerzenskind der gesammten Bürgerschaft und der Gemeindeverwaltung war. In den folgenden Jahren reihen sich an: Einrichtung eines neuen Krankenhauses, des Realschulgebäudes,Organisation des Dienst- mann's- und des Droschkenwesens, Arrondierung des städtischen Besitzes durch günstige Erwerbung des Diakonissenhauses und des Nebengebäudes zum Rat- Haus, die Anlage eines neuen, schönen Friedhofs, Ablösungen mit dem Staat betr. Guldenbrücke und Agenbacher Brücke, sowie der Wald- und Streurechte in den Staatswaldungen, Uebernahme des Gaswerks in städtischen Betrieb, Erbauung der Turnhalle und Einführung des elekt- rischen Lichts. Nicht vergessen möge bleiben seine energische Tätigkeit beim Hochwasserschaden 1896. Sein Bestreben mitzuarbenen, Wildbad zu einem Badeort ersten Ranges zn erheben, ist wohl genugsam bekannt. Im Jahre 1885 verlieh König Karl dem Jubilar in Anerkennung seiner Verdienste den Friedrichsorden II. El., im Jahr 1896 König Wilhelm II. den — persönlich überreichten — Fried lichsorden 1. El. Mit groß- er Befriedigung werden die Vorbereitungen zu der Jubiläumsfeier allenthalben ausgenommen. Die Bürgerschaft wird es sich nicht nehmen lassen, ein würdiges Fest zu veranstalten und wird durch rege Beteiligung an demselben den Dank und die Verehrung zum Ansdruck bringen, die sie ihrem Gemeindeoberhaupt zollt. Möge das Fest in allen Teilen wohlgelingen.
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Mntevhcrttsnöes.
Im Banne der Rache.
Bon O. Elster.
3) (Nachdruck verboten.)
„Cläre, Du weißt, wie gern ich Dich habe, Du weißt, wie die Kinder an/ Dir hängen, Du hast mir versprochen, bei uns zu bleiben, und für die Kinder zu sorgen, Du kennst ja Amalie, sie kümmert sich kaum um die Kinder, sie hat ja ganz andere Interessen . . . und dann ihre Heftigkeit, ihre maßlose Eifersucht . . . ich bedaure Dich von ganzem Herzen. Cläre, aber ich vitte Dich, verlaß mich nicht, wenigstens jetzt noch nicht ... in einigen Jahren, dann ist es etwas Anderes ..."
„Aber Kurt, ich verstehe Dich nicht? Wie kommst Du auf den Gedanken, daß ich Dich und die Kinder jetzt verlassen sollte? Ich liebe den kleinen Kurt und Emmy aufrichtig; es würde mir sehr leid tun, sie verlassen zu müssen . . ."
„Das Hab' ich Amalie auch schon oft gesagt aber sie — sie möchte Dich gerne verheiraten."
„Verheiraten?!"
„Sie möchte Dich gern aus dem Hause haben, sie möchte - na, kurz und gut, sie ist eifersüchtig auf Dich!"
„Verheiraten?! Mich verheiraten? Und mit wem?"
„Ich sollt' es Dir eigentlich noch nicht sagen . . . aber da wir drauf gekommen sind — mit dem Doktor Mittenzweig ..."
„Ach, das ist empörend!"
„Doktor Mittenzweig ist ein wohlhabender Mann, er hat eine gute Praxis, er ist Stabsarzt außer Dienst — an sich hätte ich gegen eine solche Verbindung nichts, aber ich kann den Kerl nicht auZ- stehen, er ist ein Schleicher — ein . . . na, ich will weiter nichts sagen!"
„Kurt ich gebe Dir mein Wort, daß ich dem Doktor niemals meine Hand reiche!" rief Cläre in Hellem Zorne.
' „Er ist auch schon zu alt für Dich — vierzig Jahr! — Hur, das ist ja an sich noch kein hohes Alter . . . man kann sich sehr lange jung erhalten... ich schmeichle mir wenigstens, daß ich noch jünger und besser aussehe, als Doktor Miltenzweig . . . Das kommt eben ganz auf den Charakter an . . . aber Cläre, mein liebes Kind, was weinst Du dennso?"
Cläre war in den Sesselzurückgesunken, hatte ihr Gesicht mit den Hänven bedeckt und weinte bitterlich. Jetzt verstand sie, weshalb der Doktor fast jeden Tag kam, weshalb er so oft zu Tisch blieb, weshalb er so lange in dem Kinderzimmer, in dem sie mit den Kindern sich befand, weilte und weshalb ihre Schwester ein Alleinsein des Doktors mit ihr so häufig herbeizuführen suchte. Sie sollte an den ihr so unsympatischen Arzt verhandelt werden, denn anders vermochte sie eine solche Heirat nicht zu nennen, die auf keinem anderen Grunde beruhte, als der der gegenseitigen vernunftmäßigen Vereinbarung. Doktor Mittenzweig war ein reicher Mann, er staub nicht mehr in der ersten Jugend, er konnte seine Gattin ohne Rücksicht auf Geld und Gut wählen, er würde gewiß auch nicht nach jdem verschwundenen Vermögen Cläres geforscht haben — und Amalie war von ihr auf gute Art befreit. Ah, sie durchschaute jetzt die Handlungsweise ihrer