Beilage zurWildbader Chronik."

Uro. 28 .

Areitag, öen 6. März 1903 39. Jahrgang.

Unterhaltendes.

Der Diamant des Levantiners.

Erzählung aus dem Orient von Rosenthal.Bonin.

(10) (Nachdruck verboten.)

Aber die Jndierin! Der Stein hatte einen ungeheuren Eindruck auf sie ge­macht. und bei der wahnsinnigen Begierde nach solchen Steinen konnte sie eines Verbrechens wohl fähig gewesen sein.

Wie konnte sie aber bei ihrem abge­schlossenen Leben, bei der Einsperrung in dem Palaste, umgeben von Wächtern und Aufseherinnen, einen Anschlag gegen den jungen Mann auSgeführt haben?

Das war wir völlig dunkel.

Am Nachmittag stellte sich Herr Pat- rodos bei mir ein. Ich erzählte ihm, wie weit ich mit meinen Nachforschungen gekommen sei, welche Verdachtsmomente sich für mich ergeben, und welche Schlüsse ich daraus gezogen hätte. '

Der alte Grieche hörte, mich aufmerk­sam an, dann dachte er, den kraushaarigen weißen Kspf in die Hand gestützt, lange nach.

Nach Allem, was Sie mir da sagen, Herr Legationsrath", begann er darauf, hat man in dem indischen Weibe die Urheberin des Verbrechens denn ein solcher ist unzweifelhaft meiner Meinung nach an Iosua Ephraisi begangen worden zu sehen. Es wird aber diesem Weibe schwer beizukommen sein und schließlich nichts herauskommen, was von wirklichem Nutzen für den Baron Ephraisi ist. Jede Annäherung Ihrerseits an diese Person dagegen ist höchst bedenklich, ja lebenSge- jährlich für Sie. Allein hat die Jndierin sicherlich nicht gehandelt, sie hat Helfers- Helfer gehabt. Diese können Sie, Herr Legationsrat, ganz ebenso beseitigen, wie Iosua Ephraisi beseitigt wurde. Dann ist auch noch die Erregung der Eifersucht deS alten Paschas zu fürchten. Diese bedeutete für sie den Tod. Solche Dinge ereignen sich gar nicht selten hier. Sie setzen also bei einem Vorgehen gegen das indische Weib ihr Leben auf's Spiel, das bitte ich Sie, wohl zu bedenken."

Das weiß ich", erwiderte ich.Weil mir das aber bekannt ist, werde ich mich besser als Iosua Ephraisi zu schützen wissen."

Der Grieche verneigte sich als höf­licher Halborientale, schweigend. Dann fuhr er fort:Ihre Befürchtung, daß der angebahnte Verkehr mit der Jndierin abgebrochen sei, theile ich nicht. Diese Haremsweiber sind unbegreiflich leichtsinnig und gedankenlos, und andererseits tötet die Leidenschaft bei ihnen jede Uederlegnng. Sie wagen alles, lassen sich durch nichts warnen, sind blind und sehen keine Ge­fahr."

Desto lesser. Erhalte ich also eine günstige Antwort, so wage ich es, das Abenteuer zu bestehen", entgegnete ich entschlossen.

Gut/ sprach der Grieche, sich erheb- end, so möchte ich Ihnen nur noch eine Warnung mit auf diesen dunklen Pfad geben. Hüten Sie sich vor dem Haschisch,

dieses Betäubung-- und Berauschungs­mittel ist jetzt in den Harems und in deren Jntriguen stark Mode geworden. Genießen Sie nichts, gar nichts, war man Ihnen auch vorsetzen möge, weder Kaffee, noch Scherbet, noch Konfekt."

Ich dankte dem Griechen für seinerHeden- falls auf guten Gründen beruhenden Rat und verabredete darauf mit ihm, daß er mich täglich nach dem Mittagessen besuchen solle.

4.

Es vergingen drei Tage, ohne daß ich ein Lebenszeichen von der Schwarzen er- hielt, als ich jedoch am vierten des Mor­gens den Gasthof verließ, lauerte mir der Eseljunge aus und richtete mir die Be­stellung aus, daß er am folgenden Tage um acht Uhr mit dem Esel am Esbekye- garteneingange auf mich warten wolle, um mich zum Kohlenbazar zu führen. Ich sagte ihm zu, pünktlich zur Stelle zu sein.

Am Kohlenmarkt traf ich richtig die Alte. Sie trat an meinen Esel heran und sagte mir, daß ich gar nicht abzusteigen brauche. Ich solle das Bewußte nur in dos Kästchen hineinlegen. Mit diese» Worten reichte sie mir ein kleines bron- zenes Kästchen hin, das durchbrochen gear­beitet und mit roter Seide gefüttert war, wie man solche manchmal bei indischen Tänzerinnen zur Entgegennahme von Geschenken sieht.

Ich stieg vom Esel und trat mit der Alten etwas zur Seite.Glaubst Du," sagte ich,daß man ein derartiges Geschenk durch eine Andere überreicht? O nein, meine Liebe. Du weißt selbst, daß man dies nicht thut. Nur Lolah selbst gebe ich dieses Wertstück, und wenn sie mir nicht einen Ort bestimmt, wo ich es hergebcn kann, so wird sie es sicher nicht bekommen."

So kann der Herr es für sich be- halten!" rief die Alte, mich mit zornigen Augen ansehend, riß mir das Kästchen aus der Hand und lief davon. An der Straßenbiegung wandte sie sich um, erhob drohend die Faust gegen mich und ver­schwand.

Ich ging mißmutig in den Gasthof zurück, jetzt schien eS mir doch, als sei mein Versuch, auf diesem Wege die Wahr- heit zu erforschen, endgiltig gescheuert.

Die Berauschung, in welche die schöne Jndierin für eine kurze Zeit mein Herz und meine Sinne versetzt hatte, war fast geschwunden. Daß sie den jungen Levan­tiner ermordet und beraubt habe, daran zweifelte ich jetzt keinen Augenblick mehr. Aber wie Gewißheit erlangen? Ich zer­marterte mir vergeblich den Kopf.

Gegen Mittag machte ich, wie täglich, einen Spaziergang nach der schattigen Schubraallee. Als ich noch nicht weit vom Gasthofe entfernt war, drängte sich ein altes egyptisches Weib an mich. Ich glaubte, daß es eine Bettlerin sei und reichte ihr eine Münze. Sie nahm diese, schob mir jedoch dabei einen zerdrückten Zettel in die Haud und machte sich dann eiligst davon. Ich warf einen verstohlenen Blick aus das Blättchen es enthielt arabisch Geschriebenes. Schnell ging ich auf mein Zimmer zurück und entzifferte

die Reihen der kaum leserlichen mühsam und höchst ungeübt gemalten Zeichen.

Sie besagten:Geh zum Kasr Ali (dem Palast der Mutter des Khedive am Nil), nimm dort ein verdecktes Boot und fahre nach Roda bis zum dritten Land- Hause. Dort verlaß das Schiff und geh am Ufer entlang bis zum siebenten Gar- ten, wo Du um drei Uhr nach der Sonnenhöhe ein offenes Gitter finden wirst. Das durchschreitest Du und be­ziehst Dich in ein Haus mit offener Glasthür. Nimm aber das Richtige mit, ein Anderes nehme ich nicht. Nahe Dich mir, wenn Du mich getäuscht hast, nie wieder!

Der Zettel war ohne Zweifel von der Jndierin, die Entscheidung also zu meinen Gunsten ausgefallen. Nun hieß es, seine Sinne beisammen zu haben und auf der Hut zu sein.

Ich schrieb an Patrodos, daß ich um 2 Uhr zu dem Sommerhause Saref Paschas auf der Insel Roda denn das war unzweifelhaft der Ort, wo ich hinbestellt wurde gehen würde. Dann legte ich die Kleidung, wie sie die jungen Reformtürken in Konstantinopel tragen, und die sich von der europäischen fast nur durch den Fez unterscheidet, an, steckte einen geladenen Revolver in die tiefen Seitentaschen des Rocks und fuhr nach dem Kasr Ali. Dort am Nilufer standen einige bedeckte Gondeln. Ich gab einem der Schiffer Auftrag, mich bis zum dritten Landhause der Insel Roda zu fahren und daselbst eine Stunde auf mich zu warten. Käme ich dann nicht zurück, so solle er sich nach Shepheard's Gasthof begeben und sagen, man möge den Grie­chen Patrodos davon benachrichtigen, daß ich nicht aus dem betreffenden Garten zurückgekehrt sei. Ein sehr gutes Trink­geld zu seiner ganzen Taxe würde er in diesem Fall von dem Gasthofsdirektor erhalten.

Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte von dem wolkenlosen Himmel, der Strom gleißte und glänzte wie eine gelbe flüssige Metallmasse, und die weißen Gebäude, die ummauerten Palmengärten, welche die Ufer umsäumten, waren von leis wogendem zitterndem Goldlicht um­flossen. Die Gondel schoß mit der Strömung dahin, mir pochte das Herz, und die Viertelstunde Fahrt schien mir sehr lang. Endlich wendete der Schiffer die Gondel dem Ufer zu und hielt am Rande. Ich stieg aus, prägte ihm noch­mals meine Bestellung ein und schritt darauf an dem in der Sonne stechend flimmernden weißen Sandufer entlang. Ich hatte wohl noch zehn Minuten zu gehen, dann fand ich die siebente, kostbrr geschmiedete hohe Eisengitterthür, die eine Marmorterrasse, welche dicht an den Fluß reichte, abschloß.

Der eine Flügel des Gitterwerks stand offen. Ich fühlte, ob der Revol­ver mir handlich in der Tasche lag, stieg entschlvssen die Stufen hinauf und schritt durch das Thor auf die Terrasse. Rot­blühende Granatbäume faßten in zwel Reihen einen kurzen Weg nach einem maurischen Gartenhäuschen ein, welcher im Hintergründe stand und von mächtl-