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weifelte Männer, die entschlossen sind, Widerstand bis zum Aeußersten zu leisten. Sie wissen zwar alle, baß sie für eine verlorene Sache eintreten, allein der Bur, der jetzt weder ein Heim noch eine Familie hat, dem ist nun alles gleichgiltig. Sein Leben hat für ihn keinen Wert, also schlägt er es in die Schanze. Wenn er schon nichts retten kann, will er dem Feind wenigstens das Leben sauer machen. Niemals, fährt Graf Waldstein fort, hätten die Engländer etwas erreichen können, wenn nicht in den Reihen der Buren Disziplinlosigkeit, eine unerhörte Korruptionswirtschaft, ja Verrat geherrscht hätten. Die engl. Soldaten waren in der überwältigenden Mehrzahl eine Horde undis- ziplinirter Leute, die keine Ahnung vom Kriegswesen hatte, und die Offiziere, die sich zwar überaus tapfer und tollkühn schlugen, waren unvorbereitet und kopflos. Die Soldaten waren das reinste Kanonenfutter. Doch nicht nur die Eng. lander, sondern jede, auch die beste Armee der Welt, hätte einen sehr harten Stand mit den Buren gehabt. Aussichtslos wäre es aber gewesen, die Buren überhaupt zu überwinden, wenn jeder von diesen seine Pflicht gethan, wenn nicht eine so verächtliche Wirtschaft bis in die obersten Regionen geherrscht hätte. Die Buren konnten 60000 Mann stellen, thatsächlich standen aber nie mehr als 30000 Mann im Felde. Und die Generale Joubert, Lukas Meyer und Schneemann sind einfach Verräter gewesen. Es ist schon seiner Zeit auffällig bemerkt worden, daß General Joubert eines so plötzlichen Todes starb. Man sprach von einem Magenleiden, dem er erlegen sei und erst vor ein paar Monaten drangen Gerüchte nach Europa, die Jouberts Persönlichkeit in kein allzu günstiges Licht stellten und sein Ende als ein nicht natürliches bezeichnten. Graf Waldstein berichtet nun, daß es in der Armee ein offenes Geheimnis war, daß Joubert von den Buren vergiftet wurde. Auch Lukas Meyer und Schneemann üiaren Verräter. Sie haben in engl. Solde gestanden uud den Freistaat dem Feinde ausgeliefect. General Schneemann und Lukas Meyer wurden zum Lohne erschossen; den letzteren hat General Dewet, ein prachtvoller Mensch, eigenhändig nie- dergeknallt. Das ist Thatsache. Was an diesen schwerwiegenden, ja ungeheuerlichen Anklagen Wahres ist, möge dahingestellt sein. Aber sie sind thatsächlich stark verbreitet und die vorstehenden Behauptungen decken sich fast wörtlich mit den Briefen eines deutschen Freiwilligen (Sohn eines Geistlichen), die uns Vorgelegen haben, und den mündlichen Aussagen eines Charlottenburger Kaufmanns, der 10 Jahre in Transvaal geweilt hat. (Schw. M)
Pretoria, 1. Nov. Wie berichtet wird, ist General Botha mit einer starken Streitmacht auf dem Wege nach dem Kennhardtdistrikte, von wo aus eine An- zahl unversöhnlicher Buren einen neuen Treck (Auswander ungszug) beabsichtigen.
Vermischtes.
— Was ein gut gepflegter Baum ein- bringen kann, teilt der „Breisg. Ztg." ein Emmendinger Obstgutbesitzer (Riug- wald) mit, der das Gewicht und darnach die Stückzahl der Früchte eines seiner vielen reichbehangenen Aepfelbäume ermittelte. Derselbe lieferte 22 Ztr. 60
Pfund Aepfel (kleinere Sorte) — 24934 Stück. Sie gaben etwa 6^/1 Hektoliter Obstwein im Werte von ca. 100 Mark, was dem Erträgnis eines kleineren Reb- stücks gleichkommt. Wenn man bedenkt, wie viel weniger Mühe und Sorgfalt ein Obstbaum gegenüber den Reben bedarf, so illustriert dieses Beispiel am besten die Rentabilität des Obstbaumes. Daher höre man nicht auf, die Mahnung zu wiederholen: Auf jeden leeren Raum, pflanz' einen Baum!
WnierHattenöes.
Der weiße Hirsch.
Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.
(Fortsetzung.)
Er trat in das Müllerhaus und erkletterte eine schmale Stiege, die führte auch auf einen Boden, aber hier war es dunkel und staubig, und kahl und eng das Kämmerlein, in welchem der Litterat, der seinem Vaterlande keinen Erfolg abgerungen, auf einem dürftigen Bette ruhte. Es lag aber der Mann, das Antlitz im Arm geborgen, so daß nur ein geringer Teil seines Antlitzes sichtbar ward. Fast glich es dem da draußen, nur daß es feiner und schärfer erschien, er auch hatte den kräftigen Nacken, die aufstrebende Nase, das markige Kiun, die wuchtige Stirn und die finsteren Brauen, dazu einen Wulst schwarzer Haare, die un- gebändigt nach Freiheit strebten, und selbst wie er hier schlief, — ein Zustand in dem die Wildheit des Tigers sich sänftigt und der König der Wüste milde anzusehen ist, behielt er den Ausdruck trotzigen Grollens, verbissenen Grams.
Das Kind wollte eben den Mund öffnen, nm seinen Auftrag auszurichten, als es sich erfaßt und beiseite geschoben fühlte, nun erst ward es gewahr, was es bis dahin nicht bemerkt hatte, daß der von draußen ihm gefolgt. „Marsch, fort zu deinen Gänsen," raunte er ihm barsch in das Ohr und der Kleine, Männern gegenüber an Gehorchen gewöhnt, tappte sich verschüchtert hinaus.
Jetzt verriegelte der Eindringliug hinter sich die Thür, warf den schäbigen Hut auf die Diele: „Hollah, Robert!" rief er, „das Komite befiehlt dir aufzustehen."
Mit einem Ruck fuhr der Schläfer empor, starrte bestürzt auf den seltsamen Gast, sprang auf und machte eine Be» wegung nach dem Fenster, als ob es möglich wäre durch dasselbe einen Weg zur Flucht zu finden.
„Nanun, keine Dummheiten! sagte der andere, und dann lachte er.
Robert in Hemdsärmeln und ohne Stiefeln, mit seiner verwilderten Miene und dem ungeordneten Haar, machte allerdings einen sonderbaren Eindruck.
„Nimm dir zusammen, alter Sohn," fuhr der Fremdegelaffen fort: „wenn es etwas aufzuspürcn giebt, schicken sie den Wolf. „Er ist nicht über das Wasser, er hat sich wo verkrochen," sagte ich dem wohllöblichen Komite, und meldete es bei meinen guten Freunden, die wachsen wie die Pilze hier nnd dort im Lande, oder ziehen umher mit; dem Schleifrad oder als Hausierer oder auch als ein einspänniger Stromer. So kam ich dir auf die Spur, griff unten deinen Jungen
auf, und ließ mich von ihm in deine Höhle führen."
„Durch meinen Jungen?" Robert stand wie ein gereizter Stier.
„Immer findig," lachte der andere und rieb sich die Hände. „Nun bin ich da, Abgesander unseres Komites, und frage dich, Robert, genannt der Gistzahn, weßhalb entziehst du dich dem Aufträge den unser hochlöbliches Komite dir gegeben? Das Los hat entschieden, und dir die Ehre zuerteilt, den Polizeirat Müller abzustrafen, — dieweil er uns verfolgt hat, mit Feuer und Schwert. Du anstatt den Auftrag auszuführen, verduftest, — bis ich mich herablasse, als elender Handwerksbursche verkappt,dir nachzusetzen. Rechtfertige dich, — bist du ein Feigling,'oder hast du dieAbsicht, den Verräter zu spielen?"
Robert ballte die Fäuste. „Ihr habt mir nichts zu sagen," stieß er zornig hervor, „ich will nicht zum Mörder werden. Dulde keinen Zwang! Lasse ihn mir nicht gefallen, weder von oben noch von unten. Als freier Mann bin ich in den Bund getreten, als freier Mann scheide ich aus. Sag das dem Komite. Ich will mit dem Schwert kämpfen, wenn es nötig ist, aber nicht meuchlings auf Mord ausgehen. Ihr sollt wissen, woran ihr mit mir seid und nun scher dich hinaus! Die Kammer ist mein. Die Faust ist mein, und meine Ehre ist mein, das laßt euch gesagt sein.
Seine lodernden Augen, der Grimm der ihn schwellend machte, obwohl er nicht ohne eine geheime Bangigkeit zu sein schien, das alles wirkte für einen Augen- blick, selbst auf ein so freches Gemüt wie das des Fremden. Er faßte sich aber.
„Ich bin doch der Hund, der den Fuchs im Bau hat," sagte er, „stell dich oder ich zeige dir die Zähne. Wer in den Bund getreten ist, kann nicht wieder heraus. Das weißt du am besten. Du mußt dem Los folgen. Sie lassen dir drei Tage Zeit; hat er bis dahin nicht das Messer zwischen den Rippen, so bekommst du es!"
„Du Schuft! du Schuft!" brach Robert heraus und mit einem Sprunge rannte er gegen den ehemaligen Genossen an; die ohnehin schwache Thür gab nach, in einen Knäuel geballt, wälzten die beiden Männer sich am Boden, aber Robert, dem monatelang hinabgewürgter Groll die Kräfte eines Rasenden verlieh, gewann bald die Oberhand. „Hinunter nrit dir, hinunter:" Wolf fand sich unten wieder, er raffte sich empor und drohte mit der Faust hinauf. — Robert stürzte ihm nach, aber zwei Arme umschlangen ihn und hielten ihn fest, schwache Arme, die er mit einem Ruck wie Spinneweben hätte zerreißen können. Er besaß indessen nicht den Mut dazu. Seine Frau zog ihn bei Seite in die Müllerstube. „Nun ist alles hin," stöhnte er, und ließ seinen wirren Kopf am ihre Schulter sinken. Das war eine Stunde, in welcher er sich endlich gebrochen fühlte, wie ein Rohr, eine Stunde, die sie in ihrer liebenden Angst benutzte, um es aus ihm herauszubekommen, alles, alles!
Nun hatte das Gespenst, vor dem sie geflohen und sich zwischen den Bergen versteckt, eine Gestalt gewonnen, nun schwebte der blutige Dolch über ihnen, mitten im goldenen Licht des herrlichen Sommertages. (Forts, folgt).