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Paris, 2 . Juni. Ueber den Frie- densschluß zwischen England und Tr«ns- vaal schreibt der Matin: „Ganz Europa wird erleichtert aufathmen. Es ist von einer ungeheuren Last befreit worden, die sein Gewissen bedrückt habe. In diesem Krieg giebt es weder Sieger noch Besiegte. Die Buren haben ihre Ehre zu herrlich vertheidigt, als daß man sie zu den ge- demütigten und abgethanen Völkern zählen könnte. Sie haben sich einen unvergänglichen Platz in der Heldengeschichte erobert und diese Eroberung ist so viel wert wie alle andern." Aehniich sprechen sich die meisten andern Blätter aus.
— Präsident Steijn ist leidend. Ec hat eine Lähmung erlitten und an der Konferenz in Vereniging nicht teilge- nommrn, sondern ist nach Krügersdorp gereist.
— Mehr als 2*/- Jahre haben die tapferen Buren dem übermächtigen England Stand gehalten und die Ehre ihrer Nation zu verteidigen gewußt. Ein englischer General nach dem andern sah seinen Kriegsruhm an der Entschlossenheit und der Kriegstüchtigkeit des südafrikanischen Burenvolks zerschellen. Mit grimmigen Mitteln, welche in Haag die Friedenskonferenz ausdrücklich als unmenschlich und wider das Völkerrecht bezeichnet?, hat England den mißachteten Feind bekriegt. Ihm stand die ganze Welt offen, sich seine Vorräte stets aufs Nene verschaffen, um das von derselben ganzen Welt verlassen« Burenvolk zu Boden zu Hetzen. Keine Gewaltthat ward gescheut. Die nieder-gebrannten Farmen, die durch die Konzentrationslager hinge- mordeten unschuldigen Frauen und Kinder, die mit Strang und Kugel Hingerichteten Burenkämpfer zeugen davon, nicht minder auch die Demütigung, die sich Deutschland durch die unerhörte Beschlagnahme seiner Reichspostdampfer durch den^teuren eng- lischen Vetter gefallen lassen mußte. Die Züge aber, die aus den harten Schicksalskämpfen der Buren von diesen bekannt wurden, zeigen, wie sehr nicht bei den Lords des edlen Allion, wohl aber bei den einfachen Bnrenführern Ritterlichkeit, Menschlichkeit und Edelmut die Herzen erfüllte. Unvergeßliche Bilder von Heldengröße und Feldherrnknnst haben die Buren der Weltgeschichte in diesen Kämpfen eingefügt und die Namen ihrer Kommandanten und Generale umleuchtet unsterblicher Ruhm, wie die Heldrngeschichte ihres eigenen Ringens zur Rettung der nationalen Ehre unsterblich und lorbcerumschlungen die bewun- dernde Mit- und Nachwelt grüßt. Das wird jeder kurze Ueberblick über den Krieg in Südafrika immer aufs neue wieder bestätigen. Noch sind die Bedingungen nicht bekannt, unter denen die Burenführer jetzt mit dem stolzen England Frieden zu schließen sich bereit fanden. Aber wie dem auch sei, ihre Ehre retteten die Burenkämpfer, und nicht mehr wie vor einem Jahre wagt es noch ein englischer Minister sie gleich Banden von Marodeuren abzuthnn Auch bas offizielle England hat ihre Entschlossenheit und ihren unerschrockenen Mut anerkannt. Während die englische Regierung s. Zt. verkündete, daß es überhaupt keinen eigentlichen Friedensschluß geben würde, da Niemand mehr vorhanden sei, den Eng
land zum Kriegführen und Friedenschließen als berechtigt anerkenne, so sehen wir heute den englischen König dankerfüllt diesen Frieden preisen und ganz England aufjauchzen in Jubel über den Friedensschluß KitchenerS mit den einst so ver- höhnten Männern. Das aber bedeutet neben dem Machtsieg Englands einen moralischen Sieg der Buren, dessen Be- deutung nicht groß genug veranschlagt werden kann.
Lokales
Wildbad, 3. Juni. Die Beförderung des Herrn Postsekretärs Herrmann zum Postmeister wurde von der ganzen Bürgerschaft mit Freuden begrüßt, denn jedermann zollt dem tüchtigen Beamten sowie dem liebenswürdigen, bescheidenen Manne die größte Achtung und Verehrung. Am Samstag abend brachte ihm, als seinem Ehrenoorstand, der Liederkranz, gestern abend der ev. Kirchenchor als eifrigem Mitglied und Kassier ein Ständchen, wobei der Vorstand, Herr Stadtpsarrer Auch, in herzlichen Worten die Glückwünsche des Vereins darbrachte.
— Wie wir vernehmen, wird die Hebung des Hauses von Hrn. Schmied- meister Kloß hier am nächsten Freitag Vormittag durch Hrn. Werkmeister Rück- gauer aus Stuttgart vorgenommen werden.
UnterHcrtten-es.
Lady Diaua's Geheimnis.
Roman von Floren ce Marriat.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Und Du hast ihr wahrscheinlich ein Versprechen abgezwungen?
»O nein, sie gab mir es freiwillig. Komm, Philipp, sei mir deshalb nicht böse. Ich stelle es Dir frei, sie mir ab- zugewinnen, wenn Du kannst. Laß unehrlich um sie ringen !Bist Du einver- standen?"
„Ich habe durchaus keine Lust, mich in dieser Angelegenheit mit Dir einzulassen. Hast Du mir sonst noch etwas zu sagen? Braganza wartet auf mich."
„Versprich mir, heute Abend nicht zu spielen, Philipp!"
„Fällt mir gar nicht ein! Ueberdies brauchte ich Deine Ratschläge nicht, an deren Uneigennützigkeit ich sehr zweifle, nach dem was Du mir in Betreff Lilp's gesagt hast."
„Du wirst e< bereuen. Philipp, denn Du bist ein Spielball in den Händen dieser Männer."
„Die deine Freunde sind!» fiel der Lord verächtlich ein. „Wie, wenn ich Ihnen Deine Worte wiederholen würde?„
„Thue es, wenn Du willst!" versetzte Antony achselzuckend. „Ich spreche nur für Dein Wohl, Philipp, und ich bitte Dich nochmals, diese Leute zu meiden."
„Laß mich in Ruhe mit Deinen Ratschlägen," gab der Graf ungeduldig zurück, „ich brauche sie nicht. Wahrscheinlich hat Lily Dich dazu angestiftet, mir das zu sagen, aber sie hat einen schlechten Anwalt gewählt!» Adieu!"
Mit kurzem Gruß trennte sich Philipp von seinem ehemaligen Jngendgefährteu und verschwand in einem nahegelegenen Restaurant, wo er Branza zu treffen er
wartete. Antony schaute ihm betrübt nach; es that ihm leid, daß ihre Unterredung eine solche Wendung genommen, aber trotzdem war er fest entschlossen, nicht ab- zulassen, bis er Philipp die Augen geöffnet haben würde. Er wollte an diesem Abend das Spiel überwachen, um, sobald er irgend eine Schurkerei dabei bemerken würde, sie sofort unnachsichtlich aufzudecken. Daß dies nicht ohne Gefahr für ihn war, verhehlte er sich nicht, denn in Italien werden die meisten Streitigkeiten mi dem Stilet ausgetragen, aber er war nicht der Mann, feige zurückzuweichen, wenn die Ehre auf dem Spiele stand.
Zur gewöhnlichen Zeit versammelten sich die Gäste des Palazzo Ferrini, einer bekannten Spielhölle, um die grünen Tische und auch Antony mischte sich unter sie, von seinem Platze aus beobachtend, wie Lord Culwarren mit Fosbrooke, Bragauza und einem Franzosen, Namens Degrande, der als notorischer Schwindler galt, eintrat. Alle waren stark angeheitert und setzten sich sofort zum Spiele nieder. Antony hielt sich in ihrer Nähe, mit scharfem Auge die Spielenden überwachend. Dies schien Fosbrooke zu stören, denn er erklärte wiederholt, Antony'S fixieren verdürbe ihm das Spiel, schließlich forderte er den jungen Mann in befehlendem Tone auf, seinen Platz am Tisch zu verlassen. Dieser lehnte es rnhig ab, dem anmaßenden Verlangen Folge zn leisten.
»Sie müssen entschuldigen, Fosbrooke"' sagte er, „daß ich Ihrem Wunsche nicht Nachkomme, aber das ausgezeichnete Spiel des Herrn Degrande interessiert mich lebhaft, — ich möchte von ihm lernen."
Fosbrooke erwiderte nichts darauf, sondern begnügte sich, seinen Gefährten zu beobachten, dessen Blick und Haltung Unheil zu künden schienen. Unverwandt schante Antony, der dicht hinter Degrande saß, ans die Karten und endlich kam der Augenblick, auf den er gewartet. De- grande gewann nämlich durch besonderen Glücksfall, der jedoch dadurch hervorgerufen worden war, daß der Franzose eine seiner Karten aus Taschenspielerart im Aermel verschwinden ließ. Antony bemerkte diese Manipulation und mit eisernem Griff den Arm Degrande'S festhaltend, rief er laut: »Die Karte her, Schurke! Sie haben uns betrogen!"
Di« Wirkung dieser Worte war eine augenblickliche. Sämtliche Anwesenden drängten sich herzu, um zu erfahren, ob die schwere Anklage des jungen Eng- länders begründet sei. Auch Fosbrooke war aufgesprungen, bleich vor Erregung stand er da, als Antony die fehlende Karte aus dem Aermel des Franzosen schüttelte, der wie ein Espenlaub zitterte.
»Habe ich Dich nicht mit Recht vor diesen Leuten gewarnt, Philipp?" rief Autony dem betroffen dreinschauenden Lord zu. »Habe ich Dir nicht gesagt, daß Du nur ein Spielball in ihren Händen bist, um Dir Dein Geld abzunehmen?"
Fosbrooke war hastig auf ihn zuge- treteu. „Schweig, wenn Dir Dein Leben lieb ist!" zischte er.
„Mein Leben? Was liegt mir daran? Philipp, ich beschwöre Dich, nimm Dich in Acht!"
„Wovor?" fragte der Graf, der zu- viel getrunken hatte, um die Sachlage völlig zu verstehen.