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deutige Haltung Englands. Bis jetzt habe sich England als einziger Freund der Unionstaaten hingestellt. Nunmehr aber sei Deutschland als Rivale ausgetreten. Der Empfang des Prinzen Hein- rich in Amerika soll eine Mißbilligung gegenüber der Haltung Englands und gleichzeitig der Ausdruck der berechtigten Freundschaft gegenüber Deutschland sein.
Washington, 17. Febr. Der Senat hat den Vertrag, wodurch Dänisch-West- indien an die Vereinigten Staaten abge- treten wird, unverändert angenommen
HlnterHcrktenöes.
Lady Mana^s Geheimnis.
Roman von Florence Marriat.
1. Kapitel.
In Monaco.
(Nachdruck verboten.)
Im Rauchzimmer eines der ersten Hotels von Monaco saßen in später Stunde noch eine Anzahl Herren verschiedener Nationalität zusammen. Die meisten von ihnen hatten mit mehr oder weniger Erfolg ihr Glück am grünen Tisch versucht, berechneten jetzt ihren Gewinn und Verlust und diskutirten eifrig über die Chan- cen des Spiels. Nur ein junger Mann, anscheinend Fin Sohn Albions, beteiligte sich nicht an dem Gespräch; in der Fensternische lehnend, raucht er schweigend seine Cigarre und begnügte sich, der Unterhaltung zuzuhören.
Das Erscheinen des Oberkellners, der mit sichtlich bestürzter Miene eintrat, unterbrach die Reden der Herren. „Was giebt's, Henri?" rief man ihm zu. Der Mann sprudelte hastig einige Sätze hervor, deren Inhalt, obwohl verworren vorgebracht, dennoch sofort die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden erregte.
„Konnten Sie denn nichts ausrichten, Henri?" fragte einer der Gesellschaft. „Und was sagt der Wrrt, Herr Legros, dazu?"
„O, der ist ganz außer sich", erwiderte der Oberkellner, „denn er glaubt, daß sich der arme Herr ein Leid anthun wird. Und das in unserem Hotel! Es ist schrecklich. So etwas ist bei uns noch nie vorgekommen!"
„Wundern würde es mich nicht!" warf ein Holländer ein. „Er hat die letzten Tage wie toll gespielt, — wir haben es ja alle gesehen. Wenn er nun vorzieht, diese Welt mit einer besseren zu vertauschen, so lassen Sie ihm doch das Vergnügen."
„Aber der Skandal! Bedenken Sie doch!" jammerte Henri verzweifelt.
„Pah, was liegt daran! Der Mann hat sein Geld mit vollen Händen ausgestreut und Ihr Wirt ist dabei nicht zu kurz gekommen. Lassen Sie den armen Burschen doch in Ruhe!"
„Hat denn Herr LegroS mit ihm unterhandelt oder versucht, die Thüre gewaltsam zu öffnen? fragte ein An- derer.
In diesem Augenblick erschien der Wirt selbst, ein kleiner, dicker Mann mit kahlem Kopf, dem der Angstschweiß auf der Stirne stand. Er hatte die letzten Worte gehört, denn er wiederholte in erregtem Tone: „Versucht die Thüre zu öffnen? Meine Herren, ich schwöre Ih
nen, daß ich alles gethan habe, was ich konnte. Als der Herr vom Spieltisch zurückkehrte, fiel mir gleich sein starrer Blick auf. O, ich kenne diese Art. Mit aller Höflichkeit redete ich ihn an; er würdigte mich aber keiner Antwort und schloß sich sofort in sein Zimmer ein, wo er über eine Stunde hin und herlief. Jetzt ist es still geworden und deshalb befürchte ich das Schlimmste."
Die ihm zunächst Sitzenden brachen in lautes Gelächter aus. „Ist das alles?" rief einer. „Gehen Sie doch, Legros! Sie haben ein wenig zu tief ins Glas geschaut! Wozu dieser Lärm? Der Mann kommt müde und abgespannt zurück und weil er statt nach Ihrer Unterhaltung mehr Bedürfnis nach Ruhe hat, schließen Sie daraus, daß er einen Selbstmord plant. Lächerlich!"
„Nein, nein, meine sHerren!" widersprach der Wirt. „Die Sache ist wirklich nicht zum Spassen. Glauben Sie mir, ich kenne die Anzeichen solcher Katastrophen besser wie Sie. Der Herr ist nicht allein verzweifelt, sondern vollkommen gleichgültig gegen sein Leben und alles andere. Das konnte man auf seinem Gesicht lesen. Und er wird sich töten, versichere ich Ihnen wenn er nicht daran verhindert wird."
„So sprengen Sie doch die Thüre und übergeben Sie ihn der Polizei!" riet man ihm.
Das Gesicht des Wirtes verlor bei diesen Worten alle Farbe. „Die Thüre sprengen!" stammelte er. „Sie bedenken nicht, was Sie sagen, meine Herren! Wenn er nun die tätliche Waffe gegen mich richtete?"
„Er hat Recht!" stimmte ihm ein Franzose bei. „Ich hatte einst einen Freund, — einen braven, ehrlichen Menschen! der versuchte es auch, zwei Streitende zu trennen. Sie wandten sich beide gegen ihn und stachen ihn nieder. Es ist immer gefährlich, sich in anderee Leute Angelegenheit zu mischen."
Der junge Engländer, der bisher kein Wort gesprochen, warf plötzlich seine Cigarre fort und trat in den Kreis.
„Wollen sie wirklich zugeben, meine Herren daß dieser Mann stirbt, ohne den Versuch zu machen ihn zu retten ?" fragte er, halb erstaunt, halb ärgerlich. „In aller Ruhe sitzen Sie hier und sprechen über seine mutmaßlichen Absichten, während er vielleicht schon im Begriff steht, Hand an sich zu legen! Es ist unsere Pflicht, daß wir ihn daran zu verhindern suchen."
Er sprach fließend französich, aber obgleich sämtliche Anwesenden ihn verstanden, rührte sich doch keiner von ihnen.
„Die Sache geht uns nichts an!" meinten einige. „Es ist besser, das dem Wirt zu überlassen."
„Wie?" rief der junge Engländer entrüstet. „Sind Sie so gleichgültig gegen das Leben eines Mitmenschen, oder," fügte er sarkastisch hinzu, „fürchten Sie auch, daß er die Waffen gegen Sie richten könnte?"
Er erhielt keine Antwort und so wandte er sich an den Wirt mit der Frage, ob der Fremde Engländer sei.
(Fortsetznng folgt.)
Vermischtes.
— Ueber die Geschichte des Zylinder Hutes weiß ein engl. Blatt Folgendes zu berichten: „Es war im Januar 1797, als der Zylinderhut am Strand zu London das Licht der Welt erblickte. Sein Verfertiger war der Hutmacher John Hetherington, der durch fortwährende Erfindungen auf dem Gebiete der Hutfabrikation sich zu damaliger Zeit einen berühmten Namen errungen hatte. Wie schlecht es ihm jedoch mit dem neuen Kind seiner Schöpferlaune, dem Zylinder. Hute erging mag aus einer Zeitungsnotiz vom 26. Januar 1797 zu ersehen sein, die wie folgt lautet: John Hetherington spazierte gestern auf dem Bürgersteige des Strands einher, auf seinem Kopfe einen schier ungeheuren, aus Seide hergestellten Schornstein, der einen seltsamen Glanz hatte. Die Wirkung auf die Straßenpassanten war eine entsetzliche. Es ist Thatsache, daß verschiedene Frauen beim Anblicke des komischen Gegenstandes Ohnmachtsanfälle bekammen, während die Kinder schrieen und ein junger Mann, der gerade von einem Seifensieder zurückkehrte, bei dem er einige Einkäufe gemacht hatte, im Gedränge niedergewocfen wurde und sich den Arm brach. Herr Hetherington hatte sich ans diesem Grunde gestern vor dem Lord Mayor zu verantworten und wurde ihm inmitten einer bewaffneten Polizeimacht vorgeführt. Der Verhaftete gab an, er glaube vollauf berechtigt zu sein, seinen lieben Londoner Geschäftsfreunden ein neues Modestück seines erfinderischen Geistes zur Schau zu präsentieren, welcher Ansicht sich der Lord Mayor indessen nicht anschloß, indem er den Hersteller des „glänzenden Schornsteins" zu einer Geldstrafe von 500 Lstrl. (10 000 Mk.) verurteilte."
(Ein „R ep t il mensch.") Der Norddeutschen Allg. Ztg. wird aus Paris geschrieben: Im Nouvean-Cirque ist gegen wärtig der „Reptilmensch" Juno Salmo der Mittelpunkt des Interesses. Denken Sie sich die Arena des Circns in eine wasserbedeckte Fläche verwandelt, aus der riesige Schwertlilien und Schilfrohr emporwachsen. Frösche, so groß wie Kühe, treiben dazwischen ihr phantastisches Spiel. Plötzlich rückt eine Gondel in Gestalt einer geschlossenen Lotosblume heran. Sie entfaltet ihre Blumenkrone, und ihr ent- schlüpft der „Reptilmensch". Er ist am ganzen Körper mit einem froschhautartigen Stoffe „behandschuht" und hat pal- menblättersörmige Finger. Mit schnellem Schwung schlingt er sich um ein Schilf, rohr, wirft sich dann zu einem zweiten und dritten hinüber, klettert hinauf und hinunter, bis er auf der winzigen Fläche einer Rohrspitze der Ruhe pflegt: auf dem Rücken liegend, die Arme über der Brust, die Beine hinter dem Rücken über dem Kopf gekreuzt, ein Knäuel menschlicher Gliedmaßen. Und nun eine Orgie wilder Verrenkungen und Biegungen, die in der Beleuchtung elektrischer Wurfstrahlen noch phantastischer werden. Das Reptil hat sich drei charakteristische Errungenschaften des Menschengeistes zu eigen gemacht: Cylinderhut, Zwicker und Regenschirm. Die beiden ersten begleiten es bei seinem Gliedertanze; den letzteren benutzt es jetzt, da es von oben und unten zu regnen anfängt; doch spannt es den