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tiefe Erschütterung erfahren. Wohl habe er nicht aus Habsucht, sondern ans Ehrgeiz gehandelt. Da er aber immerhin eine niedrige Gesinnung an den Tag gelegt habe, sei auch auf Ehrverlust erkannt worden. Auch Gentzsch täuschte das in ihn gesetzte Vertrauen aufs ärgste, stand aber vollständig unter Exners Einfluß. Er statte wohl auch nicht das volle Bewußtsein der Strafbarkeit seiner Handlungsweise. Die übrigen Angeklagten hätten, obgleich auch ihnen dieses Bewußtsein fehlte, durch unverantwortliche Pflichtverletzung zur Herbeiführung der Katastrophe beigetragen.
Unterhaltendes.
Nm -er Mitgift Wille».
Roman von Arthur Zapp.
(Fortsetz.) (Nachdruck verboten)
III.
Es war am nächsten Tage, als Herr Haberkorn sich auf dem Wege nach dem Bankgeschäft I. C. Rehfeld befand. Vor dem großen Hause am Marktplatz, in dessen erster Etage sich die Geschäfts- räume befanden, sah Herr Haberkorn die ihm bekannte Equipage des Consuls Reh. selb, des Inhabers der Firma. Neben der Frau Consul befand sich auf dem Rücksitz im Fond des Wagens eine junge Dame, die noch nicht das zwanzigste Jahr erreicht haben konnte. Es war eine ungewöhnlich große Erscheinung; die Gesichtszüge waren, soviel He>r Haberkorn in der Entfernung erkennen konnte, nicht auffallend hübsch, aber doch wohlgebildet.
In dem Hausflur begegnete Herr Haberkorn dem Consul. Der alte, kleine Herr gab den Gruß des Rentiers, der seit Jahren mit der Firma in Geschäftsverbindung stand, freundlich zurück.
„Der Herr Consul fahren schon nach Hause?" fragte Herr H^erkorn den Bankier, der eine Billa außerhalb der Stadt besaß.
Der Consul nickte mit trüber Miene.
„Werde wohl überhaupt nicht mehr ins Geschäft kommen", sagte er melancholisch.
„Nun, nun, Herr Consul! Wo fehlt's denn?"
Der alte Herr verzog sein Gesicht, das einen ungesunden, gelblich-blassen Teint hatte, schmerzhaft und legte seine Hand auf die rechte Seite seiner Brust.
„Die Leber", seufzte er, „die Leber ist nicht in Ordnung und der Magen will ebenfalls streiken. Äeh, Hab' gar keine rechte Freude mehr am Leben!"
„Aber Herr Consul", fühlte sich der Rentier verpflichtet zu trösten. „Es wird ja doch wieder besser werden. Ich sehe —" er deutete mit der Hand nach der Straß» hinaus „Sie haben Besuch, Herr Consul. Solch ein hübsches, jugendfrisches Mädchen bringt Lust und Freude ins Haus."
Doch der kränkliche alte Herr schnitt eine Grimasse.
„Was, ich brauche Ruhe", gab er mißlaunig zurück.
Er wollte seinem Geschäftsfreunde schon die Hand zum Abschied reichen. Dieser aber hatte noch eine Frage.
„Wohl eine Verwandte, Herr Consul?"
„Eine Nichte. Ihre Eltern sind schau
seit geraumer Zeit tot. Während der letzten Jahre war sie im Pensionat. Jetz ist sie zu uns übergesielelt. Ich bin ihr Vormund. Ein reiches, ein sehr reiches und hübsches junges Mädchen. Da ist es weine Pflicht, für Vergnügen und Unterhaltung zu sorgen — ja, ja!"
Der grämliche alte Herr nickte gar trübselig und machte eine Miene, die zu den eben gesprochenen Worten einen drolligen Contrast bildete.
lieber da- Gesicht des Rentiers, der mit einem merkwürdigen Interesse zugehört hatte, als berühre ihn die Sache persönlich, lief ein Helles Zucken. Er neigte sich jetzt vertraulich zu dem Con- sul hinüber und sagte mit einem listigen Lächeln, seine Stimme fast zum Flüsterton dämpfend: „Wenn Ihnen die Aufgabe, für das Amüsement der Dame zu sorgen, Beschwerde verursacht, Herr Consul, so giebt es ja ein sehr probates Mittel."
„Nun?" fragte der alte Herr zerstreut, dem diese Unterhaltung im Flur schon zu lange dauerte.
„Sie brauchen Ihr Mündel ja nur zu verheiraten."
Der alte Herr blickte erstaunt auf und sah den ihm Gegenüberstehenden mit einem forschenden Blick an, als müsse er sich vergewissern, ob der andere scherzte oder im Ernst spräche. Dann, während sich die Falten um seinen Mund noch tiefer ausprägten, bemerkte er sarkastisch: „Die Idee ist gut, sie ist sogar ausgezeichnet. Nur schade, daß der Hauptposten zu der Rechnung fehlt: der Freier."
Herr Haberkorn machte eine beruhigende Geste mit der Hand und seine kleinen grauen Aeuglein blitzten gar pfiffig.
„Das wird sich schon finden, Herr Consul. Bei den Vorzügen der jungen Dame!"
Er rieb mit einer mechanischen Bewegung Daumen und Zeigesinger seiner Rechten gegeneinander. Der Consul aber streckte ihm ungeduldig die Hand hin und verabschiedete sich mit einem kurzen: „Guten Tag, Herr Haberkorn!"
Der Rentier setzte seinen Weg in das Comptoir fort, nicht im Geringsten ver- verletzt oder verstimmt. Im Gegenteil, er lächelte vergnügt vor sich hin, während er die Treppe zur ersten Etage hinauf- stieg. In seinem erwerbslüsternen, immer auf einen Verdienst erpichten Geist stieg eine Idee auf, die ihm einen ungeheuren Verdienst in Aussicht stellte, wenn sie sich in der wünschenswerten Weise verwirklichen ließ ....
Lieutenaut Axel v. Düringshofen war nicht wenig erstaunt, als er noch an demselben Abend einen Brief erhielt, der mit „F. Haderkorn" unterzeichnet war und eine unerwartete, freundliche Einladung enthielt. Das Schreiben war kurz, aber es war mit ausgesuchter Höf- lichkeit abgefaßt und lautete vielversprechend :
„Hochverehrter Herr Lieutenant!
Ich gestatte mir, Sie höflichst zu bitten, mich morgen im Laufe des Vormittags mit Ihrem werten Besuch zu beehren. Ich glaube, daß es mir möglich sein wird, Ihnen zu dienen und zwar in ausgiebigerer Weise, als Sie ahnen können. Alles weitere mündlich. In der sicheren Erwartung Ihres bal
digen geschätzten Besuches bin ich Euer Hochwohlgeboren ganz ergebenster
F. Haberkorn."
Die verzweifelte Lage des Lieutenants hatte sich in nichts geändert. Wenn nicht ein Wunder geschah, war ihm der „schlichte Abschied" gewiß. Nach wenigen Jahren des Glanzes ein unrühmliches Enve. Aus der Armee wenig ehrenvoll entlassen, der Uniform für immer beraubt, weil er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Und dann? Dann folgte in kurzer Zeit der zwangsweise Verkauf seines überlasteten Gutes und der Rest war Amerika oder eine Kugel vor den Kvfsi.
Ob er nicht doch in den sauren Apfel biß und sich um die Hand der ihm von dem Manichäer vorgeschlagenen Eugenie Regensteiu bewarb? Darauf oder auf einen ähnlichen Vorschlag würde ja die Einladung des Geldmannes schließlich doch nur herauskommen. Aber als sich dann der junge Offizier das Eheleben an der Seite einer ungeliebten, häßlichen Frau ausmalte, die für ihre körperlichen Mängel ihn nicht einmal durch gewinnende Manieren und liebenswürdiges Wesen entschädigte, die der Tochter des reichen Fabrikbesitzers ebenso sehr abgingen, wie die Schönheit, da quoll doch der Widerwillen nnd der Abscheu so stark in ihm empor, daß er heftig mit dem Fuß aufstampfte und ein ungestümes: „Nein, nein, nein!" ausrief.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
(Verläßliche Wetterpropheten.) Bei der Launenhaftigkeit des diesjährigen Sommerwetters ist man nur allzusehr auf die Wetterpropheten angewiesen und man ist dankbar, wenn man auf einen solchen verläßlichen Ratgeber mehr aufmerksam gemacht wird. In der „Daily Mail" sin- den wir folgende Zusammenstellung: Als Wetterpropheten aus derPflanzenwelt gelten zu allererst die Blätter der Roßkastanie, die bei guten Wetteraussichten, auch wenn der Himmel, bewölkt ist, die fünf Finger ihrer Blätter wie die fünf Finger einer Hand nach allen Richtungen ausbreiten, sie aber bei herannahendem Regen fallen lassen und zusammenziehen, wie man mit der Hand eine Prise nimmt. Die scharlachrote Pimpernell ist noch verläßlicher. Sie wartet den Tag, an dem es Regen gibt, auch bei blauem Himmel, mit festgeschlossener Blüte und prophezeit den Regen fünf, zehn, sogar vierundzwanzig Stunden ehe er eintrifft« Der Löwenzahn, dessen weiße wollige Kugeln jetzt jede Wiese schmücken, steht in seiner kreisrunden Voll- kommenheit nur solange da, als schönes Wetter in Aussicht ist, bei herannahendem Regen zieht er die feinen Fadenbüschelchen zusammen und bildet einen Miniaturbesen, Alle Kleegattungen klappen ihre dreifachen Blätter zusammen und biegen ihre Stengel um, wenn Regen naht. Frösche sind gelb bei dauernd schönem Wetter und werden braun, wenn Regen droht; Spinnen arbeiten an der Vervollkommnung ihrer Netze nur bei Aussicht auf langen Sonnenschein; wenn sie am frühen Morgen Fäden ziehen, kann man getrost für die Landpartie die frischesten Sommerkleidchen wählen. Wenn die Eule bei Regen krächzt, wird es gewiß schön, während, wenn der Pfau bei