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NrO. IS.
Arertag, 6. Aeöruar 1903
39. Jahrgang.
Runds ch a u.
Stuttgart, 3. Febr. Bei der gestrigen Arbeitslosenzählung wurden gezählt: Gänzlich Arbeitslose 619 männliche und 6 weibliche, zusammen 625; mit verkürzter Arbeitszeit Arbeitende 260 männliche und 10 weibliche, zusammen 270. Im Ganzen sind also 895 Personen angemeldet. Bei der Zählung vom 10. Nov. ror. Jahres wurden insgesamt ungefähr 1000 Personen gezählt; am 19. Febr. 1902 waren es 1405 gänzlich Arbeitslose und 776 verkürzt Arbeitende, zusammen also 2181; 1895 waren es insgesamt etwa 2300 gewesen. In Vergleichung mit diesen Zahlen ergibt sich geg «über der Zählung vor einem Jahre eine ganz bedeutende Besserung. Die damals angegebenen Zahlen sind jetzt weit unter die Hälfte gesunken. Auch gegenüber der Zählung im letzten November ist ein entschiedener Fortschritt fest- zustellen.
Stuttgart, 3. Febr. Nach nahezu vierstündiger Sitzung konnte di: Kammer der Abgeordneten heute die Beratung der Ortsschulaufsicht endlich schließen. Bei der Abstimmung über Abs. 2 des Art. 4 wurde der Kommisfionsantrag in namentlicher Abstimmung einstimmig angenommen. Abs. 2 lautet: Der Ortsschulaufseher und die Ortsschulbehörde sind teils dem Oberamt, teils dem Bezirksschulaufseher, teils dem gemeinschaftlichen Oberamt in Schulsachen untergeordnet.
— 5. Febr. (Landtag.) In der heutigen Sitzung wurde bei der Abstimmung Art. 3 nach dem Antrag Hieber mit 52 gegen 23 Stimmen angenommen. Hienach wird die Bezirksschulaufsicht in der Regel als Hauptamt ausgeübt. Als Bezirksschulaufseher imHauptamt werden Schulmänne roderGei st liche, welche der Konfessiou der ihnen untergebenen Schullehrer angehören, angestellt.
Ottenhausen, 4. Febr. Letzten Sonntag Mittag wurde hier der in den 50er Jahren stehende frühere Bärenwirt Chr. Sackmann von hier verhaftet und in das Neuenbürger Amtsgefängsnis eingeliefert. Derselbe hat seine Tochter derartig verletzt, daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußte.
Pforzheim, 2. Febr. In Niefern brach heute nacht Feuer in einer Scheune aus. Dabei brannte das mitten im Dorf gelegene, von vier Familien bewohnte zweistöckige ältere Doppelwohnhaus des Fuhrmanns Chr. Lehr und des Gold- arbeiters Martin Schwarz »ebst Doppel- scheuer nieder. Vieh und Fahrnisse konn- len gerettet werden. Das Verbrannte ist versichert. Die Feuerwehr war rasch
zur Stelle und verhinderte weiteres Umsichgreifen de? Brandes.
Ludwigshafen, 2. Febr. Der 13 Jahre alte Sohn Karl des Schneidermeisters Dandel spielte mit einer Zim- merpistole. In der Meinung, daß dieselbe versage, drückte er auf sich ab. Durchs Herz getroffen sank der Knabe tot zusammen.
Berlin, 4. Feb. Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Agster, Vertreter des Wahlkreises Pforzheim, verübte heute in der Wandelhalle des Reichstags einen Selbstmordversuch, indem er einen Revolverschuß auf sich abfeuerte, jedoch ohne sich zu verletzen. Vorher hatte er dem Bureau des Reichstags schriftlich mitgeteilt, daß er sich das Leben nehmen werde. — „Frkf. Ztg." wird hierzu noch gemeldet: Agster, von dem schon längere Zeit bekannt ist, daß er gemütskrank ist, machte in einem Anfall von Geistesstörung heute mittag im Reichstagsgebäude einen Selbstmordversuch. Er hatte seinem hiesigen Logiswirt brieflich mitgeteilt, das er sich am 4. ds. das Leben nehmen werde, und hat von dieser Absicht auch einer Anzahl von Reichstagsabge- ordneten brieflich Kenntnis gegeben. Der Wirt sandte den Brief dem Direktor des Reichstags. Bevor aber noch Maßnahmen getroffen werden konnten, hatte Agster seine Absicht bereits ausgeführt. Man hörte einen Schuß, eilte herbei und fand Agster bewußtlos am Boden liegend. Man konnte nun feststellen, daß keine Verletzungen vorhanden waren. Agster hatte, bevor er den Schuß aus der Pistole abgab, die Kugel aus der Patrone ent- fernt. (Agster steht jetzt im 45. Lebensjahre. Er wurde infolge seiner nervösen Ueberreiztheit schon einmal zwangsweise in eine Heilanstalt gebracht, kehrte aber bald wieder von dort zurück und begab sich aufs neue nach Berlin in den Reichs- tag, obwohl seine Parteigenossen damals seineMandatsniederlegung erwartet hatten.)
— Das seltsame Gebahren des Abg. Agster hat schon oft die Aufmerksamkeit der Mitglieder und der Besucher des Reichstags auf sich gelenkt. Er ging stets wie geistesabwesend und traumverloren umher, oft lächelnd oder ein Liedchen vor sich hinsummend. In den Badezellen des Reichstag- soll er sogar oft laut gesungen und durch den Inhalt seiner Gesänge die Benützer der Nebenzellen verletzt haben. Wie in sozialdemokratischen Reichs- tagSkreisen erzählt wird, trägt er sich mit verschiedenen Wahnideen, so hält er sich für den König von Württemberg und will sich mit der Mutter Gottes ver- wählen u. s. w. Don der sozialdemokratischen Fraktion ist Agster schon seit
längerer Zeit im Hintergrund gehalten worden; so wurden die von der Fraktion gestellten Anträge, die sonst immer den Namen deZ Abgeordneten tragen, der dem Alphabet nach der Erste ist, schon seit langer Zeit nicht von Agster, sondern von Albrecht zuerst unterzeichnet.
— Reichskanzler Gras Bülow führte in der letzten Reichstagsfitzung aus: Er verschließe sich nicht den Zweckmäßigkeitsgründen für die Gewährung von Diäten, müsse aber auch die Interessen und Anschauungen der Regierungen ^berücksichtigen. Die Gewährung von Diäten bedinge eine Aenderung der Reichsverfassung; 'die verbündeten Fürsten verzichteten beim Abschluß des Bundes auf sehr wertvolle Rechte. Die Neigung zur Gewährung von Diäten ist bei diesen keine große. Bezüglich des Antrags Hompesch betr. Zulassung der I esuitenz erklärt der Reichskanzler, daß die Zulassung von Niederlassungen des Orden» der Gesellschaft Jesu die Zustimmung der Regierung nicht finde, doch machen die konfessionellen Verhältnisse innerhalb des deutschen Reichs eS nicht länger nötig, einzelne deutsche Staatsangehörige, weil sie dem Orden Jesu angehören, unter die Bestimmungen des Ausnahmegesetzes zn stellen, ebensowenig Ausländer.
Dresden, 3. Febr. In sächsischen Regierungskreisen scheint man anzunehmen, daß angesichts der schweren Erkrankung des Prinzen Friedrich Christian, des zweiten Sohnes der früheren Kronprinzessin Luise, eine plötzliche Rückkehr der Mutter nicht ausgeschlossen sei.
Paris, 4. Febr. Auf Ersuchen der württembergischen Behörden fand hier eine Haussuchung bei dem hierher geflüchteten Bankier- Speidel statt. Man fand bei Speidel 5000 Mk. in Banknoten und 100 Mark Geld. Speidel wird in etwa 8 Tagen ausgeliefert werden.
Rom, 2. Febr. Heute morgen starb Hierselbst der bekannte Bildhauer Professor v. Kopf im Alter von 76 Jahren. Die Leiche des Professors v. Kopf wird durch Feuer bestattet und auf dem hiesigen protestantischen Friedhöfe beigesetzt werden. (Josef v. Kopf wurde am 10. März 1827 zu Uebcrkingen in Württemberg geboren. Seine zahlreichen Bildwerke, Statuen und Büsten sind hervorragende Kunstschöpfungen. 1892 schuf er das Kaiserin Augusta-Denkmal in Baden- Baden, wo er zumeist den Sommer zu- brachte, während er im Winter in Rom lebte.
Men tone, 4. Febr. Expräsident Krüger liegt an einer Lungenentzündung darnieder. Sein Privatsekretär erklärte indes, daß die Erkrankung keineswegs lebensgefährlich sei. Die Rückkehr nach