AmLsbtaLL für die Stadt Witöbaö.
»eneM-Anzeiger für MidbaÄ und
Iiconi
Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Samstag
Der Abonnements-Preis beträgt incl. dem jeden Samstag beigegebenen Illustr. Sonntagsblatt für Aildbad vierteljäbrlich 1 ^ 10 ^, monatlich 40 Psg.; durch die Post bezogen im Oberamts- Bezirk 1 ^ 30 ^ ; auswärts I ^ 45 ^ - Bestellungen nehmen alle Postämter entgegen.
Der Annoncenpreis beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 10 Pfg., Reklamezeile 15 Pfennig. Anzeigen müssen spätestens den Tag zuvor morgens 9 Uhr aufgegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.—Stehende Anzeigen nach Usbereinkunft. — Anonyme Einsendungen werden nicht berücksichtigt.
Nr. 13S.
Donnerstag, 22. Wovernber 1900
86. Jahrgang.
Runv? cha u.
Pforzheim, 18. Nov. Im dicht besetzten Adlersaal hielt Freitag Abend Fräulein Johanna Wittum, Tochter des Landtags-Abgeordneten Wittum, welche als Krankenschwester des „Roten Kreuzes" in Transvaal gewesen war, einen interessanten Vortrag über ihre Erlebnisse während des Krieges. Der finanzielle Erfolg des Vortragsabends war für die Armen bestimmt.
Mannheim, 15. Nov. Eine merkwürdige Urkundenfälschung beschäftigte gestern die erste Strafkammer des hiesigen Landgerichts. Der Schuhmacher Vincenz K. hat vor vier Jahren vor dem hiesigen Standesamt unter dem falschen Namen Josef Finke aus Bunzlau in Böhmen eine Ehe geschlossen. Dieser Namenswechsel hat eine höchst romantische Vorgeschichte. K., der von 1875— 78 bei der 2. Kompagnie des 2. Bad. Grenadier-Regiments in Turlach gedient hat, geriet im Jahre 1881 in Belgien in die Hände eines Werbers, der ihn bestimmte, zur holländischen Kolonialarmee in Ostindien zu gehen. Da seine Papiere unvollständig waren, drängte ihm der Werber für die Hälfte des 200 Gulden betragenden Handgeldes Legitimationen auf, welche auf Josef Finke ans Bunzlau in Böhmen lauteten und unter diesem buchstäblich zu nehmenden vom äs ^usrrs diente K. seine 12 Jahre ab. Er erhielt verschiedene Auszeichnungen und kehrte 1893 mit dem sauer verdienten Anspruch auf eine Pension von jährlich 340 Mk. nach Europa zurück. Im Jahre 1896 heirathete er hier in Mannheim, wo er sich niedergelassen, die Katharina Barbara Jeckle, indem er seinen angenommenen Namen beibehielt. Die Heiratspapiere hätte er nicht ohne viele Schreiberei aus Böhmen erhalten. Bald genug sollte aber der Schleier des Geheimnißes gelüftet werden. Die Eltern des wirklichen Josef Finke, der in Ostindien unter dem Namen Freimayer Kriegsdienste that, erhielten im Herbst 1896 die Mitteilung, daß ihr Sohn im fernen Osten am gelben Fieber gestorben sei. Das konnte nun doch unmöglich mit dessen Verheirathung in Mannheim stimmen. Sie zogen Erkundigungen ein und das Ende vom Lied war, daß K. seine Pseudonymität aufgeben mutzte. Bei der Schwierigkeit des Verkehrs mit den österreichischen Behörden stand es bis heute an, daß K. sich
wegen Urkundenfälschung vor dem Standesamte zu verantworten hatte. K. war ohne Umschweife geständig. Er habe den falschen Namen beibehalten, um nicht in Gefahr zu gerathen, seine Pension zu verlieren. Der Staatsanwalt erkannte an, daß der Angeklagte sich in einer gewissen Nothlage befand, da er befürchten mußte, wenn er seine .'richtigen Personalien angab, Schwierigkeiten bez. seiner Pension zu bekommen, die er sich in langen Jahren gefahrvollen Dienstes redlich erworben habe. Auf der andern Seite seien die Interessen der Oeffentlich- keit verletzt worden. Das Urteil lautete, dem „M. Gen.-Anz." zufolge, unter Berück- sichtigung der Zwangslage des Angeklagten auf eine Geldstrafe von 40 Mk.,eventl. 8 Tatze Gefänguiß.
München, 16. Nov. Gestern nahmen die Pioniere in Gegenwart des Prinzregenten, des Prinzen Arnulf, mehrerer Generale und des Bürgermeisters Brunner, eine hochinteressante Sprengübung vor. Die Ziegeleibesitzerin Frida Müller ließ einen Ziegeleiofen mit 33 Meter hohem Kamin abbrechen nnd dieses turmhohe Kamin wurde von den Pionieren gesprengt, wozu 12 Pfund Sprengstoff (0 88) genügten. Weithin war natürlich der Platz geräumt und abgesperrt, nach Belehrung der Mannschaft über die Sprengung durch Hauptmann Kleemann wurden die Drähte der Leitung mit der Batterie des Apparats verbunden: ein Druck auf den Knopf, ein Knall und der Kamin stürzte nach der von dem Hauptmann angegebenen Seite. Ein ähnliches Schauspiel hatten die Neugierigen Münchener noch nie gesehen.
Vom Rhein, 14. Nov. Ueber die Entstehung des Schaumweinsteuergesetzes erzählt die „Köln. Volksztg." folgende spaßhafte Geschichte: Bekanntlich hatte ein Schaumweinfabrikant, Herr I. I. Söhnlein, gelegentlich der Beratung des Flottengesetzes an den Reichstag eine Eingabe gemacht, welche vorschlug, die gesamten Kosten der Flottenvorlage mit etwa 60 Millionen Mark jährlich den deutschen Zeitungen in Form einer Jnse- ratensteuer aufzuerlegen. Als diese Eingabe in der Reichshaushaltkommisfion besprochen wurde, war eine Schaumweinsteuer noch nicht in Betracht gezogen worden; die Eingabe des Herrn Söhnlein lenkte auch auf dieses Steuerobjekt die Aufmerksamkeit der Kommission u. deren großen Mehrheit war der Ansicht, daß
eine Verbrauchsabgabe auf Schaumwein wohl gerechtfertigt sei, daß dagegen für eine Belastung der Presse mittels Jnse- ratensteuer keine Veranlassung vorliege. Daraufhin wurde der Eingangszoll auf importirten Schaumwein sofort erhöht, während die Schaumweinsteuer auf inländisches Fabrikat in der kommenden Session geregelt werden sollte. Der Sekretär des Verbandes deutscher Schaumweinkellereien hatte sich damals an den Abgeordneten Müller (Fulda) mit dem Wunsche gewandt, daß auch die Zollerhöhung vorerst unterbleiben möge. Herr Müller aber hatte in seiner Antwort darauf hingewiesen, daß die Schaumweinsteuer eine Folge-der Eingaben des Herrn Söhnlein an den Reichstag sei, und daß es sich für den Verband empfehle, diesen Herrn etwas zurückzuhalten. —Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Berlin, 19. Nov. Bei der heutigen ersten Beratung des Entwurfs betreffend die Festsetzung eines dritten Nachtragsetats für 1900 bespricht der Reichskanzler Graf v. Bülow die Vorgeschichte der Wirren in China und weist die im Auslande gemachte Behauptung zurück, daß diese Wirren auf die Besetzung von Kiautschou zurückzuführen seien. In der publizistischen Diskussion des Inlandes und noch mehr in der des Auslandes sei gesagt worden, daß wir die chinesische Krisis nicht vorhergesehen hätten. Wir weisen aber die anderen Kabinete wiederholt auf die vorhergehenden Anzeichen hin und bewilligen sofort alles, was unser Vertreter in China als notwendig bezeichne. Freiherr v. Ketteler sei in treuester Pflichterfüllung bei dem Versuche, die chinesische Centralgewalt zur Besinnung zu bringen, unerschrocken in den Tod gegangen, wie ein Offizier in der Front, würdig des Landes, das er vertrat, und würdig des Namens, den er trug. (Lauter, allgemeiner Beifall.) Der Reichs» kanzler weist auf die einzelnen, der Besetzung von Kiautschou vorhergegangenen Erwerbungen anderer Mächte hin und darauf, daß lange vor dw Besetzung von Kiautschou Ausschreitungen gegen die Fremden in China vorgekommen seien. Wir haben uns in sprichwörtlicher Bescheidenheit (sehr richtig! rechts) von allen Mächten am längsten zurückgehalteu. Was wir Deutschen wollen, ist kein politisches Abenteuer, sondern die Behauptung unserer Rechte und unserer Interessen. Wir führen dort keinen Eroberungskrieg; wir