140 —
nen letzten Stadien, die durch hochgradige Herzschwäche, völliges Darniederliegen der Verdauung und Entartung der Leber charakterisiert sind. Mit diesem chronischen Alkoholismus und besonders mit der Trinkerleber Hai es in Südafrika eine ganz andere Bewandtnis, als bei uns in Europa. Infolge des viel lebhafteren Stoffwechsels kommt der von den südafrikanischen Gewohnheitstrinkern deren Zahl zumal in englischen Kreisen Legion ist, verbrauckte Alkohol nicht mit der Schnelligkeit und in dem Maße zu schädlicher Einwirkung ans die Organe, als hierzulande. Ich habe Dutzende von derartigen Trinkern in Behandlung gehabt, die so ungeheure Mengen Whisky oder Brandy (von letzteren oft den gemeinsten Fusel) vertilgten, daß man ihnen unter nichttropischen Verhältnissen höchstens zwei bis drei Jahre Lebensdauer nach dem ersten Auftreten der Organen- artungs-Symptone gegeben haben würde. Diese Leute treiben aber aus dem angeführten Grunde ihr Laster Jahrzehnte ohne daß — abgesehen von ihrem moralischen Verfall und ihrer Unfähigkeit, in Haus und Beruf Ordnung zu halten — andere als Verdauungsstörungen sie nötigten, ärztliche Hilfe zu suchen. Dann aber tritt plötzlich ein Collaps ein so schwer, wie er selten in Europa mit so fulminanten, so akut verlausenden allgemeinen Vergiftungs- und Lebersymptomen vorkommt, daß der mit diesen Erfahrungen nicht praktisch vertraute europäische Arzt zweifellos bei einem solchen Patien- ten die Diagnose auf tödlich verlaufende akute gelbe Leberatrophie stellen würde. In der Thal handelt es sich um eine unter den peinlichsten Erscheinungen binnen drei bis vier Jahren unweigerlich zum Tode führende Leberschrumpfung von solcher verblüffenden Schnelligkeit der Entwickelung, daß man in Wahrheit im Laufe eines Tages die bisher geschwollene Leber auf das denkbar kleinste Volumen zusammenschrumpfen fühlt. In diesem Stadium befindet sich Cecil Rho- des noch nicht, steht aber aller Wahr- scheinlichkeit nahe davor. Die nicht zum erstenmale, sondern in den letzten Jahren wiederholt aufgetretenen Anfälle hochgra- diger Herzschwäche (Heczinsufficienz) hät- ten ihm und seinem Arzt eine ernste Warnung sein sollen. Aber Dr. Jameson der nicht nur in politischen Räuberrnge- legenheiten, sondern auch als Arzt der Berater seines Herrn und Meisters ist — trinkt selbst! Es ist schon eine saubere Sorte von Kultur-Aposteln, die diesen schändlichen Krieg anzettelte und Südafrika die „Segnungen britischer Zivilisation" bringen zu müssen sich anmaßte! Es verlohnte sich wirklich, einmal die Geschichte des „Kimberley Klub" und das ganze unter der Maske „feiner" äußerer Formen dort vor sich gehende wüste Treiben des Ausführlichen zu schildern um der Welt die Rhodes, Jame- son und ihre Helfershelfer in ihrer ganzen nackten Unmoralität zu zeigen. Cecil Rhodes kannten zu meiner Zeit (Mitte der 90er Jahre) noch eine Menge alter Kim- berleyeinwohner aus den siebzieger und achtziger Jahren als den in schäbiger Kleidung, in langem, braunen Ueberzieher mit der Whiskybottle in der inneren Seitentasche durch die Straßen trottenden
Abenteurer. Als er dann Premierminister der Kapkolonie wurde, verfeinerte er sich wenigstens in seinem Aeußeren etwas, und das war ja auch nötig, um die innere Verderbnis, des Whiskysklaven zu verdecken!"
— Der Afrikareisende Eugen Wolf schreibt der „Allg. Ztg.": „Bis auf den heutigen Tag haben die Engländer es verschwiegen, daß Botha sich auch am 15. Januar geschlagen hat. Die Verluste der Buren an diesem Tage betrugen 3 Tode und 6 Verwundete, die der Engländer 46 Tote und 92 Verwundete. Niemand hat bis heute von dieser Schlacht etwas gehört und doch ist meine Nachricht absolut authentisch, unanfechtbar u. direkt vom Kriegsschauplätze.
New york, 16. März. Den Lond. „Evening News" wird von hier gemeldet, daß der Küchenchef Rupert Fritz, der bei dem Stapellauf der Jacht des Kaisers Wilhelm das Essen lieferte, durch die Raritätenjäger ruiniert worden ist. Er lieh sich große Mengen Silberzeug für die 2000 Gäste, und viele von diesen nahmen Messer, Gabeln, Löffel, Salzfässer und andere Gegenstände als Andenken mit. Fritz kann das fehlende Silberzeug nicht ersetzen, er meldete seinen Konkurs an und trat von seiner Stellung als Oekonom des Liederkranzklubs zurück.
— Dem „Daily Expreß" wird aus Newyork gemeldet: Die Schrecken des Krieges auf den Philippinen sind dem Publikum deutlich klar gemacht worden. 18 Soldaten, die tobsüchtig geworden sind, wurden in Zwangsjacken, mit Bein- und Handfesseln versehen, nach dem Lazareth für geisteskranke Soldaten in Washington durch Omaha befördert. Die Leute waren einzeln in verschiedenen Teilen des Zuges untergebracht. Jeder von ihnen wurde durch bewaffnete Wächter bewacht. Ihr Wahnsinn ist die Folge der Erschütterung der Nerven durch die furchtbare Einsamkeit der Dschungel in den Philippinen. Die Krankheit nimmt eine besondere Form an. Jeder der Kranken bildet sich ein, irgend ein Tier zu sein.
HLnterhatterröes.
Lady Nana's Geheimnis.
Roman von Floren ce Marriat. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
5. Kapitel.
Eine unangenehme Entdeckung.
Keine Königin konnte mit mehr Würde und Ceremoniell vor ihrem Hofstaat erscheinen, als Lady Culwarren, wenn sie uni die Mittagsstunde ihren Einzug in den Salon hielt. Alle Gäste des Schlusses, — und es waren deren immer anwesend, — wußten, wie streng die Gräfin auf Etiquette sah; sobald sie daher sichtbar wurde, warfen die Herren Cigarre und Zeitung fort und die Damen legten ihre Handarbeit bei Seite, um die Damen des Hanfes mit dem süßesten Lächeln zu begrüßen. Auch heute schauten die bereits Versammelten respektvoll auf, als die Lady eintrat. Sie war in großer Toilette: ein blaues Seidenkleid, reich mit Spitzen garniert, umfloß ihre imponierende Gestalt, an den Händen blitzten kostbare Ringe und auf den blonden Locken ruhte graziös eine Schärpe von echtem ?oint 1s.es.
Ein allgemeiner Ansruf der Bewunderung empfing die schöne Wirtin. „Wie reizend Sie aussehen, Lady Culwarren!" rief ein ältliches Fräulein mit schmachtender Stimme. „Man könnte glauben. Sie seien soeben einem Rosenlager entstiegen!"
„Und an dieser Toilette haben sicher die Grazien nntgewirkt!" murmelte ein jungpr angehender Poet, der Dame die Hand küssend.
Befriedigt von dieser Anerkennung ihrer Reize ließ sich Lady Culwarren auf dem Sopha nieder, rief Lily an ihre Seite, strich dem Mädchen liebkosend über das volle Haar und fragte mit bedeutsamen Lächeln: „Nun, Lily, wo ist denn unser teurer Philipp?"
„Ich weiß nicht!" stammelte Lily verwirrt.
„Oder willst es nicht wissen, eh? Meine liebe Mrs. Hutterley," wandte sie sich an die betreffende Dame, „wenn ich nicht irre, so haben Sie eine erwachsene Tochter. Sagen Sie mir, bitte, ist dieselbe in Liebesangelegenheiten ebenso schüchtern, wie diese kleine Puppe hier?,.
Ans diesen Worten glaubten die Anwesenden eine versteckte Anspielung auf ein entstehendes oder bereits geschlossenes Verlöbnis zwischen Lord Culwarren und seiner hübschen Cousine herauszuhören. Da die Ankündigung aber in so unbe. stimmter Form gegeben war, so wußte niemand, ob es angebracht sei, die diesbezüglichen Glückwünsche auszusprechen. Zum Glück machte Miß Paget dieser Situation ein Ende, indem sie die frühere Frage der Lady nach ihrem Sohne beantwortete.
„So viel ich weiß," sagte sie, „befinde sich der Graf mit Mr. Ashfold auf der Terrasse. Der letztere kam vor einer Stunde und wünscht Sie in besonderer Angelegenheit zu sprechen."
Gräfin Culwarren zog die Augenbrauen zusammen, als wäre ihr diese Mitteilung unangenehm.
„Mr. Ashfold?,, ries sie verstimmt. „Was will er von mir? Ich nenne ihn nur den Unglücksraben, denn er bringt nie etwas Gutes. Es ist mir gar nicht lieb, daß er gekommen ist. Gardenholm scheint überhaupt heute von Eindringlichen bedroht zu sein, — auch mein liebenswürdiger Herr Sohn Antony wird in den nächsten Stunden mit seinem Freunde, einem Herrn Fosbrooke hier eintreffen."
Das jähe Zusammenzucken und Erröten Lilys bei dieser Ankündigung entging den scharfen Augen der Gräsiu nicht, sie wandte sich tadelnd zu dem jungen Mädchen und sagte in scharf verweisendem Ton: „Lily, du solltest dich nicht bei jeder Gelegenheit wie ein Schulmädchen geberden. Das schickt sich weder für eine Dame, noch für die Stellung, die du einnehmen wirst. Du mußt dich gewöhnen, alles, die beste wie die schlechteste Nachricht, mit gleicher Ruhe anzuhören. Vergieß dies künftig nicht!"
Die arme Lily wurde erst recht verlegen und schaute hilfeflehend zu Miß Paget hinüber, die den Blick auffing und schnell die Frage einwarf: „Also Herr Melstrom ist wieder in England?"
„Ja, leider! Denn ich erwarte mir nicht viel Vergnügen von seiner Rückkehr.