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zu Deutschland zu pflegen, so liegt poli-I verwandschaftliche Beziehungen, sondern tisch gar kein Anlatz vor, dies übel zu durch ruhig und nüchtern erwogene Staats­

nehmen. (Heiterkeit.) Auch wir können ja nur wünschen, datz es Deutschland und England beschieden sei, im Frieden und für den Frieden zu wirken. Selbstver­ständlich ist die volle Gleichberechtigung zwischen dem deutschen und englischen Volke die cwnäitio Lina Mg. non jedes Zusammenwirkens beider. In unserem Verhältnis zu England hat sich gar nichts geändert, seitdem ich hier erklärt habe, daß wir gerne bereit sind, auf der Basis gegenseitiger Rücksichtnahme und absoluter Parität mit England in Frieden, Freund­schaft und Eintracht zu leben. Wenn der Kaiser durch seinen Besuch in England die Bahn freigemacht hat für die Fort­setzung eines solchen normalen und guten Verhältnisses zwischen Deutschland und England, so ist dies für beide Länder nur nützlich. Gewiß bestehen zwischen Deutschland und England manche Reib­flächen, aber auch viele und notwendige Berührungspunkte. Beide Länder lind auf gute Nachbarschaft angewiesen und es ist kein politischer Grund vorhanden, warum wir die Beziehungen zu England nicht ebenso herzlich pflegen sollten, wie andere Mächte es thun. Durch den Thronwechsel ist in den Beziehungen zwischen Deutschland und England nichts geändert. Es hat gleich Leute gegeben, die gehofft haben, daß der Thronwechsel eine ungünstige Rückwirkung ausübe auf die deutsch- englischen Beziehungen. Diese Wirkungen sind nicht eingetreren. Auch das ist nützlich für das Verhältnis der beiden Länder und die allgemeine Ruhe. Der Besuch des Kaisers soll, so wird be­hauptet, der neutralen Haltung wider­sprechen, die wir gegenüber den südafri­kanischen Wirren eingenommen haben. Ich habe auch häufig Parallelen gelesen zwischen dem Besuch des Kaisers in Eng­land und dem Nichtempfang des Präsi­denten Krüger. Diese Parallelen sind unzutreffend. Die projektirte Reise des Präsidenten Krüger nach Berlin verfolgte ausgesprochenerweise den Zweck, uns in einer ungewöhnlichen Form zur Einmisch­ung in die südafrikanischen Wirren zu nötigen, während der Besuch des Kaisers in England mit dem südafrikanischen Krieg nichts zu thun hatte. Gewiß sind dem Kaiser in England Aufmerksamkeiten erwiesen worden, und er hat die Auf­merksamkeiten erwidert. Ich bestreite aber auf das allerentschiedenste, daß der Kaiser irgendwie dem Wohl des Landes zuwider­gehandelt hat, indem er Aufmerksamkei­ten entgegennahm und erwiderte. Die Ordensverleihung an Roberts beruht auf dem persönlichen Ehrenrecht der preußi­schen Krone. Im übrigen ist Roberts keine politische Persönlichkeit und die Ordeusauszeichnung hatte keine politische Bedeutung. (Bewegung.) Was die Bezieh­ungen zu Rußland anbelangt, so bleibe rch durchdrungen davon, daß die Pflege der freundnachbarlichen Beziehungen zu dieser Macht eine der vornehmsten Auf­gaben unserer Politik ist. Aber die Grundlage voller Gleichheit und die Basis jeder Verständigung über die handelspo­litischen Interessen mit den anderen Mäch­ten kann nur volle Reziprozität und volle Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sein, nicht irgend welches Vasallentum. Tie auswärtige Politik wird nicht durch

interessen bestimmt. (Bravo.) Diese be­stimmen auch die Haltuug des Kaisers, welche auf die gewissenhafteste Fürsorge für die Wohlfahrt, Sicherheit und Zu­kunft des Reiches gerichtet ist. Ich selbst wäre für eine andere Politik als eine nationale deutsche Realpolitik nicht zu haben. (Beifall.)

Berlin, 7. März. (Reichstag.) Präsi­dent Ballestrem eröffnet heute die Sitzung mit folgenden Worten:Meine Herren! Ich habe dem Hause die betrübende Mit­teilung zu machen, daß S. M. der Kaiser gestern bei einer Fahrt in Bremen durch ein Eiseustück, welches ein noch nicht 20 jähriges Individuum gegen denkaiserlichen Wagen schleuderte, nicht unerheblich ver­letzt worden ist. Es scheint bis jetzt, daß durch Gottes gnädige Fügung die Ver­letzung keine gefährliche ist und daß unser kaiserlicher Herr, welcher jedoch zur Zeit notb bettlägerig ist, in nicht allzulanger Zeit hergestellt sein wird. Indem ich im Namen des Reichstages dem Abscheu über die unglückselige That hiermit Ausdruck gebe, verbinde ich damit den Dank gegen den gütigen Gott, welcher den Kaiser und das deutsche Volk vor schwerem Unheil gnädig bewahrt hat, und die Bitte an Gott um die baldige Wiederherstellung unseres geliebten Monarchen und seinen ferneren Schutz und Schirm für seine erhabene Person. Die Abgeordneten hatten sich während der Rede des Präsidenten von ihren Sitzen erhoben. Von den Sozial­demokraten ist Niemand im Saale an­wesend. Das Haus tritt darauf in die Tagesordnung ein.

Berlin, 6. März. Die Reichstags- komMission zur Berathung des Weinge­setzes hat heute beschlossen, an die Spitze des Gesetzes folgende Definition zu stellen: Wein ist das durch alkoholische Gährung aus dem Safte der Weintrauben herge­stellte Getränk."

Dem Vorstand des Verbands rei­sender Kausleute Deutschlands war vom preuß. Eisenbahnministerium eine Audienz bewilligt worden, um ihre Wünsche.im Ei­senbahn- Verkehrswesen vorzutragen. Die Herren wurden von dem Vortragenden Rat und Dezernenten für das Eisenbahnwe­sen Dr. A. v. d. Leyen, aufs Liebens­würdigste empfangen. In Sachen des Kilometertarifs für das deutsche Reich bemerkte v. d. Leyen, nach der Köln. Ztg., daß keine Aussicht auf Erfüllung dieses Wunsches gegeben werden könne. Der Kilometertarif sei bereits in verschiedenen Staaten, zuletzt in Amerika, als unprak­tisch wieder aufgehoben und bestehe zur Zeit nur noch im Großherzogtum Baden. Indes drängten die Verhältnisse dahin, einer zeitgemäßen Reform durch Verbil­ligung der Tarife Raum zu geben: sei auch die Frage, in welcher Weise eine solche zustande kommen werde, noch nicht spruchreif, so sei doch in kurzer Zeit eine Entschließung darüber zu erwarten. Bei einer gründlichen Reform des ganzen Sy­stems sollten alle Ausnahmen in Fortfall kommen. Die Vorberatungen seien be­reits soweit gediehen, daß in absehbarer Zeit eine Vorlage zu erwarten sei. Zu­gleich wies v. d. Leyen darauf hin, daß auch der Wunsch nach Einführung der Rück­fahrkarten mit zehntägiger Gültigkeit in Preußen aussichtslos sei. Da durch die

beabsichtigte Reform des ganzen Systems der Verbilligung der Tarife wahrscheinlich allgemein eine längere als zehntägige Gül- tigkeitsdauer dieser Fahrkarte zur Ein­führung gelangen, könne dieser Wunsch vorläufig zurückgestellt werden.

Bremen, 7. März. Während der Fahrt des Kaisers vom Ratskeller nach dem Bahnhofe wurde nach dem kaiser­lichen Wagen von einem angeblichen Ar­beiter Friedrich Weiland ein Eisenstück geworfen, welches den Kaiser an der Wange leicht traf' Der Kaiser setzte die Fahrt ohne Unterbrechung fort. Weiland ist Epileptiker und (giebt verworrene Ant­worten.

Bre m en, 7. März. Nach der Weserztg. wurde der Kaiser von dem gegen ihn ge­schleuderten Eijenstück auf der Wange unterhalb dem rechten Auge getroffen, konnte aber nicht schwer verletzt sein, da er auf der ganzen Fahrt vom Bahnhof zu dem neben ihm sitzenden Bürgermeister t)r. Schultz nichts darüber äußerte und erst am Bahnhof von den Herren seines Gefolges auf die blutende Wange auf­merksam gemacht wurde. Der junge Mensch, der die That verübt hatte, ge­riet unter die Pferde der hinter dem Wagen reitenden Landjäger, wurde von dem Publikum ergriffen, von Polizisten festgenommen und nach dem Stadthaus gebracht. Bei seiner Vernehmung verfiel er wiederholt in Krämpfe, war aber in Intervallen vernehmungsfähig. Ueber den Beweggrund seiner That gab er keine Auskunft. Daß er dauernd an epileptischen Krämpfen leide, scheint ein Arzneimittel zu beweisen, das er bei sich führte.

Wie aus Newyork gemeldet wird, ist Mr. Charles D. Schwab zum Direk­tor des Stahltrust mit einem Gehalt von 3 200 000 Mark pro Jahr ausersehen. Lies ist das bei weitem höchste Gehalt, das in Amerika je gezahlt worden ist. Schwab war Carnegies Geschäftsführer und sein vertrauter Geschäftsfreund. Er begann als gewöhnlicher Arbeiter in Car­negies damals kleiner Betriebsanlage. Er war Tag und Nacht in seinem Betriebe thätig und wußte schließlich ebenso viel oder mehr über die Operationen der großen Werke als Carnegie selbst. Er wurde sehr schnell befördert, wie in Amerika alle Leute seines Schlages; aber trozdem ist das außerordentliche Steigen seines auch für amerikanische Verhältnisse hohen Ge­haltes ein erstaunliches Faktum.

Stanöesbuch-GH v onrA

der Stadt Wildbad. vom 1. bis 8. März 1901. Aufgebote.

6 März. Hauler, Franz, Landjäger in Lein­stetten OA- Sulz, mit Sackmann, Rosa in Calw-

Geburten:

26. Febr. Wacker, Ernst Hermann, Gärtner

1 Sohn-

2. März. Fsllhauer, Christian, Fabrikarbeiter 1 Sohn.

27. Febr. ff Gustav Hammer, Kaufmann 1 T. 4. März. Müller, Johann Friedrich, Briefträger

1 Sohn.

Gestorbene:

2. März. Bätzner, Marie Sofie, geb- Güttinger 59 Jahre alt, Ehefrau des Stadt­schultheißen Alvrecht Heinrich Bätzner hier.

2. März. Schill, Johann Friedr., Baddiener 72 Jahre alt, von hier.

6. März. Schulmeister, Wilhelmine Elisabethe, 50 Jahre alt, Ehefrau des Schreiner­meisters Karl Schulmeister hier.