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nachgekommen; wie er regieren wird, das muß sich erst zeigen.

London, 23. Jan. In London ging eine Meldung aus Shanghai ein, daß das japanische SchulschiffJtsukushina" an der Ostküste Japans mit 95 Personen, darunter 40 Kadetten untergegangen sei.

Letzten Donnerstag als der Sout­hampton-Schnellzug in London eintraf, sprang ein anständig gekleideter Mensch aus einem Abteil dritter Claffe u. suchte in größter Eile den Ausgang zu gewin­nen. Gleichzeitig wurden aber Hilferufe einer Frau aus dem gleichen Abteil hör­bar. das der Mann gerade verlassen hatte. Die herbeieilenden Beamten fan­den eine halbohnmächtige Dame mit blutüberströmtem Gesicht und die Leiche eines älteren Herrn vor, der durch Re­volverschüsse in den Kopf getötet worden war. Der Mörder, der von einigen Bahnangestellten nach kurzem Wettlauf noch glücklich gefaßt wurde, hatte kurz vor dem Eintreffen des Zuges in London den Herrn, einen Gutsbesitzer von Win­chester, kaltblütig erschossen und ohne sich von dem Angstgeschrci der Dame stören zu lassen, der Leiche die Taschen ausge­raubt. Als dann trotz seiner Drohungen die Frau ihr Hilfegeschrei nicht einstellte, drückte der Räuber den Revolver aus nächster Nähe auf ihr Gesicht ab, ohne sie jedoch tödlich zu treffen. Bei der Vernehmung des Mörders aus der Poli­zeiwache stellte sich heraus, daß er ein Korporal der kgl, Feldartillerie war, der erst vor 3 Wochen vom Kriegsschauplatz in Südafrika zurückgekehrt und zur Reserve entlassen worden war. Das Rauben und Morden scheint diesemSaldier os the Queen" draußeü im Felde derart in Fleisch und Blut übergegangen zu sein, daß er es sich nicht versagen konnte, das Handwerk in der Heimat mit der gleichen Unverfrorenheit und Herzlosigkeit fortzu­setzen.

Brüssel, 22. Jan. Präsident Krüger, dessen heutige Ankunft in Utrecht unter allgemeiner Begeisterung der Bevölkerung erfolgte, bleibt mehrere Wochen dort und nimmt dann seinen endgiltigen Wohnsitz im Haag, wohin binnen Kurzen! der Sitz der Transvaal-Gesellschaft verlegt wird. Der holländische Konsul von Lonrenzo- Marques, Pott, der hier eingetroffen ist, erklärt, die Lage der Buren sei sehr günstig. Er versichert, daß das Buren­heer .Gewehre und Munition für eine Reihe von Jahren besitzt. Nach Potts Ansicht, wird England die Buren niemals bezwingen. (M. N. N.)

Gemeinnütziges.

Eine gute Erziehung ist eine wirk­liche Kunst. Fröbel sagt irgendwo, baß das Geschick der Nationen weit mehr in den Händen der Mütter ruht, als in denen, welche die Gesetze diktieren oder die Politik regieren. Das Kind wird das was wir aus ihm machen. In Sparta, wenn ein Kind ein Verbrechen beging, wurde sein Vater dafür bestraft, und bei uns, wenn genauere Gerechtigkeit geübt würde, müßten Tausende von Eltern die Stelle ihrer Kinder einnehmen in den Gefängnissen. Die Einfalt in der Erzieh­ung lehrt Jeden das Rechte treffen. Fürs Erste halte man bei den Kindern aus pünktlichen Gehorsam; die Eltern müssen

das ihre erste Sorge sein lassen, daß sie ihrer Kinder Bestes suchen, sie Gehorsam lerne» und zwar vom ersten Lebensjahre an, denn es ist eine große Thorheit, zu glauben, da verstünden dieselben noch nichts; wers probirt, wird finden, daß er dadurch sich selbst viel Verdruß und seinen Kin­dern Schläge erspart, die je länger, je weniger helfen. Auch in der Wahrhaftig- keit müssen Kinder erzogen werden, dabei ist aber wohl zu merken, daß die Eltern nie selber lügen dürfen. Mit dieser Auf. richtigkeit hängt auch zusammen, daß man die Kinder von früh an gewöhnt, ihre Fehler aufrichtig einzugestehen und für dieselben Verzeihung zu suchen, das ent­lastet so ein Kinderherz immer wieder und erhält ihm seinen Frohsinn. Aber Eltern müssen auch ganz und gern ver­zeihen und nach ein paar liebreichen ernsten Mahnworteu keine weiteren Vor­würfe mehr machen, sonst verdirbt man den Segen der Reue wieder. Man halte auch stets auf Ordnung in allen Dingen, Alles muß zur rechten Zeit geschehen, nie dürfen Kinder beim Essen fehlen, wie beim Gebetläulen, denn da lernen sie von klein auf Pflichttreue und es wird viel Zeit und Verdruß erspart, und bei Un­ordnung herrscht stets Unfriede.

(Aus demPrakt. W-gw-",-Würzburg.)

Vermischtes.

(Entstehende Welten am Fixstern­himmel). Schon auf der Schule lernt man die berühmte von Kant und Laplace gleichzeitig aufgestellte Theorie (kennen, derzufolge sich das Sonnensystem aus einer rotirenden glühenden Nebelmasse entwickelt haben soll. Diese Vorstellung hat sehr an Wahrscheinlichkeit gewonnen, seit das Fernrohr am Fixsternhimmel große Nebelmassen entdeckt hat, die wohl nichts anders sind als Weltsysteme im Zustande des Werdens, wie er ursprüng­lich auch unserm Sonnensystem eigen ge­wesen sein muß. Mit wunderbarer An­schaulichkeit hat neulich der ausgezeichnete englische Astronom Sir Robert Ball die damit zusammenhängende Frage besprochen und wir geben den Inhalt seiner präch­tigen Darstellung in seinen Hauptzügen wieder: Ein Fotograf benützt für seine Camera eine kleine Blende, wenn das Licht sehr hell ist und erweitert diese, wenn das Licht schwächer wird, damit er immer das richtige Maß von Licht auf seine Platte leiten kann. Die Regen­bogenhaut des menschlichen jAuges ist für dieses eine natürliche Blende, bei der Katze kann man die Wirkung der Regen­bogenhaut noch leichter beobachten, weil sie bei ihr größer ist. Das Fernrohr unterstützt uns im Sehen, weil es ge­stattet, die Blende unseres Auges noch weiter zu vergrößern, denn da Niemands Auge so groß ist wie das Objektivglas eines Fernrohrs, so sammelt dieses eine viel größere Menge von Strahlen und führt sie als ein kleines Bündel in unser Auge ein. So benutzt ein Beobachter an dem größten Fernrohr der Welt, dem Jerkesteleskop, dessen Linse eigentlich an Stelle seines Auges, also ein künstliches Äuge von 42 Zoll Durchmesser an Stelle seines natürlichen von der Größe eines Fünfpfennigstücks. Mittels eines solchen Auges entschleiern sich uns wunderbare Geheimnisse des Sternhimmels. Es er-

, scheinen am Firmament u. a. zahlreiche große Nebel, feurige Massen glühender Gase. Aber einige dieser Himmelskörper, die in einem kleinen Fernrohr als Nebel erscheinen, lösen sich in einem größeren zu Haufen winziger Sterne auf, und was vorher nur als ein Lichtfleck am Himmel erschien, bildet nun ein Gewimmel von Myriaden einzelner Sterne wie ebenso- viele Diamanttropfen. Diese Thatsache führte einstmals zu einem lebhaften Streit, denn man meinte, es ^gäbe in Wirklichkeit überhaupt kein solches Ding wie einen Nebel am Himmel, und die sogenannten Nebel erscheinen nur deshalb als solche, weil wir noch kein genügend starkes Fernrohr hätten, um sie als das zu erkennen, was sie eigentlich wären, nämlich als Sternhaufen. Es war eines der großen Verdienste des Astronomen Huggins, des derzeitigen Präsidenten der Royal Society in London, das thatsäch- liche Vorhandensein von Nebeln am Himmel Nachzuweisen und zu zeigen, wie sich ein Nebel von einem Sternhaufen mittelst des Spektroskops sofort unter­scheiden läßt. Wenn das Licht von einem Stern durch ein Prisma gelenkt wird, so entsteht ein Lichtband, dessen Farbe all­mählich wie ein Regenbogen von Indigo und Violett bis zu Orange und Rot übergeht und an gewissen Stellen von dunkeln Linien durchzogen wird. Das Licht von einem Nebel aber gibt, wenn es in dieser Weise behandelt wird, eine ganz andere Erscheinung, nämlich ein dunkles Band mit Hellen Linien. Dieser Sesamschlüssel befähigt den modernen Astronomen, von einem rätselhaften Him­melskörper mit Sicherheit zu sagen, ob er ein Stern ist oder aus einzelnen Sternen besteht, oder ob er eine Nebel­masse ist, und er hat festzustellen erlaubt, daß viele Himmelskörper nichts anders sind, als ungeheure Massen glühenden Gases. Einige von ihnen mögen sich durch allmähliches Zusammenschrumpfen im Weltsysteme umwandeln, wie dasjenige, dessen Zentrum unsere Sonne ist; bei andern ist diese Umwandlung bereits vol­lendet. Niemand kann aber diesen Vor­gang beobachten, da er sich zu langsam voll­zieht, jedoch können wir von seinem Fort­schritt und von seinen Stadien Kenntnis erhalten, wenn wir alle Himmelskörper in ihren verschiedenen Zuständen prüfen, ge­rade, wie wir bei der Betrachtung eines Waldes aus Eichenstämmen die verschiede­nen Stufen der Entwicklung des Baumes erkennen können, ohne sie an einem ein­zelnen Exemplar zu beobachten. Zuweilen kann es fast scheinen, als sähen wir, wie das von Kant und Laplace verkündete Gesetz am Himmel in Thätigkeit tritt. Wenn wir z. B. durch ein Fernrohr den Blick auf den großen Spiralnebel im Sternbild der Jagdhunde richten, so er­halten wir den Eindruck einer ungeheuren, um einen Punkt herumgewirbelten Masse, von der sich kleinere Massen loslösen zu scheinen in derselben Weise, wie sich die Erde einst von der Sonne getrennt hat. Eine enorme Fülle solcher Nebelmassen ist über den ganzen Himmel ausgestreut, in dessen nördlicher wie in dessen südlicher Halbkugel, und einige von diesen Nebeln sind von so erstaunlicher Größe, daß man Stücke von der Fläche des deutschen Reiches ausschneiden und jedem Mann und jeder