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König kalten Blutes niedergemacht hat. Merkwürdigerweise zeigten sich auch die respektabelsten Männer, alte Kaufleute, von deren Ehrenhaftigkeit ich tief über­zeugt bin, von der Bluttat befriedigt. Alle stimmten mit ein in den Ruf:Es lebe Peter Karageorgjewitsch!" An Ge­schäfte war natürlich nicht zu denken, und so beeilte ich mich, wieder nach Ber­lin znrückzukehren.

Bern, 9. Juni. Laut Bericht der Genfer Blätter beabsichtigen französische Kapitalisten, eine Gesellschaft mit dem Sitz in Genf zu gründen, um Auffahrt zum Montblanc mittelst zwei Fesselballons zu betreiben. Eine Hin- und Rückfahrt würde 25 Fr. kosten.

Genf, 15. Juni. Peter Karageorgje­witsch erhielt ein Telegramm aus Semlin, welches meldet, daß die Nationalversamm­lung ihn einstimmig zum König gewählt habe.

Genf, 15. Juni. Peter Karageorgje- witsch erklärte einem Vertreter der Schwei­zerischen Depeschenagentur, daß er die Krone annehme und den Namen Peter I. führen werde. Er sei tief gerührt von dem Beweis des Zutrauens, obschon die Nachricht nicht mehr unerwartet gekom­men sei. Er werde an das serbische Volk eine Proklamation richten, in der er dem Volke dafür danken werde, daß er die Traditionen seiner Vorfahren wieder auf­nehmen wolle. Er selber werde, getreu diesen Traditionen, sich besonders von dem Andenken an seinen verehrten Va­ter leiten lassen. Er gebe sein Wort, daß er alles, was sich in den letzten 40 Jah­ren zugetragen habe, vergessen und gegen keinen seiner Widersacher einen Groll be- wahren werde. Er werde die Rechte sämt­licher Beamten und Angestellten achten und/dieselben bitten, sich genau an das Gesetz zu halten und die geregelte Be­schäftigung wieder aufzunehmen.

Ein raffinierter Betrug wurde nach Wiener Blättern an der Versiche­rungsgesellschaft Mutual verübt. Ein Trlester Kaufmann und der dortige Agent der Gesellschaft wurden verhaftet. Sie machten schwindsüchtige Personen ausfin­dig, erlangten durch falsche Angaben oder Unterschiebung anderer Personen Ge­sundheitszeugnisse und versicherten die Todeskandidaten auf hohe Summen. Die Gesellschaft ist angeblich um 345000 Kronen geschädigt worden.

W i e n, 13. Juni. DerN. Fr. Presse" zufolge schweben zwischen Oesterreich und Rußland Verhandlungen über die ser­bische Frage. Oesterreich wünsche die Anerkennung des Prinzen Peter Kara- georgiewitsch, während Rußland an Stelle des Prinzen Peter dessen ältesten Sohn Alexander, der in Petersburg lebt, zum König gewählt sehen möchte.

Der geisteskranke Handelsagent Reich, der am Freitag den Kaiser Franz Joseph in Wien bei einer Ausfahrt be­drohte, wurde Samstag Nacht der Nieder- österreichischen Landesirrenanstalt über­geben.

Belgrad, 13. Juni. DemUng. Teleg. Korresp -Bur." wird von hier gemeldet: In einer Unterredung äußerte der Minister des Aeußeren: Der Schlüs­sel der Tragödie sei, daß König Alexan­der sein Schicksal mit der DragaS ver­knüpft habe, die das korrupteste Weib gewesen sei, das je auf dem Thron ge­sessen habe. Ihre beiden Brüder hätten

durch ihre Arroganz die ganze Armee erbittert. Der als Tronfolger in Aus­ficht genommene Bruder der Königin habe einem älteren Hauptmann Gläser an den Kopf geworfen; er sei dafür nicht bestraft worden, sondern der Hanpt- mann pensioniert worden. König Ale­xander sei geradezu unzurechnungsfähig gewesen. Sieben junge Leute seien ohne weiteres erschossen worden, weil sie Kund­gebungen gegen die Dynastie veranstal­teten.

Belgrad, 14. Juni. Hier herrscht eine förmliche Schreckensherrschaft. Alle Leute, welche verdächtig sind, mit der Aenderung der Dinge uicht einverstanden zu sein, werden entweder verhaftet oder polizeilich überwacht.

Der Ministerpräsident Awakumowitsch erklärte auf eine Anfrage wiederholt, daß keiner von den Teilnehmern an dem Anschlag verfolgt werden würde, da der Anschlag als Kampf aufgefaßt werde, in welchen! viele Angreifer gefallen seien. Das Vermögen der Königin Draga wird auf 5 Millionen Francs geschätzt und soll meist bei französischen Banken ange­legt sein. Wie es heißt, soll dieses Ver­mögen als ein dem Staate entwendeter, unrecht mäßiger Erwerb gerichtlich bean- spracht werden.

MrrtevHcrLtenöds.

Auf derKolumbia"

Eine Seegeschichte

von H. Rosenthal Bonin.

3) (Nachdruck verboten.)

Die verschlossenen Türen waren bald gesprengt, sie flogen auf ein markerschütternder, gräßlicher Schrei folgte. Statt der frischen Luft, drang erstickender Rauch in den Raum, die un­ter diesem sichtbaren Treppenstufen waren von einem röthlichen Schimmer erleuchtet.

Alles stürzte nach oben.

Es war kein Zweifel, das Schiff brannte, auS der Luke am Vorderteil stieg Dampf und Feuerschein auf. Dort­hinein gossen auch die Schläuche arm­dicke Strahlen von Wasser, aber selt­samer Weise entquoll der Wasserdampf nicht dieser Oeffnung, sondern entwich mit Gewalt an der Seite des Fahrzeuges aus einer Fensterluke fast in der Mitte des Schiffs. Es ging daraus hervor, daß der Brand schon eine beträchtliche Ausdehnung genommen haben mußte, und an ein Ersticken deS Feuers gar nicht zu denken war.

Diese Wahrnehmung hatte sich wohl allen blitzschnell aufgedrängt, denn die emporgestürmte Menschenmasse stand beim Erblicken dieser doppelten Rauch­säule erschreckt da, keiner Bewegung, keines Wortes fähig.

Diesen Moment benutzte der Kapitän. Er trat von den Pumpen vor die Pas­sagiere. Er sah leichenblaß aus, seine Kopfbedeckung hatte er wahrscheinlich verloren, und die nassen Haare hingen ihm verwirrt über das Gesicht.

Gentlemen", begann er, seine Stimme klang hohl und er hatte Mühe, zu ath- men, ,im Vorderraum, wo wir Möbel geladen, muß eine Lampe herabgestürzt sein und zwar schon seit längerer Zeit. Der Raum brennt und es ist wenig Hoffnung, daß wir des Feuers Herr werden. Hingegen glaube ich, daß wir das Schiff noch bis zum Tagesanbruch

werden halten können. Wir sind nicht sehr weit von der Route nach Haiti und werden wohl bald anderen Schiffen begegnen. Ihre Bagage, Gentlemen, müssen Sie verloren geben, denn man kann nicht mehr zum Lagerraum gelangen. Das Feuer muß schon vor Stunden ausgebrochen sein, wir hatten jedoch, ganz von der Arbeit in Anspruch genom­men, um das Schiff heil durch den Cyk- lon zu bringen, nichts davon bemerkt. Ich bitte Sie jetzt, Gentlemen, sich zu fassen, ruhig zu sein und mir zu helfen. Wer an den Pumpen arbeiten will, die erschöpfte Mannschaft abzulösen, tut gut. Die klebrigen bitte ich, sich auf das Ach­terdeck zu begeben. Vor Tagesanbruch wird unter Gottes gnädigem Beistand das Feuer bis dorthin wohl nicht kommen."

Diese Ansprache wurde mit dumpfem Schweigen angehört, sie war schauerlich genug begleitet von dem Stampfen der Pumpen, dem Knistern und Sausen des Brandes und dem Puffen und Zischen des Löschwassers. Ich fühlte mich zu schwach, an den Pumpen zu helfen, und begab mich mit der Mehrzahl der Passa­giere zum Hinterdeck des Schiffes.

Die Maschinen hatten aufgehört zu arbeiten, jedenfalls um den Luftzug zu schwächen. Das Fahrzeug trieb. Zum ersten Male seit vier Tagen fühlten wir nicht mehr unter unfern Füßen das gewohnte Dröhnen, die zitternde Bewegung, welche anzeigte, daß der Dampfer seinen Weg verfolgte.

Dieser Eindruck war höchst peinlich. Das Fahrzeug schien seine Seele verloren zu haben, gestorben zu sein, ein Leichnam, der auf dem Wasser schwamm.

Unter den Passagieren wurde kein Wort gewechselt. Jeder war sich des furchtbaren Ernstes der Lage bewußt und harrte bang auf den Anbruch des Tages. Von diesem waren wir jedoch noch weit entfernt, es war erst drei Uhr Nachts und im Oktober geht die Sonne nicht vor sechs Uhr auf. Um uns war undurchdring­lich finstere Nacht, am Himmel kein Stern zu sehen, nur das Schiff selbst leuchtete gräßlich: es erhellte einen Umkreis von einigen hundert Schritten und zeigte eine schwarze See mit rötlichen Schaumkronen die wie schwarzes siedendes Pech auSsah.

Eine halbe Stunde etwa schien das Feuer still zu stehen, ein Teil der Passa­giere ließ an Seilen leere Tonnen in das Wasser, zog diese herauf und goß deren Inhalt in die Luke vorn, wo die Spritzenschlauche mündeten. Es hatte den Anschein, als ob die vereinten Anstreng­ungen das Feuer einschränkcn würden. Schott regte sich ein wenig Hoffnung.

Plötzlich erdröhnte vorn ein furcht­barer Krach, das Schiff erzitterte in seinen Grunbvesten, eine entsetzliche Dampfwolke quoll auf, Flammen, Funken, Glut loderte empor. Der sich ansammelnde Wasferdampf, der keinen genügenden Ausgang fand, hatte das Deck um die große Luke vorn gesprengt, wobei mehrere löschende Rei­sende den Tod fanden, und nun schlugen blutrote Flammen mit einem Regen von Funken, und dicker, schwarzer Rauch un- gehemmt haushoch zum nächtlichen Him­mel, wollend, wirbelnd und eine uner­trägliche Hitze verbreitend.

Es war klar, daß jetzt der Brand mit einer ungeheuren Schnelligkeit sich verbrei­ten würde, denn von Pumpen konnte nun keine Rede mehr sein, es machte die Sache nur gefährlicher. Dazu erzeugte das Feuer