dir geben". Hinter dem Sarg schritten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Griechenland und Prinz und Prinzessin von Hessen, sowie der Hofstaat. Fackelträger begleiteten den Zng und die Bürgerschaft schloß sich an. Als der Sarg in den dekorirten Wagen gehoben wurde, erscholl Trommelwirbel, die Truppen prä- sentirten. Um 9 Uhr 50 Min. verließ der Zug den Bahnhof. Heute hat sich hier ein Komite gebildet, das die Errichtung eines Kaiserin Friedrichdenkmals im hiesigen Park als Seitenstück zu dem dort bereits stehenden Kaiser Friedrichdenkmal in die Wege leitet.
Paris, 12. Aug. Der Luftschiffer Santos Dumont stieg heute früh 6 Uhr 10 Minuten wiederum im Parke von St. Cloud auf. Er umkreiste den Eiffelturm in 9 Minuten 34 Sekunden und lenkte sodann den Ballon auf St. Cloud, als ein Windstoß den Ballon aus der Richtuug brachte. Der vordere Teil blieb ca. 50 Meter zurück; das Wasserstoffgas entwich aus dem Vorderteil in den Hinteren Teil, der sich stark senkte. Dumont brachte den Motor sofort zum Stillstand, worauf der Ballon stark fiel. Unglücklicherweise streifte die Ballonumhüllung das Dach eines Ostöckigen Hauses am tzua.1 äs Ein Schlag erfolgte, der
Ballon explodierte und fiel. Der Gondelrand blieb am Giebel hängen. Dumont mußte hingekauert in der Gondel über eine halbe Stunde in der gefährlichen Lage ausharren. Ein Zimmermann nahm schließlich seinen Weg über die Dächer und es gelang ihm, Dumont ein Seil zuzuwerfen, das dieser sich um den Leib schlang. Mit vieler Mühe konnte der Zimmermann darauf Dumont hinaufziehen. Der kühne Luftschiffer war unv-rletzt und erklärte sich sofort bereit, den Versuch zu wiederholen, sobald der Ballon ausgebessert ist.
Neapel, 14. Aug. Der Gattin Crispi's ist vom dentscheu Reichskanzler Grafen Bülow folgendes Telegramm zugegangen: „Soeben habe ich die traurige Nachricht von dem Ableben Ihres rühm- reichen Gatten zur Kenntniß Sr. Majestät des Kaisers und Königs gebracht. Es drängt mich, Ihnen meine volle Teilnahme an Ihrem großen Verluste auszusprechen. Deutschland schließt sich von Herzen der Trauer Italiens an und wird dem hervorragenden Staatsmann und opferwilligen Patrioten ein treues Andenken bewahren. Die Freundschaft, die mir Francesco Crispi stets erwiesen hat, zählt zu meinen liebsten Erinnerungen.
— Kaum hat der frühere Redakteur des „Vorwärts"Poersch in der „Soz. Praxis" den Saz verfochten: „Der Arbeiter ist der schlechteste Arbeitgeber", so hat sich die sozialdemokratische Presse schon wieder gegen einen andern Ketzer zu weh- ren. Der Redakteur August Heine schreibt in der sozialdem. „Halberstäder Ztg.": „Ein Bild des Glückes bildet der fleißig mitarbeitende Kleinbauer, welcher nicht durch hohe Ackerpachte u. s. w. bedrückt wird. Wer hat die Ver. Staaten von Nordamerika groß gemacht? Der freie Kleinbauer! Wer hat Frankreich reich, mächtig, und glücklich gemacht? Der freie Kleinbauer! Ich bin lieber Kleinkrämer, als Lagerhalter in einem von Arbeitern geleiteten Konsumverein, ich bin lieber
freier Kleinbauer, als Arbeiter in einem Kapitalistengroßbetrieb der Feldwirtschaft. Ich kenne überhaupt nur ein menschliches Glück und das ist das: „in seinen eigenen Stiefeln zu stehen". Alle Versuche, Kommunistengemeinden zu errichten, sind gescheitert und müssen stets scheitern. Warum? werden Sie fragen. Antwort: Weil solche gegen die menschliche Natur sind.
WnterHcrttenöes.
Knllarvt.
Roman von Emil Droonberg.
(Forts.) Nachdruck verboten.
Bender folgte der Richtung ihres Blickes; plötzlich sprang er seitwärts, bückte sich zwiischen Distelsträucher nieder und kam mit strahlendem Gesicht zurück.
„Welch einen Lohn haben Sie dem Finder versprochen, Signorina?"
Sie blickte ihn kalt an.
„Ich liebe Versprechungen nicht," antwortete sie leichthin. „Er bekommt aber ein Goldstück oder ich erfülle ihm einen Wunsch; er hat deren stets verschiedene."
„Würden Sie auch mir das letztere zugestehen?"
Sie besann sich einen Augenblick, lächelte dann in ihrer bestrickenden Art und sagte:
„Wenn Sie der Finder wären, ja — aber das sind Sie nicht."
Statt einer Antwort hielt er ihr den in der Sonne blitzenden Reif hin.
„Dort unter den Disteln lag es und
— nun beanspruche ich mein Recht."
„Ach," rief sie freudig und faßte rasch
darnach."
Bender zog ihn rasch zurück.
„Halt," sagte er lachend, „so weit sind wir noch nicht. — Sie wollten dem Finder einen Wunsch erfüllen. Mein Wunsch ist nun, Ihnen selber das Armband anzulegen und die Stelle, wohin es gehört, küssen zu dürfen. .
Sie erwiderte nichts, aber ihre Lippen lächelten Gewährung. Dann half er ihr aufs Pferd und wie sie nun dasaß, beugte sie sich herab, schlug die Manschette ihres Stulphandschuhs zurück und reichte ihm stumm die Hand.
Ihre Blicke begegneten sich voll.
Dann fühlte sie, daß seine Finger brannten, während er das Schloß des Reifes zuschob; nun noch ein Aufschlag seiner dunklen Augen, sie saß regungslos. —
Sie hatte das Vorgefühl eines heißen Kusses dort auf dem zierlichen Handgelenk
— sie schloß wie furchtsam die Augen — da zuckte sie zusammen, denn nicht dorthin preßte er seine Lippen, sondern auf ihren vollen, roten Mund. Nein, sie hatte nicht einmal einen Schrei ausgestoßen und wie sie jetzt die Augen öffnete, da stand er neben ihr, den Hut in der Hand und freundlich grüßend.
Sie neigte kurz has Haupt, Bender sah, wie ihre Wangen glühten,dann sprengte sie davon, als habe sie eine Sünde begangen.
In der Ferne bemerkte Bender noch, wie sich der Diener zu ihr gesellte, der ihr augenscheinlich von der Erfolglosigkeit seines Suchens Mitteilung machte.
Dann war er langsam, in Sinnen versunken, denselbenWeg entlang geschritten.
Es war ihm nicht schwer geworden, zu erfahren, wer das junge Mädchen gewesen, die vor ihm erschienen und wieder vor ihm verschwunden war, wie eine Nixe aus dem Meere.
Das war jene Begegnung gewesen, die seit jener Zeit stets seine Gedanken beherrscht hatte — seltsam, märchenhaft — so daß sie ihm später fast nur; noch als ein reizender, bestrickender Traum erschien.
Mit einem tiefen Seufzer wandte er seine Gedanken jetzt von diesem lichten Bilde der Vergangenheit ab. Er erhob sich von seinem Stuhle, nahm das Medaillon vom Tische auf und warf, als er es schloß, noch einen Blick auf die Rückseite, auf welcher in kunstvoller Ciselierung ein Wappen angebracht war.
Lange ließ er seine Augen darauf ruhen, als sollte er in ihm die Lösung eines Rätsels finden und ein Rätsel — ein unenthülltes Geheimnis — mußte es wohl auch enthalten, denn es schmückte ja die Bilder seiner Eltern, von welchen er ahnte, daß sie nicht immer die schlichten, in bescheidenen Verhältnissen lebenden Leute gewesen waren, als welche er sie gekannt hatte.
Er begann im Zimmer umberzuwandern, auf dem Tische bemerkte er jctzt in einer kleinen Vase einen Strauß aus frischen Feldblumen, den er bisher noch gar nicht beachtet hatte; er hob ihn empor und sog den Duft der Blumen ein.
„Gewiß eine Aufmerksamkeit von seiten der Wirtschafterin," murmelte er, „wie auch der Kanarienvogel, der dort im Bauer flattert, denn diese beiden Gegenstände dürften nicht gewöhnliche Attribute einer Jnspektorwohnung sein.
Ein Klopfen an der Thür störte ihn aus seinen Gedanken auf.
Auf sein lautes „Herein!" trat die Wirtschafterin in das Zimmer.
„ Exzellenz« lassen den Signor zum Abendessen bitten," meldete sie.
Die Einladung kam Bender unerwartet der Marquis begann also schon, ihm Rücksichten zu erweisen, auf die er als Inspektor keinen Anspruch hatte. Ebenso wenig konnte er aber ablehnen, wenigstens heute noch nicht — morgen mußte sich dann ein Ausweg finden.
„Wo haben denn meine Vorgänger gespeist?" fragte Bender die Wirtschafterin.
„In der Fattoria und der letzte, der unverheiratetwar,meist aus seinemZimmer."
„Gut, dann werde ich von morgen an ebenfalls auf meinem Zimmer speisen. Ist Gesellschaft drüben im Schlosse?"
„Nein Signor — die Herrschaft ist allein. Sonst kam immer der Conte Dario abends herüber — dort drüben auf der Anhöhe —" sie zeigte durch das Fenster, „können Sie seine Besitzungen erblicken, aber der ist jetzt krank; er ist bei einem Jagdausfluge gestürzt und hat sich verwundet. Nun, er wird ja bald wieder gesund werden — und dann wird's wohl bald Hochzeit geben —"
„Er ist also noch nicht verheiratet," bemerkte Bender gleichgiltig, denn die Mitteilungen über diesen, ihm ganz fremden Mann berührten ihn sehr wenig.
„Nein," antwortete die Wirtschafterin — „man sagt, daß er der Gatte unserer Contessina werden wird."