118 —
zu Deutschland zu pflegen, so liegt poli-I verwandschaftliche Beziehungen, sondern tisch gar kein Anlatz vor, dies übel zu durch ruhig und nüchtern erwogene Staats
nehmen. (Heiterkeit.) Auch wir können ja nur wünschen, datz es Deutschland und England beschieden sei, im Frieden und für den Frieden zu wirken. Selbstverständlich ist die volle Gleichberechtigung zwischen dem deutschen und englischen Volke die cwnäitio Lina Mg. non jedes Zusammenwirkens beider. In unserem Verhältnis zu England hat sich gar nichts geändert, seitdem ich hier erklärt habe, daß wir gerne bereit sind, auf der Basis gegenseitiger Rücksichtnahme und absoluter Parität mit England in Frieden, Freundschaft und Eintracht zu leben. Wenn der Kaiser durch seinen Besuch in England die Bahn freigemacht hat für die Fortsetzung eines solchen normalen und guten Verhältnisses zwischen Deutschland und England, so ist dies für beide Länder nur nützlich. Gewiß bestehen zwischen Deutschland und England manche Reibflächen, aber auch viele und notwendige Berührungspunkte. Beide Länder lind auf gute Nachbarschaft angewiesen und es ist kein politischer Grund vorhanden, warum wir die Beziehungen zu England nicht ebenso herzlich pflegen sollten, wie andere Mächte es thun. Durch den Thronwechsel ist in den Beziehungen zwischen Deutschland und England nichts geändert. Es hat gleich Leute gegeben, die gehofft haben, daß der Thronwechsel eine ungünstige Rückwirkung ausübe auf die deutsch- englischen Beziehungen. Diese Wirkungen sind nicht eingetreren. Auch das ist nützlich für das Verhältnis der beiden Länder und die allgemeine Ruhe. Der Besuch des Kaisers soll, so wird behauptet, der neutralen Haltung widersprechen, die wir gegenüber den südafrikanischen Wirren eingenommen haben. Ich habe auch häufig Parallelen gelesen zwischen dem Besuch des Kaisers in England und dem Nichtempfang des Präsidenten Krüger. Diese Parallelen sind unzutreffend. Die projektirte Reise des Präsidenten Krüger nach Berlin verfolgte ausgesprochenerweise den Zweck, uns in einer ungewöhnlichen Form zur Einmischung in die südafrikanischen Wirren zu nötigen, während der Besuch des Kaisers in England mit dem südafrikanischen Krieg nichts zu thun hatte. Gewiß sind dem Kaiser in England Aufmerksamkeiten erwiesen worden, und er hat die Aufmerksamkeiten erwidert. Ich bestreite aber auf das allerentschiedenste, daß der Kaiser irgendwie dem Wohl des Landes zuwidergehandelt hat, indem er Aufmerksamkeiten entgegennahm und erwiderte. Die Ordensverleihung an Roberts beruht auf dem persönlichen Ehrenrecht der preußischen Krone. Im übrigen ist Roberts keine politische Persönlichkeit und die Ordeusauszeichnung hatte keine politische Bedeutung. (Bewegung.) Was die Beziehungen zu Rußland anbelangt, so bleibe rch durchdrungen davon, daß die Pflege der freundnachbarlichen Beziehungen zu dieser Macht eine der vornehmsten Aufgaben unserer Politik ist. Aber die Grundlage voller Gleichheit und die Basis jeder Verständigung über die handelspolitischen Interessen mit den anderen Mächten kann nur volle Reziprozität und volle Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sein, nicht irgend welches Vasallentum. Tie auswärtige Politik wird nicht durch
interessen bestimmt. (Bravo.) Diese bestimmen auch die Haltuug des Kaisers, welche auf die gewissenhafteste Fürsorge für die Wohlfahrt, Sicherheit und Zukunft des Reiches gerichtet ist. Ich selbst wäre für eine andere Politik als eine nationale deutsche Realpolitik nicht zu haben. (Beifall.)
Berlin, 7. März. (Reichstag.) Präsident Ballestrem eröffnet heute die Sitzung mit folgenden Worten: „Meine Herren! Ich habe dem Hause die betrübende Mitteilung zu machen, daß S. M. der Kaiser gestern bei einer Fahrt in Bremen durch ein Eiseustück, welches ein noch nicht 20 jähriges Individuum gegen denkaiserlichen Wagen schleuderte, nicht unerheblich verletzt worden ist. Es scheint bis jetzt, daß durch Gottes gnädige Fügung die Verletzung keine gefährliche ist und daß unser kaiserlicher Herr, welcher jedoch zur Zeit notb bettlägerig ist, in nicht allzulanger Zeit hergestellt sein wird. Indem ich im Namen des Reichstages dem Abscheu über die unglückselige That hiermit Ausdruck gebe, verbinde ich damit den Dank gegen den gütigen Gott, welcher den Kaiser und das deutsche Volk vor schwerem Unheil gnädig bewahrt hat, und die Bitte an Gott um die baldige Wiederherstellung unseres geliebten Monarchen und seinen ferneren Schutz und Schirm für seine erhabene Person. Die Abgeordneten hatten sich während der Rede des Präsidenten von ihren Sitzen erhoben. Von den Sozialdemokraten ist Niemand im Saale anwesend. Das Haus tritt darauf in die Tagesordnung ein.
Berlin, 6. März. Die Reichstags- komMission zur Berathung des Weingesetzes hat heute beschlossen, an die Spitze des Gesetzes folgende Definition zu stellen: „Wein ist das durch alkoholische Gährung aus dem Safte der Weintrauben hergestellte Getränk."
— Dem Vorstand des Verbands reisender Kausleute Deutschlands war vom preuß. Eisenbahnministerium eine Audienz bewilligt worden, um ihre Wünsche.im Eisenbahn- Verkehrswesen vorzutragen. Die Herren wurden von dem Vortragenden Rat und Dezernenten für das Eisenbahnwesen Dr. A. v. d. Leyen, aufs Liebenswürdigste empfangen. In Sachen des Kilometertarifs für das deutsche Reich bemerkte v. d. Leyen, nach der Köln. Ztg., daß keine Aussicht auf Erfüllung dieses Wunsches gegeben werden könne. Der Kilometertarif sei bereits in verschiedenen Staaten, zuletzt in Amerika, als unpraktisch wieder aufgehoben und bestehe zur Zeit nur noch im Großherzogtum Baden. Indes drängten die Verhältnisse dahin, einer zeitgemäßen Reform durch Verbilligung der Tarife Raum zu geben: sei auch die Frage, in welcher Weise eine solche zustande kommen werde, noch nicht spruchreif, so sei doch in kurzer Zeit eine Entschließung darüber zu erwarten. Bei einer gründlichen Reform des ganzen Systems sollten alle Ausnahmen in Fortfall kommen. Die Vorberatungen seien bereits soweit gediehen, daß in absehbarer Zeit eine Vorlage zu erwarten sei. Zugleich wies v. d. Leyen darauf hin, daß auch der Wunsch nach Einführung der Rückfahrkarten mit zehntägiger Gültigkeit in Preußen aussichtslos sei. Da durch die
beabsichtigte Reform des ganzen Systems der Verbilligung der Tarife wahrscheinlich allgemein eine längere als zehntägige Gül- tigkeitsdauer dieser Fahrkarte zur Einführung gelangen, könne dieser Wunsch vorläufig zurückgestellt werden.
Bremen, 7. März. Während der Fahrt des Kaisers vom Ratskeller nach dem Bahnhofe wurde nach dem kaiserlichen Wagen von einem angeblichen Arbeiter Friedrich Weiland ein Eisenstück geworfen, welches den Kaiser an der Wange leicht traf' Der Kaiser setzte die Fahrt ohne Unterbrechung fort. Weiland ist Epileptiker und (giebt verworrene Antworten.
Bre m en, 7. März. Nach der Weserztg. wurde der Kaiser von dem gegen ihn geschleuderten Eijenstück auf der Wange unterhalb dem rechten Auge getroffen, konnte aber nicht schwer verletzt sein, da er auf der ganzen Fahrt vom Bahnhof zu dem neben ihm sitzenden Bürgermeister t)r. Schultz nichts darüber äußerte und erst am Bahnhof von den Herren seines Gefolges auf die blutende Wange aufmerksam gemacht wurde. Der junge Mensch, der die That verübt hatte, geriet unter die Pferde der hinter dem Wagen reitenden Landjäger, wurde von dem Publikum ergriffen, von Polizisten festgenommen und nach dem Stadthaus gebracht. Bei seiner Vernehmung verfiel er wiederholt in Krämpfe, war aber in Intervallen vernehmungsfähig. Ueber den Beweggrund seiner That gab er keine Auskunft. Daß er dauernd an epileptischen Krämpfen leide, scheint ein Arzneimittel zu beweisen, das er bei sich führte.
— Wie aus Newyork gemeldet wird, ist Mr. Charles D. Schwab zum Direktor des Stahltrust mit einem Gehalt von 3 200 000 Mark pro Jahr ausersehen. Lies ist das bei weitem höchste Gehalt, das in Amerika je gezahlt worden ist. Schwab war Carnegies Geschäftsführer und sein vertrauter Geschäftsfreund. Er begann als gewöhnlicher Arbeiter in Carnegies damals kleiner Betriebsanlage. Er war Tag und Nacht in seinem Betriebe thätig und wußte schließlich ebenso viel oder mehr über die Operationen der großen Werke als Carnegie selbst. Er wurde sehr schnell befördert, wie in Amerika alle Leute seines Schlages; aber trozdem ist das außerordentliche Steigen seines auch für amerikanische Verhältnisse hohen Gehaltes ein erstaunliches Faktum.
Stanöesbuch-GH v onrA
der Stadt Wildbad. vom 1. bis 8. März 1901. Aufgebote.
6 März. Hauler, Franz, Landjäger in Leinstetten OA- Sulz, mit Sackmann, Rosa in Calw-
Geburten:
26. Febr. Wacker, Ernst Hermann, Gärtner
1 Sohn-
2. März. Fsllhauer, Christian, Fabrikarbeiter 1 Sohn.
27. Febr. ff Gustav Hammer, Kaufmann 1 T. 4. März. Müller, Johann Friedrich, Briefträger
1 Sohn.
Gestorbene:
2. März. Bätzner, Marie Sofie, geb- Güttinger 59 Jahre alt, Ehefrau des Stadtschultheißen Alvrecht Heinrich Bätzner hier.
2. März. Schill, Johann Friedr., Baddiener 72 Jahre alt, von hier.
6. März. Schulmeister, Wilhelmine Elisabethe, 50 Jahre alt, Ehefrau des Schreinermeisters Karl Schulmeister hier.