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1500 Hausarbeiter, sodaß also etwa 9000 Arbeiter seit demheutigen Tage beschäftigungslos sind. Von den gestern abgehobenen 5 öffentlichen Versammlungen der Textilarbeiter wurden 3 polizeilich ausgelöst. Die Lohnkommission Hut in der vergangenen Nacht ein Flugblatt herausgegeben, in welchem sie das Einschreiten der Polizei als einen unerhörten Gewaltakt bezeichnet, der der Aufhebung des Koalitionsrechtes gleichkomme. Schließlich wird die Arbeiterschaft zur Ruhe und Besonnenheit in dem Kampfe um den 10-Stundentag ermahnt.
Berlin, 22. Aug. (Majestätsb.'lei- digung.) Der Schauspieler Conrad von Fielitz, der anläßlich eines Gastspieles im Haag in einer Gesellschaft Witze erzählt hatte, die für den deutschen'Kaiser beleidigend waren, wurde deshalb gestern von der 1. Strafkammer des Landgerichts I zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt.
— Ein bemerkenswertes Urteil, das für die gesamte Geschäftswelt eine weitgehende Bedeutung erlangen dürfte, hat das Reichsgericht gefällt. Es hat es nämlich als Betrug charakterisiert, wenn jemand, sogar ohne die Absicht, Ware bestellt zu einer Zeit, wo er außer Staude ist, alle seine Schulden wegen unzureichender Mittel zu bezahlen. Durch eine solche Bestellung gefährde er seine Gläubiger. Die Absicht, den andern zu schädigen, brauche nicht gerade vorzuliegen, das Bewußtsein auf seiten des Täters, daß das Vermöge! des andern durch ihn in Gefahr gebracht würde, genügt.
— Der mehrfache Millionär Friedrich, der vom Schwurgericht Leipzig wegen Meineids zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, hat sich nächstens vor der Strafkammer zu verantworten, weil er beim Aufzählen einer Kaufjumme im Bureau eines Rechtsanwalts vom Tisch weg einen Tausendmarkschein gestohlen hatte.
I n t e r I a ck e n, 23. Aug. Der Prokurist des Wiener Bankhauses Rothschild, Stiedry, der mit seinem Dohne im hiesigen Hotel Jnngsrau wohnt, wurde nachts im Schlafzimmer von einem ebenfalls im Hotel wohnenden spanischen Studenten aus Barcelona und einem anderen Jn- dividium überfallen, durch Chloroform beraubt und seiner Barschaft von 1000 Kronen und 900 Fr. beraubt. Da aber der Zimmerkellner das Gebühren des Spaniers beobachtet hatte, wurden die Räuber verhaktet und ihnen das geraubte Geld wieder abgenommen. Die Polizei glaubt, daß man es mit internationalen Hoteldiebcn zu tun har.
Wien, 19. Aug. Zur Warnung für Eisenbahnreisende teilt das „Neue Wiener Tagbl." die folgende Zuschrift eines Lesers mit: „Als ich auf einer Zwischen- station den Zug rasch wieder bestieg, karambolierte ich wiederholt mit einem jungen Menschen, der sich besonders auf dem Trittbrette und im engen Gauge des Waggons geradezu unverschämt nach- drängte und mir schließlich eine Reisetasche vor die Füße stellte, so daß ich ihn beiseite schob und mich laut über das Batragen äußerte. Er verschwand, gleich darauf aber sagte mir ein mit fahrender Student: „Schauen Sie, ob Sie Ihre Brieftasche noch haben." Ich greife in die Tasche - das Portefeuille war weg, im selben Augenblicke war aber auch ich weg; ich stürmte durch den
Waggon über die Verbindungsbrücke in den nächsten Waggon dritter Klasse; dort war der Fremde noch; er wollte sich aber, als er mich erblickte, eiligst davon machen. Allein, ich hatte ihn bereits bei beiden Armen fest gepackt, und alle seine Bemühungen, sich aus der Umklammerung zu befreien, waren vergeblich; ich hielt ihn fest, bis Hilfe kam. Wir fanden bei ihm eine eine Brieftasche und eine Geldtasche, aber meine Brieftasche mit mehr als 2000 Kr. fehlte. Bald danach aber entdeckte eine Dame die Brieftasche unter dem Ueberzieher des Diebes. Auch die neue Handtasche, die er mir unter die Füße geworfen hatte, war gestohlen. Der Dieb wurde selbstverständlich der Behörde übergeben."
Pest, 24. Aug. In dem Goldberg- schen 4stöckigen Warenhaus in der Korc- gesorstraße brach heute abend Feuer aus, das rasch um sich griff. Von den Angestellten konnten sich zunächst nur riejeni- gen retten, die in den Parlerreräumen beschäftigt waren. Der Feuerwehr war es der großen Hitze wegen nicht möglich, in die oberen Stockwerke eiuzudriugen. Sie spannte daher ein Sprungtuch aus, mittels dessen sich bis 8 Uhr abends 5 Personen retten konnten. Eine Dame verfehlte das Sprungtuch, fiel ans das Pflaster und blieb tot. Auf die gleiche Art kamen zwei Kinder ums Leben. Nach 8 Uhr fing ein dem Warenstaus benachbartes Musikaliengeschäft auch noch Feuer. — Nach einem späteren Telegramm hat die Feuersbrunst zahlreiche Opfer geiordert. Von den Personen, die sich durch Sprung in die Sprungtücher retten wollten, kamen neun ums Leben, acht wurden tödlich und zwei leicht verletzt. Wieviel Personen in den Flammen um- gekommeu sind, konnte bis 11 HZ Uhr abends nicht festgestellt werden, da das ganze Gebäude um diese Zeit noch immer brannte. Das Feuer in dem Goldberg- schen Warenhaus wurde schließlich lokalisiert. Die benachbarten Gebäude wurden gerettet.
Pest, 25. Aug. Nach amtlicher Feststellung sind bei dem Brandunglück in dem Goldberg'schen Warenhaus durch Sprung aus dem Fenster 15 Personen ums Leben gekommen, 16 wurden verletzt, davon 9 schwer. 40 bis 50 Menschen sollen den Tod in den Flammen gefunden haben. Unter den Toten befinden sich auch die Frau und der Sohn des Geschäftsinhabers. Der Schaden beträgt 4 Millionen Kronen.
Paris, 22. Aug. (Prozeß Humbert.) Der Spruch der Geschworenen lautete für alle vier Angeklagten auf schuldig. Sie wurden der Fälschung und des Betrugs für schuldig erklärt. Mildernde Umstände find zugelassen. Frau Therese Humbert und Frederic erhielten je 5 Jahre Kerker, Romain Daurignac 3 Jahre und Emile 2 Jahre Gefängniß. Die Angeklagten nahmen das Urteil sehr gefaßt auf.
Lissabon, 13. August. Privat- melüungeu besagen, daß die Konzession des Prinzen Hohenlohe, welcher die Errichtung eines Sanatoriums bei Madeira von der portugiesischen Regierung erworben hat, ihm unter anderem auch Rechte verleiht, die dortigen Goldminen auszu- b uten. Diese Minen weisen gewaltige Mengen kostbarer Erze auf. Prinz Hohenlohe hat 20,000 Pfund Sterling für
die Konzession bezahlt. Die Minen werden mit Hilfe eines Kapitals von 2 Millionen Pfd. Sterling ansgebeutet werden, wovon mehr als die Hälfte vou Geldleuten gezeichnet worden ist, die früher mit Cecil Rhodes in finanzieller Verbindung gestanden haben. Cecil Rhodes war der erste, der diese Erze analysieren wollte, allein er versuchte damals vergeblich, die Konzession von der portu- giesi cheu Regierung zu erhalten.
London, 22. Aug. Lord Salisbury ist heute abend 9 Uhr 15 Min. gestorben.
Unter. Ha k'tenöes.
Ein Patrouillenritt.
Novelle von O. El st er.
15) (Nachdruck verboten.)
„Da cs aber der Zufall nun einmal so gefügt bat," fuhr die alte Dame in strengem Ton fort, ,,so mögen Sie denn auch erfahren, daß meine Nichte, Madrme de Brulange mit ihren Töchter in meinem Hause hier in Pfalzburg eine Zuflucht gefunden hat, nachdem der Verdacht von ihr genommen war, Sie, mein Herr den Franktireurs ausgeliefert zu haben."
Madame de Brulange — Mademoiselle Henriette — sie befinden sich hier ..."
„Ja, mein Herr ..."
„Und gestatten Sie mir, den Damen meine Aufwartung zu machen? Ihnen meinen Dank zu sagen . . ."
„Nein, mein Herr!"
„Ach, Madame, ich bitte . . ."
Sein Blick streifte das Antlitz Luciens, um deren frische Lippen ein schelmisches Lächeln huschte.
„Mademoiselle Lucie." fuhr er bittend kort, „zürnen Sie mir denn ? Ich weiß, daß Sie meinetwegen einige unangenehme Tage verlebt haben .... aber trage ich denn die Schuld? Erlauben Sie mir," wandte er sich wieder an die alte Dame, „Madame de Brulange meinen Dank und meine Entschuldigung zu sagen."
„Ich glaube, ma tants," nahm Lucie schüchtern das Wort, „Mama wird sich freuen, den Herrn wieder zu sehen."
„Nun denn, mein Herr," erwiderte die alte Dame, „ich stelle es in das Belieben meiner Nichte, ob sie Sie empfangen will. Wir wohnen ickas äs Kranes, Nummer 15."
Sie nickte steif mit dem Haupte und entfernte sich in würdevoller Haltung, ihre kleine Nichte mit sich fortziehend. Lucie aber vermochte es nicht, ohne mit einem schelmischen Gruß von „Monsieur Bruno" Abschied zu nehmen. Sie lächelte ihm zu und winkte ihm verstohlen mit der Hand.
Freudig erregt suchte Bruno den Adjutanten des Kommandanten auf. Er traf ihn im Cass Lobau, wo er mit mehreren anderen Offizieren Billard spielte.
„Nun, MSN oamsraäs," rief der Adjutant, „wie geht es?"
„Ich danke Ihnen, sehr gut. Sagen Sie mir, bitte, Herr Capitaine, wie Madame de Brulange hierher nach Pfalzburg kommt?
„Ach," cntgegnete lächelnd der französische Offizier, „so haben Sie die Anwesenheit der Baronin doch erfahren! M diso, die Damen scheinen sich für Sie ebenfalls sehr zu interessieren, sie