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mittags Kardinal Rampolla, daß es bei der großen Widerstandskraft des Schwerkranken zurzeit nicht möglich sei, Bestimmteres zu sagen. Der Todeskamps könne sich eventuell noch mehrere Tage hinziehen.
Rom, 14. Juli. Weitere Meldungen uns dem Vatikan bestätigen, daß sich jetzt beim Papst Symptome von Blutvergiftung zeigen und darum das Ende nahe bevorsteht.
— Der Papst wird wohl ohne Todeskampf hinüberschlummern, ohne zu Bewußtsein zu kommen. Die Aerzte machten Injektionen von Kampheröl. Gegen 6 Uhr früh flatterte das Bewußtsein einen Augenblick auf, dann sank der Papst wieder in Traumzustände. Wie lange dieses Hinsterben dauern wird, kann niemand sagen. (Frkf. Ztg.)
— InMauchester sta rb vor einigen Tagen ein alter Fabrikant, der seit langen Jahren recht einsiedlerisch lebte. Nach dem Tode seiner Frau hatte der Alte nur Sinn für sein Geschäft, und man ging ihm aus dem Wege, da er verschlossen und mürrisch war. Nur ein kleines vierjähriges Mädchen zeigte keine Scheu vor dem Alten und zum Staunen der Dienerschaft duldete dieser nicht nur, daß das Kind im Hause herumtrollte, sondern schien selbst, wenn die Kleine da war, an kindlichen Spielen Gefallen zu finden. Schließlich mußte das Mädchen auch an seinen Mahlzeiten teilnehmen, und er nannte sie »seinen kleinen Sonnenschein." Als der Alte starb, war die Kleine 9 Jahre alt geworden, und es stellte sich heraus, daß er ihr sein ganzes Vermögen in Höhe von mehr als 12 Millionen Mark hinterlassen hat, unter der Bedingung daß sie seinen Namen annimmt.
Lokcrtes.
Wildbad, 17. Juli. Der ungünstigen Witterung wegen mußte das auf gestern Nachmittag angesagt gewesene Benefiee-Conzert der K. Knrkapelle unterbleiben und findet nunmehr morgen nachmittag 3L? Uhr, oder im Falle ungünstigen Wetters am Montag den 20. Juli in den Kgl. Anlagen statt. Ein recht zahlreicher Besuch ist in Anbetracht des gemeinnützigen Zweckes sehr zu wünschen.
MnterHcrl'terrdes.
Auf der „Kolumbia".
Eine Seegeschichte von H. Rosenthal Bonin.
16) (Nachdruck verboten.)
Ich sah genauer, und unfern von unserem Boote fuhr, umstrahlt von abendlichem Sonnenschein, ein großes Schiff, ein funkelnder..Dampfer, der mächtig aus dem Wasser stand. Das konnte keine Sinnestäuschung sein. Wir waren entdeckt, gesunden und gerettet!
Der Dampfer stockte, ich hörte den Rauch zischen. Er ließ ein Boot herab ich hörte die Rollen knarren, eine Musik die wie das Singen von Engelsstimmen klang, Paradiesestöne; ich sah Ruder in das Wasser tauchen und die Meeresflut wie Rosenschaum von diesen abtropfen. Das Boot schoß auf uns zu — jetzt war es bei uns.
Ein Malrose in weißer Jacke, die blaue Mütze auf dem Kopfe, warf mir ein Seil zu, ich befestigte es am Boote, noch nie in meinem Leben habe ich so schnell einen Knoten geschlungen, noch nie
wohl einen so fest gezogen. Dann setzten die Ruder des gekommenen Bootes ein und schnell glitten wir dem Dampfer zu.
Dort empfing uns der Kapitän, auf der untersten Treppenstufe stehend. Er reichte mir die Hand und zog mich hinauf, dann hoben die Matrosen das Mäd- chen empor. Es schien bewußtlos. Mit dem Kapitän nahm ich die Willenlose in Empfang und hinter uns Stehende beförderten sie weiter nach oben. Darauf sah ich noch unser Boot mit dem Körper des Kapitäns hinauf zum Deck winden, das Rettungsboot folgen, und als ich den ersten Fuß auf Deck gesetzt hatte, ertönte das englische Kommandowort: Vorwärts!" Die Maschine fing an zu stampfen, das Wasser brauste, und der Dampfer setzte seine Fahrt fort.
„Sie befinden sich an Bord von Ihrer Majestät Schulschiff, „Baco v. Ve- rulam" und es freut mich, Sie gefunden zu haben," sprach mich der Kapitän freundlich an. „Erquicken und erholen Sie sich, und dann lassen Sie uns wissen, wie Sie in diese Lage gekommen sind."
Er gab einem Steward ein Zeichen und dieser führte mich in einen Raum wo ich em großes Glas Milch erhielt. Dann stieg ich in ein warmes Bad. Das war eine Erfrischung! Ich hatte eine ähnliche noch nie in meinem Leben empfunden und habe eine solche auch später nie wieder genossen. Darauf fühlte ich mich kräftig genug, dem Kapitän Auskunft zu geben.
Welch ein herrliches Gefühl das war, auf geradem, festem Boden zu schreiten, das Geräusch der arbeitenden Maschinen zu vernehmen, den Rauch der Schornsteine über sich ziehen zu sehen, und zu wissen, daß man ein-m bestimmten Ziele sich näherte, dazu die Gesichter ruhiger, teilnahmsvoller, sauber gekleideter Menschen zu sehen! Mir war zu Mut, als ob ich mich plötzlich gar nicht mehr auf dem Ocean, sondern auf dem Festlaude — mitten in Newyork oder London —befände.
„Man hat die Dame in der Krankeu- kabiue untergebrachl. Der Arzt ist bei ihr. sie ist zu sich gekommen, sie ist mit Milch gelabt und davon verständigt worden, wo sie sich befindet."
Mit diesem Tröste empfing mich der Kapitän; dann wurde über meine Erlebnisse ein Protokoll ausgenommen, über meine Personalien notirt. Die meinen, Sigmund Mulder, Ingenieur aus Newyork, waren klar. Bon denen meiner Schicksalsgefährten wußte ich nichts weiter, als was ich in dem Loggbuch der „Kolumbia" gelesen hatte.
, „Das Schaff kommt von Cuba und geht nach London," unterrichtete mich der Kapitän. „In acht Tagen werden wir in der Themse sein. Der Tod des Kapitäns der „Kolumbia" ist von unserem Arzte konstatirt worden. Sie werden auch noch von ihm über diesen Fall vernommen. Die Bestattung findet heute Abend statt, und nach dem Gesetz müssen Sie und auch die Dame, wenn sie dazu im Stande ist, dabei zugegen sein. Vertreiben Sie sich die Zeit auf dem „Baco" so gut Sie können, wenn Sie Wünsche haben, bitte ich, sie mich wissen zu lassen."
So schloß der Kapitän und damit waren alle Formalitäten beendet, und ich geretteter Passagier unter englischem Schutz auf englischem Boden.
Am Abend wurde die Leiche des Kapitäns unter den Ehren, die seinem Range
zukamen, dem Wasser übergeben. Die Sonne leuchtete dazu in ihrem freundlichsten, mildesten und sanftesten Scheine, schimmernde Rosenflut schloß sich über dem hinabgelasfenen Brett, und begleitet von dieser lieblich-heiteren Naturfeier sanken die Ueberreste dieses unfriedlichen Menschen in die Tiefe.
„Möge des Himmels Torseiner Seele sich öffnen", betete der Kapitän.
„Möge sie dort Eingang finden!" Diesen Wunsch gab ich dem Kapitän, der mir so manche scknvere Stunde bereitet hatte, mit in sein Seemannsgrab.
Die Maschine setzte ein, und das Schiff verfolgte wieder seinen Lauf. Fräulein Lmda Bartholdi hatte nicht an der Bestattung teilgenommen. Der Arzt überhob sie der Erfüllung dieser Vorschrift.
Unter der ausgezeichneten und sachgemäßen Pflege, die ihr auf dem Dampfer zuteil wurde, erholte Linda sich außerordentlich schnell. Wir hatten fast immer schönes Wetter, dennoch bekam ich meine Schicksalsgenossin während unseres Aufenthalts auf dem „Baco" sehr wenig zu Gesicht.
War es, wie es mir manchmal vorkam, daß sie absichtlich ein Zusammentreffen mit mir vermied, lag der Grund darin, daß, wie mir mitgeteilt ward, die Rekonvaleszentin, weil sie eben erst vom Typhus erstanden war, ziemlich streng isolirt wurde? Genug, ich sah die junge Dame fast nur aus der Ferne und wechselte während der achttägigen Fahrt kaum ein Dutzend Worte mit ihr.
Die Reise auf diesem prächtigen Schiffe kam mir wie eine Spazierfahrt vor, sie verlief mit militärischer Pünktlichkeit; zur programmäßig festgesetzten Zeit liefen wir in den Kanal ein. Kanonenschüsse von Ramsgate begrüßten uns, wir erwiderten sie donnernd, bald nahm die Themse mit ihrem stillen, grauen Wasser uns auf und kurze Zeit später ankerten wir in Greenwich. Die Formalitäten unserer Ausschiffung waren bald erledigt, und eine Stunde später saßen wir in dem Zuge, der uns nach London führte.
Linda Bartholdi benahm sich sehr still und in sich gekehrt. Es war wohl die Fülle der Erlebnisse, welche an ihrem Geist vorüberzog, und das überwältigende Gefühl, nun auf festem Lande und nach so wunderbaren, schweren Schicksalen gerettet und geborgen zu sein, was sie so schweigsam machte. Ich begriff diese innere Einkehr wohl und ehrte diese dadurch, daß ich meine Begleiterin völlig ungestört ihren Gedanken überließ.
So saßen wir schweigend im Zuge nebeneinander und sahen auf das schon sich herbstlich färbende Land hinaus. Wir näherten uns der Riesenstadt, mir mußten gleich auf dem Bahnhof Charing-Croß sein.
„Wo werden Sie in London abstei- gen?" srug ich daher.
„Ich bin in London ganz fremd und weiß gar nicht Bescheid. Werden Sie in einem Hotel absteigen?" klang es zurück.
„Ich werde im Hotel Bristol mich einlogieren", antwortete ich.
„Dann werde ich auch Wohnung dort nehmen," kam es leise von den Lippen der Dame.
Wir waren schon zwei Tage in dem gleichen Hotel, und Linda Bartholdi hatte tch während dieser Zeit noch nie gesehen. (Schluß folgt.)