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ausgenommen. Eine Beschwerde der Fa­milie vor dem Gericht erster Instanz er­gab das Urteil, Fränlein Uboa sei 24 Jahre alt und daher frei. Nach dem Ge­setz jedoch darf vor dem 25. Lebensjahr ein Kind ohne Einwilligung der Eltern ihren Zivilstand nicht verändern. Es han­delt sich nun am 7. Februar vor dem obersten Gerichtshöfe der Revisionsinstanz um eine Auslegung dieses nnbestimmten Be- griffs. Der Anwalt ist der republikan­ische Politiker Salmeron. Bis jetzt haben die Nonnen das Mädchen noch nicht frei­gegeben. Mit größter Spannung sieht mau dem Urteilsspruch des höchsten spa­nischen Gerichtshofs entgegen. Draußen vor dem Hause aber machte sich die tiefe Erregung der Bevölkerung Luft in den donnernden Rufen:Nieder mit den Je­suiten! Es lebe die Freiheit, die Gerech­tigkeit!" Aber diese Klostergeschichte ist nicht die einzige, die das spanische Volk bewegt. In den Klöstern, die im ganzen Lande, besonders in den größten Städten, wie Pilze aus der Erde schießen, sind Werkstätten der verschiedensten Art eingerichtet und Fabrikeinrichtungen aller Zweige untergebracht. Natürlich bezahlen die frommen Gesellschaften weder Steuern noch sonstige Abgaben; ebensowenig küm­mern sie sich um die Bestimmungen der sozialen Gesetzgebung, und daß sie ihre Angestellten in der rücksichtslosesten Weise ausbeuten, ist leider nur zu wahr. Ob­wohl nur sehr selten Nachrichten aus den Klostermauern an die Oeffentlichkeit dringen, so weiß man doch, daß in den Arbeitsstätten da drinnen klägliche Zu­stände herrschen, während die irdischen Güter der Klöster sich ins Endlose ver­mehren. Aus allen Großstädten laufen fast täglich Klagen bei der Regierung ein. welche in herzbewegender Weise die traurigen Wirkungen der industriellen Thätigkeit der religiösen Kongregationen schildern und die Negierung bilten, die industrielle Thätigkeit denselben zu ver­bieten. Aber was ist von dieser Regie­rung zu hoffen? Der Ministerpräsident und einige Minister verkehren fast aus­schließlich mit den Vertretern der geist­lichen Kongregationen und unternehmen nicht das allergeringste, ohne der Zu­stimmung dieser Mächtigen sicher zu sein! Der hohe Adel und die Vertreter des Großkapitals werden vollständig von den Ordensgesellschaften beherrscht! Wie soll da Besserung und Hilfe von oben kommen ? Und nun dazu noch die Fnrcht, die fran­zösischen Kongregationen, denen das zur Zeit in Beratung stehende neue fran­zösische Vereinsgesetz den Boden heiß macht, könnten nach Spanien übersiedeln und hier das Nebel doppelt und dreifach ver­schlimmern.

Hlnterhal'tenöes.

Kesperus

oder: Asr Karnps urn den Diamanten. Erzählung von Frank Barrett. (Forts.) (Nachdr. verboten.)

In diesem Augenblick erschien Edith auf der Schwelle; ihr Fuß stockte, als sie uns Beide in eifriger Unterredung ge­wahrte, aber Sir Edmund rief sanft: Edith komm' nur herein!" Hierauf nahm er ihre Hand und sagte ernst;

Edith -- Herr Thorne bat soeben bei mir um Dich geworben bist Du mit seiner Frage einverstanden?"

Edith erglühte und barg ihr Gesicht an des Vaters Schulter, sie schwieg in- deß beharrlich und so fuhr Sir Edmund freundlich fort:

Eine solche Frage zu entscheiden, be­darf es der Ueberlegung, mein Liebling nimm Dir nur Zeit. Inzwischen ist für Sie keine Veranlassung vorhanden, das Haus zu verlassen," wandte sich der Baron zu mir.

Nein es sei denn," stammelte ich.

Daß es Edith wünscht, wollen Sie sagen," fiel Sir Edmund mir ins Wort, da ich stocktenun, vielleicht haben Sie Recht. Wie ists, Edith, wäre es Dir lieber, wenn Herr Thorne die Mönchs­burg für kurze Zeit verließe? Soll er gehen?"

Ohne den gesenkten Blick zu mir auf­zuheben, schüttelte Edith ihr Köpfchen und nun wußte ich, daß ich einen Schatz gewonnen hatte, mit welchem sich der Hesperus auch nicht entfernt vergleichen ließ.

Am Abend des 20. sagte der Baron:

Bernhard, wenn ich Eure Verlobung vom praktischen Standpunkt aus ansehe, muß ich sagen, daß ich es nunmehr für Deine Pflicht halte, auf die Abänderung des Vertrages zu dringen. Die ominöse Klausel, welche den Ueberlebenden den Antheil des verstorbenen Partners zu­meist, birgt eine Gefahr, welcher ich Edith um keinen Preis aussetzen möchte. Ich denke, Du siehst ein, daß ich Recht habe?"

Ich bejahte die Frage und äußerte, daß ich ganz derselben Ansicht sei die Klausel müsse fallen.

Dann besprich Dich mit Deinen Ge­nossen über die Form der Aenderung. Am 24. erwarte ich meinen Advokaten und kann dieser dann gleich ein neues Dokument, welches Euren Wünschen und Absichten entspricht, aufsetzen."

An demselben Abend begab ich mich mit Joe Brace in Van Hoeks Zimmer und machte Beiden Mittheilung von meiner Verlobung mit Fräulein Lascelles. Van Hoek gerieth in merkbare Aufregung, als er meine Mittheilung vernommen, und diese Aufregung steigerte sich, als er er­fuhr, daß Sir Edmund dringend eine Abänderung des Vertrages wünsche und daß er den Vorschlag gemacht, sein am 24. eintreffender Advokat solle ein neues Dokument aussetzen.

Der schlaue alte Fuchs," rief er hef­tig,was glaubt er denn eigentlich?"

Nun, das ist doch genug," antwortete ich;wenn ich Fräulein Lascelles heirate und sterben sollte, hätte sie ja keinen An­theil an den Hesperus und ich würde ihr als einziges Vermächtnis Schulden hinter­lassen."

Ganz recht, und das ist noch nicht Alles," bemerkte Joe Brace nickend und seinen stacheligen Kinnbart streichend; in unserem Spiel befindet sich eine ein­gezeichnete Karte eine Karte, welche den einen oder den Anderen in Versuch­ung führen könnte, falsch zu spielen."

Zum Henker, was soll das nun wie­der heißen?" rief Van Hoek ungeduldig und heftig,drückt Euch deutlicher aus."

Na, was ich meine, ist bald gesagt," > versetzte der Richter langsam und ein­dringlich,wenn nicht der eine meiner

Partner ein wirklicher Gentleman und der andere nicht hoffnungslos blind wäre sollte mich der Teufel holen, wenn ich ohne einen sechsläufigen Revolver und der Hand am Drücker desselben zu Bett ginge! Ich will Keinem zu nahe treten, aber Alt-Hollands Behauptung, er halte Jeden für einen Dieb, bis ihm das Ge- gentheil bewiesen sei, har Manches für sich und wer weiß, ob ich selbst, wenn sich mir die sGelegönheit böte, nicht auf den Einfall käme, meine beiden Genossen zu morden und mich in den alleinigen Besitz des Diamanten zu setzen? Und von diesem Standpunkt aus werdet Ihr Beide zugeben, daß der Baron allen Grund hat, auf die Abänderung des Paragraphen zu dringen; es handelt sich für ihn nicht nur darum, den Antheil seiner Tochter am gemeinschaftlichen Besitz zu sichern, sondern auch um das Leben seines Schwiegersohnes. Für die junge Dame ists immer noch Zeit, Witwe zu werden, wenn sichs im Laufe der Jahre so fügt so, da habt ihr meine Meinung."

Am nächsten Morgen konnte ich Sir Edmund mittheilen, meine Geführten seien mit der Abänderung des fraglichen Paragraphen einverstanden wenn auch noch keine Einigung über die neue Faffung des Dokuments erzielt worden sei.

Sir Edmund nickte befriedigt.

Es ist mir lieb, das zu hören", sagte er lebhaft;so, wie das Dokument auf­gesetzt ist, konnte es unter keinen Umstän­den bleiben, und wie die Aenderung auch ausfallen möge, dieselbe kann nur vor- theilhaft sein."

Edith kam an diesem Morgen spät zum Frühstück; sie sah blaß aus und sagte, sie habe zu lange geschlafen.

Das ist Dir ja noch nie geschehen", scherzte der Baron; gewiß bist Du spät eingeschlafen wie?"

Edith nickte, aber so ernst, daß ich sofort sah, es müsse etwas nicht in Ord­nung sein und als sie jetzt, ohne auf den Scherz ihres Vaters einzugehen, sagte, sie habe garnicht geschlafen, wußte ich, daß es nicht der Gedanke an unsere Liebe gewesen, der sie wach gehalten (wie es bei mir der Fall war) und es überkam mich wie die Ahnung eines Unglücks.

Aber Edith, >o sprich doch, weshalb konntest Du nicht schlafen?" fragte Sir Edmund besorgt.

Aus Furcht ich habe einen heftigen Schrecken gehabt."

Bestürzt und ängstlich sahen wir sie an.

Ich will Euch erzählen, wie es war," sagte Edith tief aufathmend, vielleicht findet Ihr eine Erklärung für den Vor­fall, der mich beunruhigt hat."

Sie schwieg eine Weile, offenbar, um sich zu sammeln, und fuhr dann fort:

Ich 'lag schon halb im Schlaf, als ein vom Fenster kommendes Geräusch mich auffahren ließ. Es klang, als ob irgend Jemand an die Scheiben poche, nicht laut und ungestüm, sondern behutsam und in kurzen Zwischenräumen. Ich konnte manch­mal bis zu zwanzig und sogar bis zu dreißig zählen, bevor das Pochen sich wiederholte.

Nach einer kurzen Pause fuhr Edith aufgeregt fort:Anfänglich glaubte ich, es sei der Wind, welcher die Jalousie hin und her bewege ein Fensterflügel war offen geblieben aber als das Pochen gar kein Ende nehmen wollte