WnierHcEenöss.
Am der Mitgist willen.
Roman von Arthur Zapp.
(Fortsetzung) (Nachdruck verboten.)
VII.
Während hier ein junges Menschen- Wesen sich zum Licht des Lebens cmpor- rang, erlosch in der Ferne in Axel's früherer Garnison eine müde Seele für immer. Am Tage nach der Geburt von Axel's und Klara's Kinde kam die telegraphische Nachricht: Konsul Rehfcld war einem Schlagansall erlegen.
Zwei Tage später fuhr Axel zur Beerdigung. Es war ein großes, Pomp- hafteS Begräbnis. Wenn der Verstorbene uvch gesellschaftliche Beziehungen während seiner letzten Lebensjahre nicht mehr unterhalten hatte, so war er doch durch feine angenehme gesellschaftliche Stellung und durch die verschiedenen Ehrenämter, die er innegehabt, eine der angesehensten und bekanntesten Persönlichkeiten der Stadt.
Axel reiste noch an demselben Abend wieder ab. Er ließ sich nicht einmal die Zeit, seine Kameraden vom Regiment im Kasino aufzusuchen. Mit dem Amtsrat Kattcnbusch, dem Gatten seiner Kousine, und mit dieser selbst wechselte er nur während des Begräbnisses ein paar Worte. Es zog ihn zu Frau und Kind zurück. Besonders um Klara war er in Sorge und das brennende Verlangen, durch liebevolle, sorgfältigste Pflege wieder gut zu machen, was er verschuldet, ließ ihm keine Ruhe. Die Wochen und Monate verstrichen in ruhigem, abwechslungsarmen, aber köstlichem, friedlichem Stillleben. Klara hatte sich völlig wieder erholt und auch der kleine Reinhold — diesen Namen hatte der kleine Weltbürger in der Taufe erhalten — gedieh prächsig und erfüllte die Räume des Herrenhauses mit seinem schmetternden Geschrei. Rein- hold hatte vor Kurzem sein erstes Lebensjahr vollendet, als eines Tages eine Gestellungsordre vom Bezirkskommando cinlief. Der Reservelieutenant, der vor feinem Avancement zum Premier stand, wurde zu einer achtwöchigen Uebung zu seinem alten Regiment einberufen.
So glücklich sich auch Axel in Karlshagen fühlte, die Einberufung war ihm doch nichts weniger als unangenehm. Eine kleine Unterbrechung deS stillen, eintönigen Landlebens konnte sicherlich nicht schaden. Sein noch jugendfrischer, lebhafter, heiterer Sinn sehnte sich nach ein wenig mehr Abwechslung und Aufregung, nach Geselligkeit, Lärm und nach dem trauten Kreise lieber, fröhlicher Kameraden.
Klara freilich erschrak im Stillen, wenn sie es sich auch nicht anmerken ließ. Aber dir Ordre war da, dagegen war nichts zu machen. Außerdem freute sich Axel auf das Avancement. Es blieb ihr nichts übrig, als sich mit guter Miene in die Trennung zu fügen. Ihr blieb ja Reinhold, der sie viel in Anspruch nahm und sie reichlich beschäftigte. Da würden ihr die Wochen schnell genug vergehen. Aber der arme Axel! Wie würde er die Trennung von seinem kleinen Liebling ertragen?
Als er ein paar Tage vor dem Ge- stellungstermin diesem Gedanken Ausdruck
!gab, zeigte Axel anfangs ein betroffenes Gesicht und starrte eine Weile nachdenklich zu Boden. Plötzlich aber leuchtete auf seinem Gesicht der Widerschein eines befreienden Entschlusses.
,Weißt Du, Schatz," rief er in seiner frischen, munteren Weise, „wir trennen uns überhaupt nicht. Wir bleiben alle drei hübsch beisammen."
„Aber wenn Du doch fort mußt!"
„Freilich muß ich fort. Aber was hindert Euch, mit mir zu kommen? Tante Rehfeld wird uns schon für die acht Wochen Obdach geben. Meinst Du nicht?"
Auch in Klara schlug anfangs die Freude jäh auf.
„Ach ja! Wie schön! Gewiß, das ist das Allerbeste!"
Aber wunderbar, je näher der Tag heranrückte, da sie von dem stillen, friedlichen, ihr so lieb gewordenen Karlshagen scheiden sollte, desto mehr verringerte sich ihre Freude und ihre Lust. Im Gegenteil, ganz sonderbar unruhig und beklommen wurde ihr zu Mute. Eine unbestimmte Furcht ergriff sie, wie lie Ahnung von allerlei Ungemach, das Ihrer in der fernen Stadt wartete. Wenn sie sich nicht gescheut hätte und wenn es ihr nicht lieblos und rücksichtslos erschienen wäre, sie hätte Axel am liebsten gebeten,sie und Reinhold zu Hause zu lassen.
Die Frau Konsul war mit Freuden auf Axel's Bitte eingegangen. Es war ihr sehr erwünscht, einmal die Einsamkeit von Villa „Sorgenfrei" durch jüngeres Volk ein bischen belebt zu sehen. Und so siedelte denn Axel an einem schönen Herbsttage mit Klara und dem kleinen Reinhold und in Begleitung von zwei Dienstmädchen nach seiner früheren Garnisonsstadt über und nahm in Billa „Sorgenfrei" in der oberen Etage, die ihm mit seiner kleinen Familie ganz eingeräumt worden war, Quartier.
Während der ersten Tage kam das junge Ehepaar kaum zur Besinnung. Da waren so viele Besuche zu machen, bei allen verheirateten Offizieren in der Stadt, bei einigen anderen Familien, die zu dem Verkehrskreise der Offiziere gehörten. Fast alles war noch beim Alten. Im Regiment waren wenig Veränderungen geschehen und nur zwei oder drei neue Herren waren da und zwei Verheiratungen hatten inzwischen stattgefunden. Aber der gemütliche, kameradschaftliche Ton war noch der alte und Axel fühlte sich vom ersten Tag» an so wohl und vertraut im Offizierskorps, als wäre er nie von ihm geschieden und als wäre es noch heute, was es ihm einst gewesen, die Familie, die alles ersetzte: Eltern und Geschwister.
Auch sonst war in der Stadt wenig von Neuerungen zu spüren, nur die Firma I. C. Rehfeld und Cie. umgewandelt und Herr Guntermann, der frühere Prokurist, war als Compagnon in die Firma eingetreten, die außer ihm, der Witwe und dem abwesenden Sohn des Konsuls gehörte.
Einer der ersten Besuche des jungen Ehepaar galt der Familie Kattcnbusch. Das Herz des Landwirts freute sich in Axel, als sie auf das Plantikower Gebiet kamen. Es mußte für jeden Landwirt ein Genuß sein, zu sehen, in wie musterhaftem Zustand alles war: Aecker,
Wiese», Forst und zuletzt der Wirtschaftshof mit seinen langen Scheunen und sauberen Ställen. Der Amtsrat war als der beste Landwirt der ganzen Provinz bekannt. Außer Plantikow, einer großen Besitzung von sechstausend Morgen, über deren Bewirtschaftung Herr Kattenbusch selbst die Oberaufsicht führte, besaß cr noch ein kleiner Gut — Luisenfließ — über das er einen Administrator gesetzt hatte.
Der AmtSrat empfing die Gäste in der ihm eigenen derben Höflichkeit.
„Na, alter Junge," begrüßte er Axel, der die Ofsiziersuniformtrug, „mal wieder'n bischen Soldat spielen? Wurde Dir wohl höllisch langweilig auf Deiner Sandbüchse, dem Karlshagen, wie?"
Und zu Klara gewandt, der er aus dem Wagen half, setzte er lachend hinzu: „Haben da wirklich ein Wunder vollbracht gnädige Frau. Begreife wirklich nicht, wie Sie das Kunststück fertig gebracht haben, den Bruder Sausewind da an seine heimatliche Scholle zu fesseln."
Frau Ada zuckte mit einer Miene der Indignation die Achseln, um anzudeuten, daß sie die Derbheit des Gatten nicht billige.
Axel erstaunte, als er seiner Kousine gegenübersland. Sie hatte sich in den letzten zwei Jahren auffallend verändert. Die Ehe schien ihr ausgezeichnet zu bekommen. Sie war stark geworden, ihre Büste hatte sich prächtig gerundet und das kleine Enbonpoint, das sich sichtbar markirte, gab ihr etwas reizvoll Frauenhaftes. Auch in dem Ausdruck der Züge lag etwas Reises, Ernstes, daS der jungen Frau in den Augen dessen, der sie nur als lustiges, übermütiges, ausgelassenes junges Mädchen gekannt hatte, einen neuen Reiz verlieh. Wenn der Zug um den Mund und der Blick der nervös flackernden Augen, in dem ein Ausdruck von Unruhe, von geheimer Erwartung und stiller Unzufriedenheit lag, nicht gewesen wäre, die junge Frau Amtsrat hätte als der Typhus der zufriedenen, musterhaften Hausfrau gelten können.
Axel reichte seiner Kousine galant den Arm, während der Amtsrat mit Klara voranschritt.
„Ich mache Dir mein Kompliment, Ada," flüsterteAxel seiner Kousine mit einem Blick aufrichtiger Bewunderung zu, „Du bist schön geworden — noch schöner, wollte ich sagen. Wirklich, als Mädchen warst Du anziehend, als junge Frau bist Du geradezu" — er snchte nach einem Ausdruck — „geradezu berückend."
Sie lächelte; der verklärende Schein inniger Genugthuung glitt über ihr Gesicht.
„Geh'," sagte sie kokett. „Ich bin nicht mehr daran gewöhnt, Schmeicheleien zu hören."
„So? Und Dein Gatte, der Dich anbetct!"
Die Linien um den Mund vertieften sich und gaben dem ganzen Gesicht etwas Bitteres, Spöttisches.
„Seine Schmeicheleien würde ich ihm gern erlassen," versetzte sie hart.
„Du kennst ihn ja. Seine Manieren und selbst seine Artigkeiten haben alle etwas —/sie stockte einen Moment; in ihren Mienen trat ein Zug von Geringschätzung hervor — „na, sagen wir: sie haben alle etwas Rustikales."