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ung gedruckten Bücher noch fünf Jahre beibehalten werden dürfen.
— Ein unangenehmes Nachspiel hat die Amerikafahrt für mehrere Deckoffiziere der Kaiseryacht „Hohenzollern" gehabt. Bei der Bewirtung der Mannschaft in New-Aork blieben sieben Fässer Bier übrig, die den Angehörigen der Besatzung zum Geschenk gemacht wurden. Deckoffiziere ließen die Fässer in der „Hohenzollern» verstauen. Bei der Ankunft im Kieler Hafen wollten sie das Bier an Verwandte in Süddeutschland schicken. Auf dem Güterbahnhos entdeckten Zoll- beamtedie Konterbande und beschlagnahmten sie. Die Absender haben rund 270 Mark an Zoll- und Geldstrafe zu ent- richten. Das Bier wurde versteigert.
Greiz, 19. April. Der regierende Fürst Heinrich XXII. ist heute nachmittag 5Vs Uhr gestorben. — Der Verstorbene rvar geboren am 28. März 1846. Er folgte seinem Vater am 8. November 1858, bis zur Volljährigkeit unter seiner Mutter Vormundschaft. Er vermählte sich in Bückeburg am 8. Oktober 1872 mit der 1891 verstorbenen Jda, Prinzessin zu Schaumburg-Lippe. Aus der Ehe sindIO Kinder hervorgegangen: Erbprinz Heinrich XXIV., geboren in Greiz am 20. März 1878, und 5 Töchter. Er war preußischer General der Infanterie. Der jetzt 24 Jahre alte Sohn und Thronerbe verlor angeblich infolge einer Augeuope- ration Gehör und Sprache, so daß er nicht regierungsfährg ist. Beide Fürstentümer Reuß werden nun in der Hand der jüngeren Linie und zwar des Fürsten Heinrich XIV vereinigt, der schon im 70. Lebensjahr steht. Da er jedoch nach dem 1886 erfolgten Tod seiner Gemahlin in morganatischer Ehe mit der früheren Schauspielerin Friederike von Saalburg lebt, führt sein Sohn Erbprinz Heinrich XXVII. die Regentschaft. Dieser wird als Regimentskamerad, Corpsbruder und Gevattermann des Kaiser Wilhelm II. den alten Reußenhaß begraben und mit Preußen bessere Beziehungen anknüpfen als sein Vorgänger.
LoAaLes.
Wildbad, 20. April. Schon im vorigen Sommer wurde das zum Hotel Post gehörige Areal links der Enz in den Kgl. Anlagen von der Kgl. Badverwaltung erworben und ist jetzt in einen prächtigen Garten umgewandelt worden, aus dem sich eine stattliche Glashalle aus hoher Terrasse erhebt, die in den ersten Frühlings» und den Herbstmonaten den Fremden an rauhen Tagen einen angenehmen Aufenthalt bieten soll. Auf dem weichen Sandboden geht es sich vorzüglich; die Mitte schmückt eine Fontäne, die ihren zarten Strahl über eine liebliche Pflanzengruppe ergießt, und ein hübsches Vogelhaus mit allerlei exotischen Vögeln schließt gegen Norden hin die Halle ab. Die Hauptfront sieht nach Südost und wird vom ersten Strahl der Morgensonne getroffen. Der Ausblick auf den Hochwald des „Meistern" und die Anlagen unten an der rauschenden Enz ist wundervoll und wird die Halle bald zum Lieblingsaufenthalt des Kurpublikums machen. Der Zutritt soll übrigens nur solchen Kurgästen gestattet sein, die die volle Kurtaxe bezahlen.
UnlerHaLtenöes.
Lady Dialm's Geheimnis.
Roman von Florence Marriat. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Du hast gar kein Recht dazu", wi- dersprach Philipp ärgerlich. „Lily hat vollkommene Freiheit in der Wahl eines Gatten und Mama würde sehr ungehal- ten sein, wenn du ohne ihre Erlaubnis mit dem Mädchen darüber sprechen wolltest."
„Pah, ich bin jetzt mein eigener Herr und selbst meine Mutter darf nicht zwischen mich und meine Liebe treten. Wer ist es denn, dem sie die Hand unserer Cousine versprochen hat?"
„Hast du etwa die Absicht, ihn nach dem Mnster eines rachsüchtigen Italieners niederzustechen?" war die höhnische Gegenfrage.
„Beim Himmel, ich weiß nicht, was ich thäte, wenn ich ihm begegnete; Wie heißt er?"
„Unter diesen Umständen ist es besser, dir seinen Namen zu verschweigen." — Etwas in dem Ton seiner Stimme ließ Antony die Wahrheit erraten. Er trat dicht vor seinen Bruder hin. „Philipp, wer ist dieser Mann? Ich will es wissen."
„Meinetwegen; Ich denke du wirst ihn nicht umbringen, weil das Mädchen ihn dir vorzieht und es ist schließlich einerlei, ob du es heute oder morgen erfährst. Der Unwürdige, den Miß Lilian Osprey mit ihrer Hand beehren will — bin ich selber!"
Der Ausdruck, der bei dieser Enthüllung in Antony's Augen trat, machte den Grafen einen Schritt zurückweichen. Sein Bruder sah die Bewegung. „Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten, Philipp", sagte er mit erzwungener Ruhe, ich thue dir nichts zu Leide. Aber das sage ich dir", fuhr er mit entschlossener Miene fort, „von Lily's eigenen Lippen will ich die Wahrheit hören und wenn >ich merke, daß du mich betrogen hast s oder Mama einen Zwang auf sie ausgeübt hat, so werde ich sie mir holen und müßte ich sie aus deinen Armen reißen."
„Das darfst du nicht! Lily ist meine Braut."
„Seit wann?
„Seit heute Morgen,,.
„Seitdem dn um meine Rückkehr wußtest. O, ich durchschaue deine List, Philipp! Voll Liebe bin ich dir entgegengekommen, jetzt hast du mich zu deinem Feind gemacht, Feigling! Zwischen mich und mein Lebensglück zu treten, kaum daß ich den Rücken wandte! Hättest du sie ehrlich gewonnen, so könnte ich dir verzeihen, aber das ist eine verräterische That, die Sühnung verlangt. Dein Leben oder das meine!"
„Wo willst du hin?" rief Philipp ihm nach als er hastig der Thüre zuschritt.
„Ich gehe zu Lily, um eine Erklärung von ihr zu fordern."
„Wie kannst du so gewaltthätig Vorgehen ? Sie ist sicher in Gesellschaft der Mama und unserer Freunde. Du wirst einsehen, daß das nicht der Ort für dergleichen Auseinandersetzungen ist."
„Das ist mir einerlei! Glaubst du, ich könnte ruhig Zusehen, wie du mich meiner besten Hoffnungen beraubst, könnte den Verlust meines Lebensglückes so gelassen ertragen, als verlöre ich ein paar Hundert Pfund Sterling?"
„Du kannst doch aber Lily jetzt nicht sprechen!"
„Wer will mich daran hindern?" brauste Antony heftig auf. „Nicht du, nicht Mama und nicht die ganze Welt I Ich will sie sehen und sprechen! Bis dahin betrachte ich dich als >>inen Dieb, der mir in meiner Abwesenheit meinen Schatz gestohlen hat."
Und ehe Philipp noch ein Wort erwi- dern konnte, war er verschwunden.
8. Kapitel.
Der Verstoßene.
Als Lily die beiden Brüder verließ, befand sie sich in sehr gedrückter Stimmung. Sie war von Natur nicht feige, aber sie war jung und schüchtern nnd hatte noch keine Gelegenheit gehabt, selbstständig zu handeln, da sie sich stets allen Wünschen ihrer Tante gefügt. Abneigung empfand sie nicht gegen Philipp, — im Gegenteil, sie hatte ihn gern — aber vor einer Heirat mit ihm schreckte sie zurück und seit sie Antony wiedergesehen, wußte sie klar, daß sie das halbe Zugeständnis, das man ihr abgezwungen, niemals würde halten können. In ihrer Herzensangst suchte sie Miß Paget auf, obgleich dieselbe ihrem Liebeskummer wenig Verständnis entgegenbrachte, aber sie konnte sie nicht finden, denn die Gesellschafterin hatte sich wegen Migräne auf ihr Zimmer zurück- gezogen. Die Gräfin besprach sich noch mit ihrem Anwalt und die übrigen Gäste des Hauses waren spazieren gegangen. Um einer Begegnung mit Antony auszuweichen, schlüpfte Lily auf ihr Lieblingsplätzchen im Park, wo sich hinter dichtem Gebüsch versteckt, eine Moosbank befand. Hier setzte sie sich nieder und überließ sich ihren traurigen Gedanken. Was würde Antony von ihr denken? Mußte er sie nicht für ein falsches, erbärmliches Geschöpf halten? Gab es denn gar kein Mittel, sich von den Fesseln zu befreien, die der harte Wille ihrer Tante ihr angelegt? So sinnend und grübelnd bemerkte sie nicht, wie sich die Büsche teilten und jemand auf sie zutrat. Als sie endlich aufschaute, stand Antony vor ihr. Er hatte sie überall gesucht und war instinktiv an diesen Ort geeilt, wo sie sich in früheren Tagen so oft getroffen hatten. Als er sie so vor sich sah in ihrer niedergeschlagenen Haltung, mit thränenerfüllten Augen, vergaß er plötzlich, was er sie hatte fragen wollen; er dachte nur noch daran, daß er endlich mit ihr allein war und daß sie schöner, lieblicher aussah,
' denn je.
„Lily, mein süßes Lieb!" rief er stürmisch, „wie habe ich mich nach diesem Augenblick gesehnt!"
Er schloß sie in seine Arme und küßte sie leidenschaftlich und sie war zu erschreckt und beglückt zugleich, um es ihm zu wehren.
„Tony!" murmelte sie, „mein lieber Tony!"
„Bist du denn froh mich zu sehen?"
„Und wie!"
„Aber warum hast du dann geweint? Doch nicht meinetwegen?" (Forts, folgt.)