Beilage zurWildbader Chronik."

Urs. 22.

IreiLcrg, öerr 20. Ieörucrr 1903

39. Äakraana.

ZjLntevHattenöes.

Der Diamant des Levantiners.

Erzählung aus dem Orient von Rosenthal-Bonin.

4) (Nachdruck verboten.)

Noch an demselben Tage stattete ich dem türkischen Geschäftsträger einen Be- such ab und frug den mir bekannten Beamten, ob er mir gar keine Andeu­tungen über das rätselhafte Verschwinden des jungen Ephraisi geben könne. Der Geschäftsträger wußte von einem Verkehr zwischen Saref Pascha und dem Ver- schwundenen gar nichts. Ihm hatte der junge Ephraisi nichts weiter gesagt als, daß er im Aufträge seines Vaters dem Khedive eine außerordentliche Kostbarkeit zum etwaigen Ankauf vorlegen wolle. Er hatte den jungen Mann nur einmal, und zwar hier in seiner Wohnung, gesehen.

Ich wußte nun, daß Saref Pascha den jungen Mann außerordentlich liebens­würdig ausgenommen hatte und ihm die Audienz bei dem Khedive hatte verschaffen wollen. In mir setzte sich mehr und mehr der Gedanke fest, daß ich den Hebel für mein Unternehmen bei Saref Pascha einsetzen müsse, aber hier die größte Bor- sicht geboten sei. Meiner Stellung nach, die ich früher in Kairo bekleidete, stand eZ in meinem Belieben, einen Höflichkeits- besuch bei diesem Würdenträger zu machen, und ich ließ mir diesen günstigen Umstand nicht entgehen. Schon am zweiten Tage nach meiner Ankunft nahm ich mir einen Hotelwagen und fuhr zum Palast Man- sur Pascha, welchen Saref bewohnte. Der Palast war mir von meinem früheren amtlichen Aufenthalt in der Stadt bekannt.

Ein Kawasse nahm am Wagen meine Karte in Empfang und verschwand damit in dem großen Portal, das durch eine mächtige, verrostete Eisenthür, vor der ein hohes Eisengitter sich befand, festungs- artig verschlossen war. Nach einigen Minuten erschien derfinsterblickendeBursche wieder, grüßte höflich durch Kreuzen der Hände über der Brust und machte mir ein Zeichen, auszusteigen. An dem Por- tal empfing mich ein prächtig gekleideter Nubier mit großem vergoldeten Krumm- säbel an der Seite und führte mich eine teppichbelegte Treppe hinauf.

In dem Augenblick, als ich meinen Fuß auf die letzte Stufe setzte, trat aus einem durch einen Vorhang abgeschlossenen Seitengange mir eine hochgewachsene Frauensperson entgegen. Unverschleiert fuhr sie beim Erblicken einer nicht zum Hause gehörigen Mannesperson schnell hinter den Vochany zurück, jedoch nicht, ohne daß ich einen blitzartig mich treffen­den Blick aus ihren großen dunklen Augen aufgefangen hätte.

Was war das für ein seltsames Ge­sicht? Was hatte diese Person für er­staunliche Augen?

Die Züge dieses Frauenantlitzes waren nach unten in die Länge gezogen: dazu ein kleiner voller Mund, eine bräunlich angehauchte Gesichtsfarbe, eine hohe Stirn und kühn geschwungene Augenbrauen. Da

das Weib einen Moment erschreckt dicht vor mir still stand, konnte ich diese Ein- zelheiten wahrnehmen.

Diese Begegnung schien den Nubier zu verdrießen, denn er ergriff beinahe heftig meinen Arm und veranlagte mich schnell weiter zu gehen.

Wir waren jetzt in einem säulenge­tragenen Bogengang, der nach dem Hofe zu offen war, angelangt. Der Schwarze öffnete eine Flügelthür, dann nahm mich ein mit einem Fez und langem blauem Kaftan bekleideter Egypter in Empfang und führte mich in einen großen Saal. Derselbe war nach türkischer Sitte fast leer an der Erde lagen nur einige mit Teppichen belegte Matratzen, vor diesen standen einige europäische Sessel und ein ganz niedriges Tischchen. Seltsam nahm sich in diesem Raum ein großer schöner Konzertflügel aus, auf welchem ein prächtiger Pfanhahn saß, ein anderer spazierte langsam in dem Saal umher.

Ich hatte nicht Zeit weitere Beobacht- ungen zu machen, denn plötzlich wurde ein Vorhang an der Wand zurückgeschlagen, und ein kleiner alter Mann, ganz in Weiß gekleidet, einen roten Fetz auf dem Kopfe und einen Ordensstern, der von Brillanten funkelte, an einer Schnur um den Hals, trat ein.

Das mußte der Herr des Palastes sein.

Er hielt meine Karte in der Hand, verneigte sich tief vor mir und lud mich durch eine Armbewegung ein, auf einem der Stühle Platz zu nehmen, er selbst setzte sich mit Hilfe des Dieners nach orientalischer Art, dieBeine unterschlagend, auf das Polster am Boden vor mir nieder. Ein schwarzer Diener brachte ein Brett mit goldenen Schälchen duftenden Mokkas, ein anderer ein zweites mit ein­gemachten Früchten auf kleinen Krystall- tellerchen. Sie setzten die Brettchen vor mir auf das Tischchen.

Es freut mich. Sie zu sehen, ich heiße Saref," begann dar Männchen, aus einem starren, fahlgelben, mumien­artig vertrockneten Gesicht einen scharfen Blick auf mich werfend. Die bläulichen dünnen Lippen bewegten sich kaum beim Sprechen dieses Mannes, in dem erstarr­ten Gesicht hatten nur die kohlschwarzen kleinen, scharfblickenden Augeu Leben.Ich fühlte mich beehrt durch Ihren Besuch, Sie gehören einem starken Staate an, ich schätze die Preußen. Wie gefällt es Ihnen in Kairo?"

Es ist eine große, schöne und für uns Nordländer hochinteressante Stadt," antwortete ich.

Eine sehr schöne Stadt im Winter", erwiderte der Pascha und nahm ein Schälchen Kaffee, ein Zeichen für mich, das Gleiche zu thun.Ich verehre Ihren König; ich habe auch Ihren Kronprinzen in Damaskus gesehen; ein schöner Mann, groß wie ein H^i> und freundlich wie der Frühling."

Ich verneigte mich.Ich bin nicht zum Vergnügen hier," nahm ich darauf das Wort.Ich habe eine Leidenschaft, altertümliche Kostbarkeiten zu sammeln, und hoffe, daß mein Aufenthalt in dieser Hinsicht hier nicht nutzlos sein wird."

Um solche Dinge zu kaufen, ist Kairo der richtige Ort. Jedoch echte Kostbarkeiten sind auch hier nicht mehr billig", bemerkte der Pascha, indes er seine schwarzen Augen scharf auf mir ruhen ließ.

Da Ephraisi dem Würdenträger tau­send Franken Trinkgeld geschickt hatte, so mußte Saref Pascha entweder geldbe­dürftig oder sehr habgierig sein; letzteres pflegte im Allgemeinen bei den orienta­lischen Beamten zuzutreffen. Darauf baute ich meinen Plan, mir den Zutritt zu dem Palaste hier öfters zu ermög­lichen; deshalb hatte ich vorgegeben, Sammler von Altertümern zu sein.

Es muß auch schwierig sein, zu der richtigen Quelle zu gelangen," fuhr ich jetzt fort,besonders für einen Fremden. Können mir Excellenz vielleicht eineu Fingerzeig nach dieser Richtung hin geben? Ich wäre dafür von Herzen dank­bar."

Der Pascha erhob seine Augen lebhaft zu mir, in seinen Mienen zuckten ein paar Falten.

Das werde ich können, und es wird mir ein Vergnügen sein, den Herrn zu unterstützen. Werden L>i« einige Zeit in der Stadt bleiben?"

Etwa einen Monat Excellenz."

Gut. Der Herr wohnt?"

Im Hotel Shepheard."

Der Pascha neigte den Kopf.Es wird mir Freude machen, den Herrn be- nachrichtigen zu können, wenn ich etwa» Schönes und Seltenes in Erfahrung ge­bracht habe."

Ich bemerkte, daß ich den Besuch jetzt beendigen müsse und erhob mich. Der Pascha that mit Hilfe zweier Diener, die herbeieilten, dasselbe. Er verneigte sich vor mir, ich machte eine tiefe Ver­beugung und zog mich zum Eingang zu­rück. Der Beamte im blauen Kaftan nahm mich in Empfang, geleitete mich zu dem Nubier, dieser führte mich zum Kawassen, der mich wiederum zum Wagen brachte und den Schlag öffnete. Jedem dieser Herren hatte ich ein Zehnfranken­stück gegeben, das sie höchst freundlich und geschwind in ihre Gürteltaschen hin­abgleiten ließen. Der Kawasse warf den Wagenschlag zu, verneigte sich, die Hände vor der Brust, und der Wagen fuhr davon.

Vertrauenerweckend war die Erschei­nung dieses Paschas nicht, das mußte lch mir sagen. Der ohne Zweifel sehr alte Mann hatte in seinem lauernden, stechen­den Blick etwas von einer Schlange. Daran mochte wohl das hohe Alter des Türken einen gewissen Antheil haben. Habsüchtig war dieser Mann in unge­wöhnlichem Grade, das bewies mir das krampfhafte Zucken in seinem Gesicht, als ich seine Hilfe beim Ankauf von Kostbar- ketten erbat, wobei er ohne Zweifel tüch­tig zu verdienen gedachte. Trotzdem jedoch derartige orientalische Würdenträ­ger in jener Zeit Gewaltthaten nicht scheuten, wenn ihre Leidenschaften für irgend einen kostbaren Besitz angefacht wurden, konnte man doch kaum anuehmen, daß dieser Mann den jungen Ephraisi habe verschwinden lassen, um den rosa Brillanten zu erlangen. Allein konnte diese Mumie von einem Menschen, dies