— 644 —
keineswegs, als er ihn erkannte, ja er sah sogar aus, als ob er ganz vergessen hätte, daß es zu seinen Lebensgewohnheiten gehörte, Furcht und Schrecken um sich zu verbreiten.
„Ach!" sagte er mit seiner rauhen Stimme, reichte ihm aber mit verhältnismäßiger Artigkeit die Hand. „Guten Morgen, Mordaunt. Sie sehen, ich bin auf eine ganz neue Art beschäftigt."
Die andre Hand legte er auf Cedriks Schulter — möglich, daß sich insgeheim etwas wie Stolz in seinem Herzen regte, solch einen Erben vorstellen zu können.
„Dies ist der neue Lord Fauntleroy," fuhr er fort, „Fauntleroy, dies ist Mordaunt, unser Geistlicher."
Fauntleroy blickte zu dem steifen, schwarz gekleideten Herrn auf und reichte ihm die kleine Hand.
„Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir," sagte er, eingedenk der Redensart, mit welcher Mr. Hobbs hier und da einen neuen, hochgeschätzten Kunden beehrte. Cedrik war überzeugt, daß man einem Geistlichen gegenüber in der Höflichkeit ein übriges thun müsse.
Mr. Mordaunt hielt das Händchen einen Augenblick in der seinen und blickte, unwillkürlich lächelnd, in das blühende Kindergesicht. Er hatte den kleinen Gesellen bereits lieb — wie es ja den meisten Menschen erging. Nicht die Schönheit und Anmut des Knaben sprach zu seinem Herzen, sondern die Einfachheit und Kindlichkeit, die all seine Worte, so wunderlich und komisch dieselben oft waren liebenswürdig und herzgewinnend machten.
„Und ich freue mich von ganzem Herzen der Ihrigen, Lord Fauntleroy," erwiderte der Pastor die Anrede. „Sie haben eine lange Reise machen müssen und wir sind alle erfreut, daß Sie dieselbe so glücklich überstanden haben."
„Dia Reise war sehr lang," versetzte Fauntleroy, „aber Herzlieb, meine Mama, ist mit mir gekommen, und da bin ich natürlich gar nicht einsam gewesen. Man ist ja nie einsam, wenn man seine Mutter bei sich hat, und das Schiff war wunderschön."
„Setzen Sie sich, Mordaunt," sagte der Gras.
„Eure Herrlichkeit ist sehr zu beglückwünschen," sprach der Geistliche mil Wärme, indem er sich einen Stuhl zn- rechtrückte; der Graf schien jedoch nicht geneigt, seine Gefühle über den Punkt laut werden zu lassen.
„Er sieht seinem Vater ähnlich," bemerkte er ziemlich kurz angebunden. „Hoffentlich führt er sich einmal verstand- iger auf. Nun, und was giebt's heute, Mordaunt?" setzte ec hinzu. „Wer ist wieder einmal im Elend?"
Das klang lange nicht so schlimm, als Mr. Mordaunt erwartet hatte, und doch begann er erst nach einigem Zögern sein Anliegen vorzutragen.
„Es handelt sich um Higgins — Hig- gins von der äußeren Farm. Der Mann hat Unglück gehabt. Ich will nicht gerade behaupten, daß er ein sehr guter Wirtschafter ist, allein die Verhältnisse sind derart, daß er zucückkoinmen mußte. Er selbst war letzten Herbst krank, dann hatten die Kinder das Scharlachfieber und nun liegt die Frau. Es handelt sich um den Pachtzins und Newick droht, ihm sofort!
zu kündigen, wenn er nicht bezahlt. Die Sache steht natürlich sehr schlimm für ihn, und er kam gestern zu mir mit der Bitte, mich bei Ihnen für die Gewährung einer länger» Frist zu verwenden."
„DaS alte Lied," sagte der Graf sicht lich verstimmt.
Fauntleroy standzwischen dem Großvater und dem Besucher und war ganz Ohr. Er dressierte sich natürlich sofort für Higgins und die Kinder und hätte gar zu gern gewußt, wie viele es ihrer seien, und ob sie sehr krank gewesen.
„Higgins ist ein wohlgesinnter Mann," bemerkte der Geistliche „bemüht, sein Ge, such zu unterstützen.
„Und ein schlechter Pächter, der immer im Rückstände ist," erwiderte Seine Herrlichkeit. „Ich weiß das von Newik."
„Augenblicklich ist die Not groß. Der Mann hängt sehr an seiner Familie, und wenn ihm vie Pacht gekündigt wird, so können sie alle miteinander verhungern. Zudem verordnet der Arzt Wein und kräftige Kost für die Kinder, und Higgins weiß nicht, woher das nehmen."
„So wac's gerade bei Michael," warf Lord Fauntleroy, näher tretend ein.
(Forts, folgt.)
Vermischtes.
(C h r i st b a u m s ch n e e.) Die Watte wird auf die Zweige gelegt und gegen die Nadeln gedrückt Dann werden alle Zweige mit Diamantpulver bestreut, was den -Schnee dem wirklichen täuschend ähnlich macht. Diese Bäume erfreuen Groß und Klein.
— Wir lesen in der „Post": Sieben Pfennige Goldwert haben nach einer Feststellung der Zentralstelle der deutschen Uhrmachervereinigung in Leipzig die in schweizerischen und österreichischen Uhrenversandtgeschäften angepriesenen Goldin uhren. Trotzdem behaupten die Versandthäuser, daß diese „Wunder der Uhrenindustrie" selbst von Fachleuten nicht von goldenen Uhren zu unterscheiden sind Natürlich ist dies eitel Humbug.
— Die Geschichte der ganzen „Affaire Humbert", die nun seit sieben vollen Monaten Paris und Frankreich, ja die ganze Welt beschäftigt, sei hier in großen Zügen rekapitulirt: Madame Therese Humbert, geb. Daurignac, baute alle ihre Manipulationen auf der 100 Milliouen- Erbschaft Mr. Henry Robert Crawfords auf, zu der sie angeblich folgendermaßen gekommen war: Vor dem Hause ihrer Mutter, der Mavame Daurignac in Toulouse, stürzte einst der besagte Craw ford und verletzte sich. Die guten Damen Daurignac pflegten den Fremden bis zur Wiederherstellung. Dafür bezeugte er sich dankbar. Denn als Therese Daurignac den Sohn des hochmögenden alten Herrn Humbert, der sogar den Posten des Justiz-Ministers bekleidete, geheirathet und ihr Bruder Romain Daurignac Fräulein Humbert heimgeführt hatte, trat Frau Therese mit der Mittheilung auf, Crawford habe sie zur Universalerbin seiner 100 Millionen gemacht. Aber das Geld war nicht leicht flüssig zu machen. Zwar lag es, wie Madame Hum bert gern erzählte, wohl verwahrt in ihremfeuer-und diebessicheren Geldschrank, aber es waren andere Erben Crawfords
vorhanden, die sich ihrer Ansprüche nicht ohne weiteres begeben wollten. Und nun wurden Prozesse auf Prozesse geführt, die alle günstig für die Humberts verliefen, obwohl die gegnerischen Forderungen nie gänzlich abgewiesen wurden und von denen sich später herausstellte, daß die Crawfords selbst überhaupt nicht existirt und die Humberts stets gegen sich selbst prozessieren. Doch da dis Millionen ja goldsicher im Geldschrank ruhten, ivar es nicht verwunderlich, daß sich genug brave Leute fanden, die der Besitzerin und zukünftigen Eigenthümerin der großen Schätze gar gern aushalfen. Und das geschah im allergrößten Maßstabe: Millionen auf Millionen strömten der Frau Humbert zu. Die Dame war so gewandt, so bezaubernd liebenswürdig, so zuvorkommend und uett, daß ihr selbst gewiegte Geschäftsleute, die sonst äußerst vorsichtig zu Werke gingen, bereitwillig zu Diensten waren. Da kam Anfang Mai der große Krach. Die bisherigen Gläubiger hatte man wohl, wenn sie einmal dringend wurden, durch Zahlung aus neu aufgenommenen Geldern getröstet. Aber mit einem Mons. Catani, der kaum eine einzige lumpige Million geborgt hatte, konnten die „hundertfachen Millionäre" nicht fertig werden. Und sie begaben sich aus ihrem Pariser Hotel aufs Land mit dem Bemerken, sie würden in wenigen Tagen zur Eröffnung der Kasse mit dem famosen Crawforder'schen Testament und den 100 Millionen wieder zurück sein. Aber sie kehrten nicht wieder; alle ihre Erzählungen und Prozesse waren purer Schwiii- del gewesen und als man endlich den oielgerühmten Geldschrank erbrach, war er leer. Jetzt, nach so langen Anstrengungen, ist es, als man an einem Erfolg schon gezweifelt hatte, gelungen, die ganze Kompagnie in Madrid dingfest zu machen.
(Triftiger Grund.) „Du willst Dich von Deinem Manne scheiden lassen?" „Ja, aber jetzt noch nicht, wir wollen noch warten, bis unsere gemeinsamen Visitenkarten aufgebraucht sind."
(Auf demHeimweg vomWirts- haus.) Bauer (stark bezecht): „Schab', daß der Mensch bloß zwei Füß' hat; mit vier könnt' ma' no' «mal soviel vertragen !" (Flieg. Bl.)
(M i ß v e r st a n d e n.) Kommis (auf dessen Pult das Gasglühlicht aus- gegaugen ist, zum Prinzipal): »Herr Prinzipal, der Strumpf meiner Flamme hat ein Loch." Prinzipal: »Gehen Sie weg, was gehen mich die Toilettegegenstände Ihrer Braut an?!"
(E in ge g an ge n.) „Warum gehst du denn gar nicht mehr aus?" — „Ja, denk' dir nur, als mein Schneider gestern zum drittenmale mit der Rechnung kam, warf ich ihm einen Stiefel meines letzten Paares nach, und der Schuft — hat ihn mitgenommen!" (Fl. BI.)
«- Sinnsprüche. «<-
Schweigen bis zur rechten Zeit Uebertrifft Beredsamkeit.
Wer trocken Brod mit Lust genießt, Dem wird es wohl bekommen.
Wer Sorgen hat und Braten ißt,
Dem wird das Mahl nicht frommen.
Göthe.
Telephon Nro, 33.
Redaktion, Druck und Verlag von Albert Wildbrett in Wildbad.