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wenn Sie von einer Gemeinde hören, die Bodeupreise gehen bedeutend zurück, dann herrscht dort Geldmangel, Ver­armung und Not. In einem Dorfe wurde auf die übliche Weise durch die Oris- schelle bekannt gemacht, daß ans dem Rathaus Aecker verkauft würden. Es kommen schließlich ganze zwei Bauern aufs Rathaus, und als der Ortsvorsteher sie fragte: wollt ihr etwas kaufen? da antworteten beide: fällt uns gar nicht ein, wer wird heutzutage noch Aecker kaufen; wir wollen nur sehen, wer so dumm ist und bietet! (Heiterkeit.) Die elementare Bewegung, welche unseren deutschen Bauernstand alsBund der Landwirte" durchzieht, ist lediglich her­ausgeboren aus der Not, nicht aus dem Uebermut, aus dem lebhaften Bewußt­sein: so wie es in den letzten zehn Jahren gegangen ist, so kann es nicht abermals zehn Jahre weiter gehen, sonst sind wir Bauern am Rand des Untergangs.) Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, in Württemberg haben wir die denkbar größte Parzellierung des Grundbesitzes; das wurde dem Land schon zum Vorwurf gemacht, man hat vonZwergwirtschaften" gesprochen. Ich kann versichern, daß diese weitgehende Verteilung des Grundes und Bodens auf die sozialen Verhältnisse allerdings in gewisser Hinsicht schwer einwirkt, indem wir nicht viele reiche, wohl aber viele arme Leute haben. Schon vor Jahr­hunderten hat unser Herzog Eberhard im Bart gesagt:Mein Land hat kleine Städte trägt nicht Berge silberschwer." Das gilt heute noch. Aber diese kleinen Grundbesitzer sind verhältnismäßig reiche Leute gewesen, solange sie noch etwas aus ihrem Grundbesitze Herauswirtschaften konnten. Wir haben daneben Zehntausende von Handwerksleuten, die mit einem Fuße auf ihrem Gewerbe stehen, mit dem anderen auf der Landwirtschaft. Ver­lieren sie heute in der Landwirtschaft den Grund und Boden, dann müssen sie morgen in die Fabriken gehen. So aber sind sie selbstständige Bürger und können selbstständig bleiben. Unsere Bierbrauer, unsere Gastwirte und ganze Kategorien der gewerblichen Bevölkerung, auch die Bäcker, von denen der Herr Abgeordnete Payer so liebevoll gesprochen hat, haben vielfach Grundbesitz und sind am Güter­preis, an der Rentabilität der Landwirt­schaft interessiert. Es hat mich außer­ordentlich gefreut, daß der Herr Abge­ordnete Payer für den Gewerbestand bei dieser Gelegenheit so große Liebe gezeigt hat. Er sinkt uns hoffentlich auch noch in die Arme, wenn wir Gewerbe­schutz treiben, z. B. bei der Bäckereiver­ordnung, den Konsumvereinen und Waren­häusern und derartigen Gelegenheiten.

Meine Herren, ich wiederhole, was soeben mein Freund und Kollege, der Herr Abgeordnete Hilpert, gesagt hat, es muß so oft gesagt werden, weil die Herren auf der Linken es nicht hören: der deutsche Bauer will in erster Linie Absatz für seine Produkte haben. Das ist der Unfug an den heutigen Zuständen, der uns schließlich in den Harnisch gebracht hat, daß für die einheimischen landwirtschaftlichen Produkte der Absatz fehlt. Wir Württemberger haben Mannheim in un­serer Nähe, und von dort aus werden

wir mit ausländischen Produkten förm­lich überschwemmt, mit fremdem Getreide, mit fremdem Mehl, welches direkt vom Wasserweg hier in Riesenmühlen herge­stellt und in das kleinste schwäbische Dorf geworfen wird. Unsere Bauern stehe« nach der Ernte da und müssen warten, ob sie vielleicht etwas verkaufen können, und unsere Müller sind gerade so ange­führt. Meine Herren, wenn unser Bauer seine Produkte nicht verkaufen kann, so hat er auch kein Geld. Dann mahnt ihn der Steuerzettel und schließlich die Rat­hausglocke, er soll Steuern bezahlen. Womit? Wenn die verbündeten Re­gierungen es genehmigen würden, daß unsere Bauern ihre Steuern auch mit Naturalien bezahlen dürften, dann wür­den sie sehen, wie viel einheimisches Ge­treide vorhanden ist, das nicht verkauft werden kann! (Sehr richtig ! rechts.) Was soll unser deutscher Bauer denken, wenn er mit aller Mühe Hopfen gebaut hat und ihn schließlich selbst zum niedrig­sten Preis nicht verkaufen kann? Sehen Sie doch in die Zeitungen hinein, meine Herren! Wenn schließlich der Hopfenpreis, wie gestern zu lesen war, im Norden auf 20 pro Zentner her­untergesunken ist bei uns auf 50, 60 u. 70 Mark, dann muß jeder, der Hopfen baut und weiß, wie viel Arbeit der Hopfen­bau macht, und wie hoch die Unkosten sind, förmlich irre werden, wenn er hört: die verbündeten Regierungen haben seiner­zeit einen Zollvertrag abgeschlossen, der den russischen Hopfen mit 14 Zoll nach Deutschland hereinläßt, während Rußland den deutschen Hopfen mit 70^. Zoll belastet. (Sehr richtig! bechts.) Meine Herren, das sind unerträgliche Zustände! Auf dem Gebiet der Industrie giebt es ähnliche Unbegreiflichkeiten. Ist vielleicht ein vernünftiger Sinn darin zu finden, wenn bei uns im Süden die Rohhäute für das Ausland aufgekauft werden, an- statt daß sie der deutsche Gerber bekommt? Sie werden nach Amerika exportiert, dort zu Leder und zu Schuhwaren verarbeitet und kommen dann dank unserer un­genügenden Lederzölle wieder 'nach Deutschland zurück! Fragen Sie unsere fleißigen Gerber auf dem Schwarzwald, was diese darüber denken, wenn sie hören: die deutschen Häute werden uns einheim- ischen Geschäftsleuten vor der Nase weg­gekauft, nach Amerika hinübergeführt, dort unter einem enorm hohen Schutzzoll verarbeitet und dann als Leder und Schuh­waren wieder bei uns eingeführt? Solche Schäden sind der deutschen Arbeit unter den vielgerühmten Caprivischen Handels­verträgen zugefügt worden. Meine Her­ren, was sollen unsere Weingärtner den­ken, wenn die Weintraubeneinfuhr nnd die Einfuhr fremder Weine immer mehr zunehmen, während sie, die ohnedies die fleißigsten und zähesten Arbeiter sein müssen, im Herbst die große Not haben, ihren Wein abzusetzen? Das sind Zustände, welche ernsteste Unzufriedenheit erregen. Von der Sozialdemokratie kann ich eins nicht verstehen, und das spreche ich offen aus. Sie beklagt immer in ihren Schriften die ich fleißig lese, wie auch Zeitungen - daß in unserer Zeit der Produzent und das Produktionsmittel von einander getrennt seien; das sei die ganze soziale Krankheit der Zeit. Meine Herren, der Bauer hat doch das Pro-

duktionsmittel, seinen Acker, und ist selbst Produzent. Warum wollen Sie ihn trotz­dem verderben und erst bankerott werden lassen, bis Sie ihn brauchen können? Probieren Sie doch, uns noch wehr solcher selbstständigen, verhältnismäßig unabhäng­igen Bürger zu schaffen, wie es der Bauer ist! Wenn der Bauer seine Steuern bezahlt hat, und unser Herrgott gut Wet­ter giebt, daun ist der Bauer frei wie ein Graf. (Sehr richtig! rechts,) Meine Herren, wie bedenklich ist die Abwendung vom Lande! Sie herrscht leider auch bei uns in Württemberg, und zwar in solchem Grade, daß wir mit großem Bedauern sagen müssen: manche stattliche Gemeinde hat im Laufe der letzten zehn Jahre 200 bis 300 Einwohner verloren! Wir haben eine große Zahl unter unseren 1911 Ge­meinden, die trotz der natürlichen Ver­mehrung bei ganz gesunden Bevölkerungs­verhältnissen in der Volkszahl zurückge­gangen sind. Auf der anderen Seite hören und lesen wir beständig, wie in den großen Städten über Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot geklagt wird. Das sind traurige Zustände, so darf im Reich nicht weiter regiert werden; denn wenn so fort gemacht wird dann bekommen wir allerdings schließlich die Revolution! (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ich schließe meineAusführungen. (Bravo! links.) Bitte, meine Herren, ich habe es ihnen ja vorher gesagt, daß ich kurz sprechen werde. Ich schließe damit, daß auch ich feierlich und festlich erkläre: es fällt uns Freunden der Landwirtschaft gar nicht ein, der Industrie gegenüber irgendwie hämisch zu sein oder sie gar schädigen zu wollen. Es ist der reine Mumpitz" um diesen norddeutschen Ausdruck zn benutzen, wie der Herr Abgeordnete Bebel gegen meinen Freund Nißler polemisiert hat. (Glocke des Prä­sidenten.) Präsident: Herr Abgeordneter, Sie dürfen die Rede eines anderen Ab- geordneten nichtMumpitz", nennen (Hei­terkeit), das verstößt gegen die Ordnung des Hauses. Schrempf, Abg.: Meine Herren, ich habe dabei nicht an die ganze Rede Bebels und nicht an den Redner selbst gedacht, sondern au den Inhalt der Rede, soweit er sich auf Nißlers angeb­licheKulturfeindlichkeit" bezieht! (Hei- terkeit. Glocke des Präsidenten.) Meine Herren, ich sage ausdrücklich, wir sind Freunde einer gesunden blühenden Jndu- strie, so gut wie jeder vernünftige Mensch in Deutschland; aber wir verwahren uns dagegen, daß die Parität zwischen Jndu- strie und Landwirtschaft, welche unbediugt nötig ist zur Erhaltung gesunder Zustände und für die Zukunft unseres Deutschen Reiches und Volkes, verletzt wird. Sie ist verletzt worden in den Caprivischen Handelsverträgen. Dieser Fehler muß korrigiert werden, und deswegen stimmen auch wir Süddeutschen auf der rechten Seite des Hauses für den vorliegenden Entwurf. Wir sehen ihn als brauchbare Grundlage der Verhandlungen an und hoffen, ihn noch zu verbessern in der Kommission. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Lokales.

Wildbad, 14. Dez. Wie wir ver­nehmen, hat auch der hiesige Gemeinderat durch Beschluß vom 16. November auf Entschädignngsgelder für die Sitzungen verzichtet.