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gegen unser Fürstenhau? in unserem Volke eingewurzelt ist. Die Feier des Tages verlief hier in der seit Jahren üblichen würdigen Weise. Morgens Böllerschüsse und Tagwache, später Festgottesdienst und um 1 Uhr treffliches Festmahl im Hotel Post", bei dem sich bald eine angeregte Unterhaltung entwickelte, die bis zum Schlüße anhielt. Den Toast auf Se. Majestät brachte in warmer Begeisterung Herr Stadtschultheiß Bätzner aus. Er pries unfern König vor allem als acht deutschen Fürsten, der unentwegt zu Kai- ser und Reich steht und in seinem Teil die Reichsinteressen kräftig zu fördern trachtet. Dann schilderte er sein landes­väterliches Wirken. Unter der gesegneten Regierung unseres Königs gehe e? auf allen Gebieten des staatlichen Lebens in fester und besonnener Weise vorwärts, wobei besonders die Fortschritte in der Rechtspflege und im Verkehrswesen her­vorgehoben wurden. Für Wildbad aber beweise Se. Majestät fortgesetzt das lebhafteste Interesse und unermüdliche Fürsorge, wovon die Veränderungen und Verbesserungen, die jedes Jahr im Bade und in den Anlagen bringe, ein schlagender Beweis seien. Der Redner schloß mit innigen Wünschen für Leben und Regierung des Königs und in das Hoch stimmte die ansehnliche Festver- sammlung mit Begeisterung ein. Die von der Musik angestimmte Königshymne wurde wie üblich flehend angehört. In dem bald sich anschließenden Trinkspruch auf Ihre Maj. unsere in Ehrfurcht ge- liebte Königin führte Herr Stadtpfarrer Auch aus, wie unsere Königin bei dem schweren Leide, das sie in letzter Zeit ge­troffen und das ihr die Festfreude trübe einigen Trost finden möge in der von Her- zen kommenden Verehrung unseres Volks. Den vielen edlen Fürstinnen, die Wärt- temberg sein eigen genannt reihe sie sich ebenbürtig an durch edle Geistes, und Charaktereigenschaften, durch die Föcder- ung alles Edlen und Schönen und be- sonders durch ihre reiche Thätigkeit auf dem Gebiete der Nächstenliebe. Das Hoch auf unsere Königin fand ebenfalls be­geisterten Widerhall. Mit Interesse wur- den sodann noch Mitteilungen des an­wesenden Herrn Oberstleutnants a. D. Freiherrn v. Moltke über die verewigte Mutter unsrer Königin ausgenommen. Um ihrer ausgedehnten Mildthätigkeit und ihres edlen patriotischen Sinnes willen, sei ihr von allen Seiten und aus allen Kreisen in und um Nachod die tiefste Verehrung entgcgengebracht worden. Gegen 5 Uhr fand das Festmahl sein Ende. Abends schloß sich noch das übliche Bankett an. So darf die Feier des TagS, a» dem die Stadt wieder reichen Flaggenschmuck angelegt hatte, als eine wohlgelungene bezeichnet werden.

(Biblisches Lesebuch.) Von tüchtigen Theologen und Pädagogen ist ein Bibl. Lesebuch ansgearbeitet worden, das nach Anordnung der Oberschulbehörde unter Zustimmung der letzten Landessy- node in den evang. Schulen unseres Landes zur Einführung kommen soll. Es enthält in der Hauptsache die Abschnitte aus der Bibel, die im Religionsunterricht in den Oberklassen gelesen und näher er­klärt werden und soll so demselben Zwecke für die Oberklassen dienen, wie die Cal-

wer Bibl. Geschichten, die ja auch ein Auszug aus der Bibel sind, für die Un- terklassen. Denn, daß die ganze Bibel schon aus Mangel an Zeit, abgesehen von andern Gründen, nicht gelesen werden kann, leuchtet ein. Das bibl. Lesebuch ist also für den Gebrauch in den Schulen bestimmt und soll natürlich nicht die Bibel aus den Häusern verdrängen. Wird diese doch jedem Brautpaar am Hochzeitstage in die Hand gegeben. Für die Schule aber wird da» Biblische Lesebuch un- streitig seine Vorzüge haben. Der ge- ringste ist, daß es handlicher ist als die ganze Bibel, obwohl auch das für die Schüler nicht ohne Wert ist- Mehr fällt ins Gewicht, daß nun alle Schüler bis aufs Wort hinaus denselben Text haben während gar manche Verschiedenheiten zwischen den älteren und neueren Bibeln beim Unterricht des Lehrers störend wirken. Ferner zeichnet sich das Bibl. Lesebuch durch großen, klaren Druck aus, der dem Auge nicht schadet, was wenig. stenS von den älteren Bibeln nicht immer gesagt werden kann. Auch ist der Preis (1 Mk. 50 Pfg.) niederer als der der ganzen Bibel (2 Mk.) Die ganze AuS- stattung durch unsere Württemb. Bibel- anstalt verdient alles Lob. So dürfte die Einführung des Buches vom Standpunkt der Schule aus als ein Fortschritt be­zeichnet werden. Immerhin erwächst den Eltern der Schüler damit eine neue Aus­gabe. Aber wir dürfen wohl annehmen, daß bei der Einführung des Buches jede thunliche Rücksicht genommen werde und daß der Schulsonds bei solchen, denen die Anschaffung thatsächlich schwer fällt, erleichternd eingreife.

Wnte L Hattsnöes.

Lady Diaua's Geheimnis.

Roman von Florenco Marriat.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Ja, gewiß, ein Engländer,,, erwiderte Herr Legros.Und noch dazu ein vor- nehmer, den er kennt Fürsten und Gra- fen und-"

Schon gut!" unterbrach ihn der junge Mann ungeduldig.Zeigen Sie mir ge­fälligst sein Zimmer."

Wollen Sie es wirklich wagen?" gab der Wirt ängstlich zurück.Es ist entschieden gefährlich! Henri sah ihn vorhin durch eine Ritze, wie er mit star­rem, unheimlichen Gesicht am Tisch saß und eine Pistole vor sich liegen hatte. Als ich mir dann erlaubte, an seine Thür zu klopfen, stieß er einen Fluch aus, wobei er schwur, jeden niederzuschießen, der es wagen würde bei ihm einzudringen. Sie sehen selbst, es ist riskiert."

»Ich sehe nur, daß keine Minute zu verlieren ist", entgegnete der Engländer kaltblütig.Wenn Sie nicht mit mir gehen wollen, so sagen Sie mir die Nummer, ich finde mich auch allein hin,"

Bestehen Sie im Ernst darauf?" fragte Lcgros noch immer zögernd.Nun, dann mag Henri Ihnen das Zimmer zeigen. Aber seien Sie vorsichtig, mein Herr! Ich bitte Sie darum. Der arme Mann scheint wirklich nicht bei Verstand zu sein."

Ohne weiter auf die Einwendungen des Wirtes zu achten, eilte der junge Mann hinaus und Henri folgte ihm mit ängstlicher Miene, auf ihn wenigstens hatten die Worte des Prinzipals Eindruck gemacht.

Die zurückgebliebenen Herren ergingen sich unterdessen in scharfer Kritik über das Benehmen des Engländers.

«Ein arroganter, hochnäsiger Bursche "

Dem es wahrhaftig nichts schaden würde, wenn er sich den Kopf einstieße !"

"Wer ist er eigentlich? Wo kommt er her? Er sollte lieber warten, bis ihm der Bart gewachsen, ehe er klügeren Leu» ten Moralpredigten hält."

Sprechen Sie, bitte, leiser, meine Herren!" rief der Wirt in warnende» Ton dazwischen.Wenn einer seiner Freunde cs hörte! Ec ist ein Lord, der Sohn des Herzogs von Warren. Es wäre nicht gnt, ihn zu beleidigen und es würde meinem Hause sehr schaden."

Man zuckte geringschätzig die Achseln und kehrte zu der unterbrochenen Be­schäftigung zurück, während der junge Engländer, von dem warmherzigen Drang getrieben, das Leben eines Nebenmen­schen zu retten, heftig den Korridor ent- lang schritt.

Das ist es, Nr. 29!" sagte der Oberkellner, in respektvoller Entfernung von der betreffenden Thüre stehen bleibend.

Ohne Zögern klopfte sein Begleiter an. Es erfolgte keine Aufforderung ein­zutreten, wohl aber die in mürrischem Tone gestellte Frage, wer da sei.

Ein Freund und ein Landsmann, der Ihnen »ine gute Nachricht bringt," war die rasche Antwort.Bitte, lassen Sie mich ein!"

Ich kenne Sie nicht und trage kein Verlangen nach irgend welcher Mitteilung!" schallte es zurück.Ich wünsche nur all­ein zu bleiben."

Bitte, öffnen Sie doch die Thüre!" drängte der Außenstehende von Neuem. Ich habe eine wichtige Botschaft für Sie. Lassen Sie mich nur auf fünf Minuten hinein!"

Der Bewohner des Zimmers schien einen Augenblick zu überlegen, dann rief er in unwirschem Ton:Nun meinet- wegen fünf Minuten, obgleich ich nicht begreife, was Sie mir zu sagen haben."

Der Oberkellner, der sich bescheiden im Hintergrund gehalten, drückte sich ängst- lich an die Wand, als er den Schlüssel im Schlosse drehen hörte. Voll Erstau­nen sah er den jungen Mann durch die geöffnete Thür eintreten; er lauschte aber noch einige Minuten, als aber alles still blieb und auch der so bestimmt erwartete Pistolenschuß nicht erfolgte, schlich er ins Rauchzimmer zurück, um den dort Ver­sammelten das merkwürdige Resultat mit­zuteilen.

Wie Henri richtig gesehen, hatte der angebliche Selbstmord-Candidat den jnn- gen Engländer eingelassen, ihn mit den Worten begrüßend:Zum T....l, was führt Sie her? Wissen Sie wohl, daß dies eigentlich Hausfriedensbruch ist mir Ihre Gesellschaft in dieser Weise aufzu­drängen ?"

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