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Lokales.

Wildbad, 16. Feb. Der Familien­abend des evangelische« Kirchen­chor s im Gasth. z.Sonne" war in der That eine Familienfeier, so heiter und unge­zwungen, so recht gemütlich verlief der (lei­der!) einzige Abend im Jahr, an der sich die aktiven u. inaktiven Mitglieder zusammen­finden. Hr. Lehrer Wörner hatte ein sehr hübsches Programm zusammengestellt; die Ausführung zeugte von feinem Kunst. Verständnis des Dirigenten und lobend wertem Fleiß der Sängerinnen und Sän­ger. Die gemischten Chöre, das eigentliche Gebiet des Kirchenchors, klangen voll und rein und fanden großen Beifall. So stark war übrigens der Singchor noch me wie gegenwärtig und namentlich un­ter den Damen sind einige ganz vorzüg- liche Stimmen, die wir auch im Solo­gesang zu bewundern Gelegenheit hatten. Die Glanznummern des Programms, 2 gemischte Quartette, mußten wiederholt werden; die Stimmen klangen prächtig zusammen und der Beifall wollte nicht enden. Im Sopran sangen Frl. Mina Fehleisen und Frl. Schwäble, im Alt Frl. Anna Auch und Frl. Julie Stokinger, Tenor Herr Postmeister Herrmann und Baß Herr Postsekretär Kübel, lauter gut geschulte Stimmen. Auch der Männerchor (Burschenwieder- kehr) wurde ganz gut gesungen, nur hielt der Tenor etwas zurück, weil der Haupt­sänger nicht ganz bei Stimme war. Mit stürmischem Beifall wurden die bei- den Duette ausgenommen. Im ersten sangen Frl. Mina Fehleisen mit ihrer reinen, weichen, überaus klangvollen Stimme und Herr Postsekretär Kübel, dessen kräftiger Baß eine treffliche Grund­lage zu der zarten Sopranstimme bildete, im zweiten Frl. Schwäble, die eine vorzügliche, starke Sopranstimme besitzt und Frl. Anna Auch, mit recht hübscher Altstimme. Außerdem sang Herr Post- sekretär Kübel noch 2 Baritonsoli, die außerordentlich gut gefielen. Beide Teile des Programms wurden durch Klavier- vorlräge (zu 4 Händen) eingeleitet, bei denen sich Frl. Julie Stokinger u. ^ Frl. Ernstine Bätzner als treffliche. Pianistinnen erwiesen. Ein humoristischer > Vortrag mit Demonstrationen schloß das Programm. Der Vorstand, Herr Stadt­pfarrer Auch, konnte mit Recht die Leistungen als vorzüglich hervorhebenH als er das Wort ergriff, um den aktiven) Mitgliedern, besonders aber dem DiriZ genten Herrn Lehrer Wörner, volle! Anerkennung zu zollen, der mit uner-! müdlichem Eifer arbeitet, um den Kir­chenchor zu einer möglichst hohen Stufe der Gesangskunst zu bringen. Herr Oberförster Bosch brachte ein Hoch auf den Vorstand aus, der mit herzgewinnender Freundlichkeit die Mitglieder in gutem Einvernehmen zusammenzuhalten wisse. Nun folgten noch eine Reihe hübscher Vorträge von Frl. E. Bätzner, Frl. M. Fehleisen u. Frl. I. Stokin­ger aus dem Klavier. Frl. M. FehI- eisen, Schwäble, E. Bätzner und Auch sangen teils allein, teils zusammen und auch Herr Postsekretär Kübel gab noch einige Solovorträge zum besten. Frl. Luise F ehleisen trug einige schwäbische Gedichte vor und jedes einzelne that sein Bestes, um den Abend möglichst angenehm und unterhaltend zu gestalten.

WntevHattenöes.

Der Diamant des Levantiners.

Erzählung aus dem Orient von Rosentha l°B o n i n.

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(Nachdruck verboten.)

Darf ich fragen, welcher Art der Inhalt des Briefes gewesen ist, den Sie Ihrem Sohn für Saref Pascha mitgege- den haben?" erkundigte ich mich weiter.

In dem Briefe lagen tausend Franken, und es war darin der Wunsch ausgedrückt, der Pascha möge meinem Sohne zu einer Audienz bei dem Khedive behilflich sein."

Sie können jenem Pascha vollständig trauen?"

Er ist noch der anständigste von all' jenen Würdenträgern ohne bestimmtes Amt am Hofe des Khedive und ich schärfte meinem Sohn noch besonders ein, unter keiner Bedingung auch diesem Manne gegenüber zu verraten, was ihn zu dem Khedive führe."

Ich notirte mir diese Angaben des Bankiers.

Ich habe ein Bild von Ihrem Sohne, Herr Baron", fuhr ich fort.Das ist aber ein Gemälde. Besitzen Sie nicht eine Photographie des jungen Mannes, welche Sie mir geben könnten?"

Jenes Miniaturbild ist die Kopie eines lebensgroßen Oelgemaldes vom Maler Winterhalter, das unten im Sa­lon hängt. Es ist außerordentlich gut getroffen und lebenswahr. Ich will Ihnen das Original jedoch zeigen, wenn Sie es wünschen. Hier sind aber auch noch ver­schiedene Photographien aus jüngster Zeit."

Der Baron öffnete ein Kästchen und gab mir mehrere Photographien seines Sohnes, die wie ein Blick auf dieselben mich überzeugte, fast völlig mit dem Mi­niaturbild übereinstimmten. Ich gab den Wunsch kund, dennoch das große Oelge- mälde zu sehen. Der Baron führte mich durch eine Reihe übermäßig prunkvoll aus- gestatteter Zimmer zu einem fürstlich ein­gerichteten Saal, wo die Bildnisse seiner Kinder Herr Ephraisi hatte noch drei Töchter hingen.

Ich gewann durch Betrachtung des lebensgroßen Meisterwerkes des berühmten Malers eine vortreffliche Anschauung da­von, wie Josua Ephraisi seiner ganzen Erscheinung nach ausgesehen haben mußte. Ich lies mir schließlich noch ein Schrift­stück von dem Baron ausstellen, daß ich ermächtigt sei, die zurückgelaffenen Hab­seligkeiten seines Sohnes an mich zu nehmen, und verabschiedete mich. Von inbrünstigen Segenswünschen des alten Barons begleitet, verließ ich den Palast und begab mich in meine Wohnung zurück.

Als die Sonne unterging befand ich mich schon auf dem Dampfer, der aus dem goldenen Horn dem Meere zusteuerte. Hinter mir war alles in purpurgoldene Sonnenglut getaucht, und vor mir lag eine Welt von mildem, tiefwarmem sanftem Abendrot, das den mächtig sich vor mir aufthuenden Meeresarm und die zurück- wcichenden Küsten mit mildem Schein übergoß. Ein Bild des holdesten Friedens, als ob es keinen Kummer und Gram, keine Leidenschaften und Verbrechen auf der Erde gäbe.

Und doch fuhr ich der Lösung eines unheimlichen Rätsels entgegen, bei welchem ohne Zweifel die wildesten Dämonen im Menschen mitgcwirkt. Mir war nicht sehr behaglich zu Mule, ich hatte wenig Hoff­nung, dem gramgebeugten Manne, der mich ausgesandt, Tröstliches zurückzu­bringen, fast keine, den Sohn noch lebend anzutreffen.

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Am vierten Tage der Fahrt ward das blaue Meer zu unseren Füßen undurch- sichtig gelblich, und ein niedriger weißer Küstenstrich tauchte vor uns auf. Wir näherten uns dem Ziele unserer Fahrt. Einige Stunden später wurden die weißen Häuserzeilen Alexandriens sichtbar. Der Lootse kam an Bord, und bald warfen wir im Hafen der fast europäisch aus­sehenden Stadt Anker. Um die Mittags­stunde schon saß ich im Eisenbahnzuge und dampfte über Sümpfe, Kanäle und endlos scheinender grüne Felder Kairo zu. Bevor es Nacht wurde, hatte ich meinen Bestim- mungsort erreicht, und mich im Hotel Shcpheard einquartiert.

Am nächsten Morgen hatte ich eine vertrauliche Unterredung mit dem Leiter des Gasthofes. Dieser konnte mir nicht das Geringste mehr über den Verschwun­denen sagen, als ich schon wußte. Der Agent des Bankiers hatte zwei Zimmer für den reichen Gast bestellt, dieser die Räume zur festgesetzten Zeit bezogen, und dann hatte man ihn nur noch einige Male beim Abendessen gesehen. Der junge Mann war ruhig, schweigsam und oen größten Teil des Tages und Abends nicht im Gasthofe. Am zweiten Tag seines Aufenthalts benutzte er eine Hotelequipage, um zu Saref Pascha zu fahren, auch nahm er öfters Gefährte auf der Straße an. Von den Kutschern derselben wußte Herr Wener, der Leiter des Gasthofes, daß der junge Herr noch zweimal zum Palast Saref Paschas sich habe bringen lassen. Am Abend des verhängnisvollen Tages sei Herr Ephraisi in Gesellschaftskleidung in der Richtung des Esbekihpiatzes fort­gegangen. Vorher habe er einen Brief an seinen Vater geschrieben, und diesen dem Portier zur Besorgung übergeben. Weiter wußte der Direktor nichts, hatte auch keine Mutmaßung, was dem jungen Manne passirt sein könne.

Die Untersuchung des Koffers Josua Ephraisi's ergab nicht den geringsten An­haltspunkt für etwaige Nachforschung. Er enthielt den Kreditbrief mit der Notiz darauf, daß zweitausend Franken erhoben seien. Ich suchte den Agenten auf. Dieser, ein alter Mann, griechischer Nationalität, der schon dreißig Jahre in Kairo ansässig war, wußte nicht mehr, als der Gasthos- direktor. Er hatte den Stein gesehen. Ihm hatte der junge Ephraisi gesagt, daß er den Solitär der Sicherheit wegen stets bei sich trage, und daß er am nächsten Tage im Gasthof bleiben wolle, weil höchst wahrscheinlich ein Wagen des Khe- dwe kommen werde, um ihn zur Audienz abzuholen. Von mehrfachen Besuchen Lph- raisi's bei Saref Pascha wußte der Agent nichts ; zu ihm hatte der junge Mann nur von einem einzigen Besuche bei dem Pascha gesprochen. Dem Agenten war es gleich­falls völlig unbegreiflich, was dem vor­sichtigen jungen Herrn begegnet sein könne.

Ich versicherte mich sowohl seitens des Gasthofdirektors als des Agenten des vollkommensten Stillschweigens über meine Sendung und meine Person. Durch Herrn