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Schafe wurden über Bord gespült, 4 Pferde und 43 Maultiere getötet, einige durch das Fallen des Fockmastes und andere dadurch, daß sie von der über Deck gehenden See herumgeschleudert wurden. Alles auf Deck wurde durch die Schwankungen des Schiffes umherge- worfen. Auch unten war es nicht viel besser. Die Leute wurden von einer Seite des Schiffes zur andern geschleudert. Als die Nuddea nach Hongkong kam, sah sie wie ein Wrack aus; Masten, Reling und Boote waren dahin, das Deck machte den Eindruck eines Schlachthauses mit den toten Tieren, alle Haspeln und sonstige Deckausrüstungen waren bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert.
WnterHaltenöes.
Der weiße Hirsch.
Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.
(Fortsetzung.)
Rüdiger hatte sich hinter das Mauerwerk zurückgezogen. Also der weiße Hirsch war der gezähmte Liebling der Prinzessin, den sie großmütig eine edle Freiheit genießen ließ, der sie aber immer wieder aufsuchte, weil er sie und ihre Huld nicht zu entbehren vermochte. Das konnte er dem weißen Hirsch nicht verdenken. Sie koste und plauderte mit ihm. „Udo, mein armer Junge," hörte er sie sagen, „Du willst gewiß Brod haben" und sie wendete sich und verschwand hinter dem Vorhang, im Innern des Pavillons. „Nun wird sie ihm Brod hohlen," dachte Rüdiger. Das that sie jedoch nicht, sondern kam sehr bald mit leeren Händen wieder hervor, glitt die wenigen Stufen, welche zur Balustrade emporführten, hinab, und schwebte leicht dem Schlosse zu. Er meinte daß sie wieder kommen müsse, auch der Hirsch blieb wartend stehen, vielleicht weil er an diese Stelle gewöhnt war. Was aber wollte Rüdiger? Er konnte sich doch nicht von ihr aus der Hand füttern lassen, obwohl ein Mann, der sich in seiner Verfassung befindet, gern allerhand Thor- heiten anstellt. Nun denn, wenn man auch Sterne nicht begehren darf, man freut sich ihrer Pracht, ach und er hatte ein wenig Trost sehr nötig. Wie in einer andern Welt voll Glanz und Schöne, einer Welt, in der man von Sozialisten oder auch von Wilddieben nichts weiß, in der man Hirsche liebkost und mit Blumen spielt, sah er das Schloß und seine Umgebung vor sich liegen, — er wollte die Prinzessin noch einmal aus der Ferne bewundern, weiter nichts, — denn ihr die Anemonen zu überreichen, welche er noch in der Hand trug, das wagte er nicht.
So blieb er denn, und lange brauchte er auch nicht zu warten, denn sie kehrte bald zurück. Sie trug ein Bastkörbchen am Arm, in dem sich Brot befand und huschte die Stufen wieder hinauf, und lehnte sich über das Gitter. „So, mein Udo," sagte sie und der Hirsch hob schnuppernd die Schnauze. Doch es kam etwas dazwischen, Waldmännchen, der sich auf der Fährte eines Hasen heiser gekreischt hatte und nun, da er dem Hirsch nichts zu leide thun durfte, die Prinzessin für ein edleres Wild halten mochte, Laut bäffend fuhr der kleine energische Man»
die Balustrade hinauf, faßte das Gewand der Dame, als ob es gar kein Prinzes- sinenkleid gewesen wäre, mit den scharfen Zähnen und riß und zerrte barbarisch au den kostbaren Spitzen, daß die Fetzen umherflogen.
Rüdiger war für einen Moment wie versteinert, aber dann rauschte ihm das Blut zum Herzen, mit behendem Sprunge eilte er herbei, und über und über glühend, faßte er das Hündchen und schob es unsanft bei Seite. Waldmänncben, der jetzt keine Heldenthaten weiter verrichten kann, galoppirte, einen langen flatternden Spitzenstreifen im Maul, mit triumphirenden Sprüngen über den Grasplatz, während der Hirsch langsam an das Wasser trat und den schönen Kopf neigte, um zu trinken.
„Durchlaucht verzeihen," stammelte Rüdiger, es ist allerdings mein Hund, aber — aber —
„Wie edel, daß Sie ihn nicht verleugnen," entgegnete sie, und auf ihrem reizenden Gesicht kämpften, gleich spielendem Sonnenlicht, freudige Ueberraschung und eine gewisse Schelmerei, — „und wie liebenswürdig, mir meine Anemonen zu suchen! Wo in aller Welt haben Sie die gefunden," setzte sie gleich darauf hinzu, und sie streckte die Hand nach dem ^Strauß raus. „Durchlaucht, man sagt, diese Pflanze bedürfe des Windes um ihre Blüten zu öffnen, ich weiß nicht, ob dem so ist, jedenfalls pflückte ich sie auf der Höhe. Das Lager des weißen Hirsches befindet sich mitten in einem Kranz derselben, wir, das heißt Waldmann und ich scheuchten ihn aus und folgten ihm. Ich glaubte das Schloß nicht so nahe."
„Ja mein Udo kennt die heimlichen Pfade," erwiederte sie lächelnd, „besser als die fürstlichen Jäger, und doch ist ihm die hiesige Gegend noch fremd. Sie müssen wissen, — ich habe ihn in Schle- sien mit eigner Hand aufgezogen: fand ihn eines Tages, — ich war damals noch ein Kind — als ein halbverschmachtetes Milchkälbchen in einer Dornhecke, erst wenige Stunden alt. Darum liebt er mich so, — und ich will nicht, daß er im Gehege verkommt. In Schlesien lichten sich die Wälder, es ward mir gestattet, ihn hierher transportieren zu lassen, nun mag er springen nach Herzenslust! Er kommt ja doch immer wieder zu mir zurück, und der Fürst hat mir versprochen für seine Sicherheit zu sorgen. Um aber nichts zu versäumen, — sehen sie hier, — ich habe die Arbeit eben beendet, sogar das Glöckchen ist schon daran."
Sie hob ein breites mit Seidenstickerei bedecktes Band empor, an welchem eine Schelle befestigt war.
„Ich will es ihm sogleich umthun, rief sie lebhaft, und dann, sich über das Gitter hinausbeugend: „Udo, mein Lieb- ling, hieher!" Gehorsam trabte der Gerufene herbei. In ehrfurchtsvoller Bewunderung stand Rüdiger und sah zu, wie der Hirsch den stolzen Nacken bog u. nachdem die Dame ihm das Halsband nmgclegt hatte, liebkosend seine Wange an die ihrige schmiegte, während seine großen schwarzen Augen von einem sanften Glanz erhellt wurden. Darüber befiel ihn plötzlich ein heftiger Gram, er wollte lieber selbst der Hirsch sein, sei es
auch mit einer Kugel im Herzen. Sie blickte empor nnd sah ihn au, dann schob sie den Kopf des Tieres zurück.
„Ich weiß nicht," sagte sie zögernd, „was es ist, aber Sie kommen mir seit heute Vormittag verändert vor. Sie haben etwas Schreckliches erlebt, nicht?"
„Durchlaucht," stammelte Rüdiger.—
„Ich sah einmal eine Tanne," fiel sie ihm in das Wort, „die stand in frischer Kraft auf der Bergkante, die Sonne schien aus sie, die thüringer Luft umspielte ihren Wipfel, einige Stunden später kam ich, nachdem ein Unweiter getobt hatte, wieder an ihr vorbei. Sie erschien mir wie gebrochen, — senkte die Zweige und bis in das Mark geknickt, trauerte ihre Krone." (Forschung folgt.)
Gemeinnütziges.
— Reifes Obst ist ein Universalmittel zur Erhaltung der Gesundheit. Weintrauben, besonders die roten, reinigen das Blut, Pfirsiche bekämpfen schlechte Verdauung und verdorbenen Magen. Aepfel, besonders gekochte, sind für Kinder ganz unerläßlich zur Erhaltung einer guten Verdauung. Der Saft der Tomaten übt günstigen Einfluß auf Leber und Därme aus, der Melonensaft verjagt Fieber und Nierenkrankheiten. Bcombeer- Gelee vertreibt Husten, gekochte Zwetschgen sind Skrophulösen sehr zu empfehlen und Zitronensaft, in warmen Kaffee geträufelt, Hilst gegen Kopfschmerz, Obst ist, wie der„Prakt.Wegw." Würzburg, schreibt, eines der besten Vorbeugungs- und Heilmittel gegen viele Krankheiten.
Lokales.
Wildbad, 29. Okt. Gestern Nachmittag fand eine Versammlung von Vertrauensmännern verdeutschen Partei im „Bären" in Neuenbürg statt. Zum Vorsitzenden wurde auf Antrag des Hrn. Commerzienrat Schmidt Herr Lnst- naner aus Höfen gewählt, der die An- wesenden willkommen hieß und die Beratung eröffnete. Zunächst fragte Herr Stadtschultheiß Stirn, ob Herr Stadtschultheiß Bätzner das ihm in erster Linie zugedachte Mandat im Landtag annehmen würde, worauf dieser erwiderte, daß seit einigen Monaten Verhält- niffe in seiner Familie eingetreten seien, die ihn jetzt verhindern, sich dem Bezirk zur Verfügung zu stellen, und eine gün- stige Wendung sei in allernächster Zeit leider nicht zu erwarten. Die Versammlung drückte ihr aufrichtiges Bedauern aus und die Stimmung war etwas ge- drückt, namentlich als man sah, daß keine Neberredung ihn in seinem Entschluß wankend machen konnte. Hierauf wurde Hr. Privatier Weiß in Ottenhausen in Vorschlag gebracht und nach längere« Verhandlungen beschlossen, ihm, weil Hr. Stadtschultheiß Bätzner auf seiner Weigerung beharre, das Mandat anzubieten. Eine diesbezügliche Anfrage ging telegraphisch an Herrn Weiß ab, der später selbst in der Versammlung erschien, den Anwesenden für ihr Vertrauen dankte und sich bereit erklärte, die Kandidatur anzunehmen.