' zurWildbader Chronik."

Nr. 137.

Samstag, 24. Wovernber 1900.

36. Jahrgang.

Unkerhattsnöes.

Der weiße Hirsch.

Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.

Da hatte sie sich schon verraten, in­dem sie gesprochen:Das ist der Ort, wo die Majestät sich ewig den Herrscher­thron erhöht." Er seufzte.

Tief standen die Gräser im Thau, es war, als weinte heimlich die alte Mutter Erde, daß ihr die Sonne so fern und so bleich des Mondes kaltes Licht. Ihm auch schien es, von seinem Leben sei aller Glanz, alle Wärme entflohen, er wußte eben auch durch den großen Irrtum, als hinge sein Heil an einem Menschenleben, aber daß er es so ernst nahm, das lag daran, daß ihm der Wald seine Jugend bewahrt und das starke, treue, reine Männerherz.

Nun war er oben. Da lag die Höhe gebadet im Hellen Licht des himmlischen Gestirns, unten wallten noch die Nebel, oben herrschte bläuliche Klarheit. Eine jede gefiederte Farme stand still aufrecht und troff von Silber, seitwärts blickend erkannte Rüdiger den weißen Hirsch, der eben vom Schlaf erwachte, aber seine Lage nicht veränderte. Die Anemonen, doppelt schön in dieser geheimnisvollen Beleuchtung, neigten ihre Häupter. Dies war der Ort, nach dem Rüdiger sich gesehnt, hier legte er die Last, welche er trug, ab, nahm sein Instrument, in dem so viel Wohllaut schlummerte ans dem Kasten, erstieg einen Felsblock, von dem aus er den sich abwärts senkenden Wald übersah und Hub an in Tönen zu sagen, was nur Gott im Himmel wußte.

Wie aus seligem Traum erwachend war Rüdiger in jener Nacht von der Höhe im Walde, aus dem Schloßhof des weißen Hirsches niedergestiegen. Stunde um Stunde hatte er gespielt. Was dem bedrückten, zagenden Herzen entquoll, und durch die Saiten seiner Geige eine Ge­stalt gewann, das wollte uicht enden, und machte rings umher die Blätter erzittern und ward von den Lustwellen der weichen warmen Nacht weitergetragen.

Das allein erleichterte und erquickte, das schaffte ihm endlich, wornach er sich sehnte, Müdigkeit und Ergebung. Schon wehte es frischer aus Osten, als er nach der Oberförsterei zurückkehrte. Wieder stieg er am Gitter des wilden Weines hinauf; wen er aber nicht sah, war sein Vater, der hinter einer Gardine verborgen an einem der Fenster des unteren Stockes stand und ihn beobachtete. Doch gab der Oberförster weiter ktin Lebenszeichen von sich. Am folgenden Tage schien sein Ge- sicht doppelt finster; er vermied es dem Sohne zu begegnen. Hatte er ihm doch acht Tage Frist gegeben, und unter keiner Bedingung würde er au dieser Bestim­mung etwas geändert haben, aber er mochte fürchten, daß, wenn er mit ihm zusammenstieße, der Zorn ihn übermannte.

Die Mutter ging umher in Sorgen und Grämen, einmal nur fand Rüdiger, für den sich gerade jetzt verschiedene Ar­

beiten häuften, Gelegenheit, ihr im Vor­beigehen die Hand zu drücken und ihr zuzuflüstern:Glaube mir, es wird sich alles lösen," das war freilich ein Trost, doch wälzte er ihr nicht die Steine vom Herzen.

Am Abend nun fühlte er sich sehr er­müdet und verfiel bald in einen tiefen Schlaf, gegen Morgen träumte ihm, der weiße Hirsch stehe unter seinem Fenster und blicke mit angstvollen Augen zu ihm empor.Rette mich!" flehte er, und dann wieder waren es Roberts Augen, die ihn anschauten. Mit einer Art von Schrecken erwachte er, und erinnerte sich der Droh­ung, welche der Abgesandte des Komites gegen den Freund ausgestoßen. Hätte er ihn nur sogleich fortschaffen können, aber das war unmöglich gewesen, erstens des Jahrmarkres wegen, der m einem benach­barten Dorf stattfand, die Umgegend mit Menschen belebte, und auch mehr Poli- zeibeamte wie sonst herbeizog, und zwei­tens weil noch einige Papiere mangelten, denen der Fliehende in den Seehäfen dringend bedurfte. Freilich konnte man hoffen, daß diese Drohung leere Worte gewesen seien; wer spielt am Ende so leicht mit einem Mord, als wäre der ! Mensch nicht mehr wie eine taube Nuß, die der Wandernde rücksichtslos zertritt? An sein eigenes Geschick zu denken, hatte Rüdiger in diesen Stunden kaum Zeit. Was kümmerte ihn auch die Drohung, daßalles an die große Glocke gehängt werden solle," sobald nur der Freund in Sicherheit war? Hatte er doch den küh­nen Entschluß gefaßt, sich der Prinzessin zu Füßen zu werfen, und ihr alles zu gestehen. Rein sollte sein Bild in ihrer Seele leben, das war alles, was er ver- langte. Erschien er dann strafwürdig, daß er einem politisch Verurteilten zur Flucht verholfen, nun gut, das mußte getragen werden. Es gibt Lagen im Le- ben, wo das Richtige dem Besseren feind­lich gegenübersteht, und immer, wenn das Erhabene sich zum Streit stellt, gilt es zu opfern, zu leiden. Daß nur sein Vater und seine Mutter wieder an seine Ehre glauben konnten, und daß er vor ihr, der Hohen, mackellos stehen durfte! Dem Freunde die so notwendig gewordenen Geldmittel abkürzen, der unverschämten Forderung des unbekannten Verläumders Gehör geben, und die verlangte Summe in der hohlen Eiche am Felsenbrünnlein niederlegen, fiel ihm nicht ein, er beab­sichtigte im Gegenteil denselben womög- lich dort abzufangen und ihm den Lohn für seine Spitzbüberei abzuzahlen.

Das alles mußte hinausgeschoben werden. Er besorgte außer dem Anzug einen Mantel, wie ihn die thüringischen Frauen tragen, lang und weit mit einem Radkragen und ein umfangreiches Kopf- tnch.

Der Mantel war von Heller Farbe, Rüdiger hätte gern einen dunkleren gehabt, konnte ihn aber nicht auftreiben, denn mit Vorliebe benutzt man dort zu diesem Zweck die Hellen Kattune, die mit Barchent gefüttert werden. Auch sein

Lieblingsgewehr, eine Flintbüchse, gedachte er im Lauf >des nächsten Tages nach der Mühle zu schaffen. Er hätte das in der Nacht thun können, doch es lag ihm da­rau, dem Vater, der ihn gewiß zn jeder, zeit heimlich überwachte, keine Veran­lassung zum Mißtrauen zu geben, und in der Nacht von ihm mit der Waffe ge- troffen zu werden, daran konnte Rüdiger nur mit Schaudern denken. Er mußte sich jetzt energisch aus einer Beschäftigung in die andere stürzen. Am Nachmittag warf er sich von großer Anstrengung er­müdet aufs Sopha und schlief so süß, wie nur ein gutes Gewissen schlafen läßt. Zum zweitenmal erschien ihm im Traum der weiße Hirsch und flehte ihn an: Rette mich!. Das regte ihn auf, und als wiederum die 'mondbeglänzte Zau- bernacht im Walde webte, ließ es ihm keine Ruhe, er mußte hinaus, denn ge­treu im tiefsten Sinne, trug er die fromme Minne, von der zu reden das Licht der Sonne nnd der Lärm des lau­ten Tages verbot. Seine schöne halb klagende, halb jauchzende Musik weckte abermals das Echo der Berge und schwebte ähnlich dem Liede der kleinen grauen Meistersängerin, der Nachtigall, über den Wipfeln. Gewiß, es war eine Thorheit, doch konnte er davon nicht lassen! Et- was mußte ihm bleiben! Vor Thau und Tage schlich er, an Leid nnd Lust er- mattet, heim.(Forts, folgt).

In Altona hat sich derVerein jüngerer Lehrer "mit dem Gartenbauverein Pomona" so berichtet der praktische Ratgeber im Obst, und Gartenbau zusammengethan, um im vergangenen Frühjahr 1900 angewurzelte Stecklinge von Geranien, Fuchsien, Petunien, Be­gonien, chinesischen Primeln, Chrysanthe- men, Iris und Myrten an Schulkinder zur Pflege undlauteren Wettbewerb" zu verteilen. Jetzt ist die Prüfung und Preisverteilung vorgenommen und hat das überraschende Resultat ergeben, daß fast keins der Kinder mit seinen Pflanzen fehlte. Als Preise wurden wieder Topf, gewächse verteilt. Auf diese Weise wird praktisch auch iu den Großstädten in den Kindern Liebe zur Natur und Gemüts­leben geweckt und gestärkt und verdient das Beispiel überall Nachahmung.

Eine Riesenforelle wurde dieser Tage in der Traun gefangen. Aus Ischl wird geschrieben: In nächster Nähe des Hotel Kaiserin Elisabeth befand sich in der Traun, wie schon wiederholt den Sommer über, eine Lachsforelle von be­sonderer Größe. Nach mehreren vergeb­lichen Versuchen gelang es endlich mehreren Fischern den seltenen, großen und schönen Fisch ins Netz zu bekommen. Der Hotelier ließ den Fisch, welcher 1,63 Meter mißt, 55 Centimeter Umfang hat und zum mindesten 15 Kilogramm wiegt, in seine Fischzucht einstellen.

(Naiv) Vater (der Braut):60000 Schulden haben Sie? Da bleibt ja beinahe nichts von der Mitgift übrig!" Bewer­ber (verwundert):Ja, wollen wir denn die Schulden bezahlen?"