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einmal mit der Weiß hier war, sie sowohl in Briefen, als auch in öffentlichen Anzeigen als seine rechtmäßige Frau. Vor einigen Tagen kam nun der Amerikaner hier an, um Frau und Kind hier abzuholen. Die Weiß weigerte sich jedoch, zu ihm zu gehen und das Kind herauszugeben. Montag Nachmittag kam der Amerikaner von Kirn, wo er in einem Hotel Wohnung genommen hatte, hier au und ging vor die Wohnung des Wirth, um sein Töchter- chen und seine Frau mitzunehmen. Wirth verweigerte die Herausgabe, worauf der Amerikaner einen Revolver zog und Wirth mit 3 Schüssen tötete; einen zu Hilfe kommenden Arbeiter Baumhard schoß der Mörder in den Hals und verwundete ihn schwer, so daß auch an dessen Aufkommen gezweifelt wird. Mehrere Männer verfolgten den Amerikaner, welcher flüchtete und im Walde verschwand, ehe er eingeholt werden konnte. Er wurde spät abends in Baumholder verhaftet und dem olden- burgischen Amtsgericht in Oberstein zugeführt.
St. Gallen, 10. Mai. Der Nachtschnellzug Zürich-München ist kurz vor der Einfahrt entgleist. Die Lokomotive wurde umgeworsen und zwei Personenwagen wurden zertrümmert. Fünf Personen wurden verletzt. Der Materialschaden ist bedeutend.
— Der Kaiser hat folgenden Erlaß an den Stadthalter von Elsaß-Lothringen gerichtet: Um den Bewohnern von Elsaß Lothringen einen besonderen Beweis Meines Wohlwollens zu geben, sowie im Vertrauen auf die reichstreue loyale Gesinnung, welche sich je länger desto mehr in die Bevölkerung der Reichslande befestigt hat, und die Mir bei Meinen wiederholten Besuchen dieser dem Vaterlande zurückgewonneuen Länder in unzweideutiger Weise entgegengetreten ist, will Ich Sie-ermächtigen, wegen Aufhebung des tz 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, betr. die Entrichtung und Verwaltung, mit dem Reichskanzler in Verbindung zu treten, den Ich ermächtigen werde, einen entsprechenden Gesetzentwurf dem Bundesrat vorzulegen. Sie wollen diesen Meinen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis bringen.
Rom, 12. Mai. Das Unwetter dauert allenthalben im Lande an. Aus Como wie ans Savona kommen Nachrichten über Schneefall. Der Apennin ist schneebedeckt. Ebenso sind die aus Piemont eintreffenden Eisenbahnzüge mit einer Schneedecke überzogen. Die Kälte in Nord-Italien ist groß. Auch in Neapel herrscht Sturm und Unwetter. Der Ver- kehr der Dampfschiffe im Golf ist teilweise eingestellt. Der Schaden, den der Orkan bei Civita vecchi angerichtet hat, wird auf zwei Millionen geschätzt.
— Einer Newyorker Meldung zufolge erzählt der erste Offizier vom Dampfer „Vrorimar" als Augenzeuge der furcht- baren Katastrophe, welche St. Pierre vernichtete, u. A. Folgendes: „Das Schiff lief am 6. Mai morgens nach einem hef- tigen Gewitter im Hafen von St. Pierre ein. Etwa 20 Schiffe waren im Hafen und das letzte, welches ankam, war der englische Dampfer „Roddam". Plötzlich hatte man das Gefühl, als ob man ge- schüttelt würde, und aller Augen wandten sich nach dem Monte Pelee, aus dem eine
himmelhohe Feuersänle emporschoß. Dann barst der Berg auseinander, die Flamme schlug vom Himmel auf die Stadt und den Hafen zurück. Darauf stieg unter gewaltigen Tosen eine entsetzliche Flutwelle empor, die sich auf Häuser und Schiffe ergoß, und man glaubte, der Untergang der Welt sei schon herbeigekommen. Alle Schiffe standen in Flammen. Der Hafen war voller Leichen. Manche Tote befanden sich in der Stellung wie im Leben, sodaß der Tod augenblicklich eingetreten sein muß. Die Zerstörung von St. Pierre ist vollständig, und kein einziger Ueberlebender wurde entdeckt. Alle Uhren blieben auf 7.50 Uhr stehen. Es steht eine Hungersnot auf Martinique bevor.
- - Der Kapitän eines kleinen Dampfers, der sich noch rechtzeitig ans der Reede flüchtete, scheint der einzige zu sein, der sah, was geschah. Er erzählt, daß am Donnerstag, morgens 8 Uhr, ein betäubender Krach die Luft erschütterte. In demselben Augenblicke schien der ganze, au 5000 F.:ß hohe Vulkan gespalten und in Stücke geborsten zu sein. „ Es regnete Fener ," sagte er, und nn selben Augenblick stand die ganze Stadt Saint Pierre in Flammen. Lohende Asche regnete nieder und steckte diein der Reede liegenden Schiffe in Brand. Wer nicht ins Wasser sprang und die meinen thaten es, fand einen qualvollen Tod in den Flammen. Der Aschenregen nahm schnell zu und wurde auf Meilen weit so dicht, daß eine vollständige Finsternis eintrat. Dabei erschallte beständig ein entsetzliches Getöse, in das sich furchtbare Donnerschläge mischten. Das Meer schien zu sieden und reißende Strömungen entstanden, die den Kapitän, der St. Thomas erreichen wollte, zwangen, seinen Kurs zu ändern und weiter ins offene Meer zu segeln. Asche nud glühende Lavastücke fielen auf's Deck und es schien, als ob das Ende der Welt gekommen sei. Erst weit draußen auf offener See wurde es wieder lichter und wo St. Martinique lag, sah man nur eine dichte, schwarze Wolke, durch die zeitweilig mächtige Feuergarben hindurchschossen. Den letzten Meldungen nach dauert die vulkanische Thätig- keit noch fort und hat die Heimsuchung der unglücklichen Inseln wohl noch nicht ihr Ende erreicht.
— Der Konsul der Vereinigten Staaten in Point-ü-Pitre (auf Guadeloupe) telegraphierte heute an Mr. Hay, den Staatssekretär, daß gestern morgen um 7 Uhr ein Strom von Dampf, Morast und Feuer St. Pierre einhüllte. Die ganze Bevölkerung kam um, und nicht mehr als 20 Personen retteten ihr Leben. 18 Schiffe verbrannten und sanken mit ihrer ganzen Mannschaft. Ein Schooner, der von Martinique in Dominica eintraf, meldet ebenfalls, daß über 40000 Men- sehen umgekommen sind.
WnterHatLsnöes.
Lady Diaiia's Geheimnis.
Roman von Floren ce Marriat. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„So viel ich bemerkt habe hat er eine Dame angeredet; unter den vielen Menschen ist er mir aber aus den Augen gekommen."
„Wenn es nur nicht eine seiner schlech- ten Bekanntschaften ist! Sie wissen gar nicht, Miß Paget, wie ich mich um ihn sorge! Er ist so jung u»d die Versuchungen der Welt sind so groß."
„Er ist doch aber älter wie Antony" bemerkte die Gesellschafterin.
„O, nennen Sie diesen Namen nicht in meiner Gegenwart", zürnte die Gräfin. „Antony's schlechtes Beispiel ist allein schuld an Philipp's Verwirrung; er hat ihn zum Spiel verführt und große Summen verlieren lassen. Erst gestern habe ich es erfahren, als Philipp sich eine neue Geldsendung aus England verschrieb."
„Das thut mir leid, zu hören und Sie müssen hier schleunigst Einhalt thun, denn der junge Lord ist leider et- was schwach und nachgiebig. Ich kann mir aber nicht denken, weshalb Antony ihn zum Spiel verleitet haben sollte."
„Wer denn sonst ? Sie sind täglich zusammen und mein armer Junge wird von ihm zu Grunde gerichtet werden. O, da ist Philipp!" unterbrach sie sich plötzlich. „Wahrhaftig, er spricht mit jener extravaganten Person! Da muß ich einfchreiteu. Komm, Lily!"
Sie eilte rasch vorwärts, während Miß Paget zurückblieb und sich ermüdet auf einer abseits stehenden einsamen Bank niederließ.
„Die Gräfin glaubt wirklich, ich Hütte kein Verständnis für ihre Sorgen", murmelte sie leise vor sich hin, den Kopf in die Hände stützend. „Was würde sie anfangen, wenn sie meinen Kummer zu tragen hätte? Sie kann nicht einen Tag ohne ihren Sohn sein, während mich eine ganze Lebenszeit von meinem Kinde trennt! O, ich weiß nicht, wie ich diese Qual länger aushalten soll! Wenn ich ihm alles sagte! Doch nein, — um meines toten Bruders, um der Familienehre willen muß ich schweigen und ansharren bis ans Ende."
So grübelnd bemerkte sie nicht, wie sich jemand ihr näherte und vor ihr stehen blieb. Erst als sie ihren Namen rufen hörte, erhob sie den Kopf und erblickte — Anrony Melstrom, der ihr die Hand zum Gruß entgegenstreckte.
„Miß Paget, haben Sie kein freundliches Wort für mich?" fragte er, als sie in der ersten Verwirrung des unerwarteten Wiedersehens stumm blieb. „Sind Sie auch gegen mich wie die Uebrigen?"
„O nein, nei«, Antony!' erwiderte sie hastig seine Hand ergreifend. „Glaube das nicht! Ich bleibe deine Freundin — so lange ich lebe."
„Aber wie kommt eS, daß Sie sich hier in Florenz befinden? Haben Sie Lady Culwarren verlassen?"
„Nein, ich bin mit ihr hierhergekommen. Und du hast deine» Bruder —ich meine den Grafen — gesehen?"
Antony schlug die Augen nieder. „Ja", versetzte er langsam, „ich habe ihn gesehene aber ich wußte sticht daß Sie und sein, Mutter mit ihm sind. Die Ursache seines hiesigen Aufenthalts ließ mich jede Frage vermeiden."
„Ich verstehe dich nicht, Tony! Was meinst du damit?"
(Forts, folgt.)