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Soden ist der zweite Offizier, der nach Korvetten-Kapitän Lans den Orden pour le merite erhalten hat, und es ist interessant, daß in beiden Fällen diese hohe Auszeichnung verliehen wurde für Thaten, die nicht nur von hohem persönlichem Mute zeugten, sondern auch große militärische Erfolge waren. So wie das Verhalten des Kapitän Lans den Fall der Taku-Forts entschied, so rettete das des Grafen Soden die Mitglieder der Gesandtschaft und die deutsche Kolonie Pekings vor grausamer Ermordung. Ganz besonders freut es uns, daß auch die Soldaten neben ihrem Führer nicht leer ausgegangen und nicht vergessen worden find. Die Verleihung des Militärehrenzeichens erster Klasse an sämtliche Soldaten des Soden'schen Detachements ist eine Auszeichnung, deren nur wenige Soldaten in unfern früher» Kriegen teilhaftig geworden sind. Das dem Eroberer einer chinesischen Fahne verliehene Militär-Verdienstkreuz ist die höchste Auszeichnung, die bei Gemeinen und Unter- offizieren überhaupt in Frage kommt.
— Ein hübsches Geschichtchen ereignete sich vor kurzem, wie dem „Berl. Börsen- kourier,, aus postalischen Kreisen gemeldet wird, in einem Berliner Vorort. Eine Dame in Suhl in Thüringen, die von „Postaufträgen" gehört, jedoch das eigentliche Wesen dieser zweckmäßigen modernen Einrichtung offenbar nicht erfaßt hatte, sandte an die betr. Postanstalt des Vororts unter der Bezeichnung „Postauftrag" einen Brief. Dieser enthielt einen Fünfmarkschein und den Auftrag, für dieses Geld ein recht hübsches Bouquet zu kaufen und es an die Frau Schwiegermutter in sps, Frau Rentier R. daselbst, deren Geburtstag am soundsovielten sei, abzuliefern. Diesem ebenso naiven, wie erheiternden Auftrag gegenüber wollte die Postbehörde nicht den starren Bureau- kratenstandpunkt geltend machen. Es wurde zu einem Gärtner gesandt, ein stattliches Bouquet eingekauft und dem veburtstagskinde rechtzeitig überbracht. Nachdem dies geschehen, wurde die Briefschreiberin benachrichtigt, daß die Angelegenheit pünktlich erledigt worden sei, gleichzeitig aber hinzugefügt, daß man unter „Postauftrag" denn doch etwas wesentlich anderes verstehe, als die Schrei- berin gedacht habe, und daß die Post nicht verpflichtet sei, derartige „Aufträge" auszuführen.
UnterHcrttsnöes.
Der weiße Hirsch.
Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.
(Fortsetzung.)
Es war erreicht, vor ihnen lag die Welt in heiter glänzender Schöne: ein feiner bläulicher Dufr umschleierte die Ferne.
„Die Wälder atmen," sagte Rüdiger.
„Was denn?" fragte sie.
„Frühlingsduft!" antwortete er und wie er über sich den blauen Himmel sah, wußte er nicht mehr recht, war das oben ihr Ange oder hatte der Himmel sich verirrt, und lachte ihn nun tief und schön aus ihrem seelenvollen Blick an. Ein Schwindel ergriff ihn, ein vorahnend Schauen, — daß er zu hoch sich verstiegen,
und daß ungestillte Sehnsucht sein Teil sein würde, — für alle Zeit.
Er war ja kein moderner Mensch — einen Ausflug nur hatte er unter die Genossen des neunzehnten Jahrhunderts gemacht, um unveränderten Wesens in seine heimischen Wälder zurückzukehren. Die grüne Einsamkeit, die für den Kundigen doch alles Lebens voll ist, hatte ihn gebildet. Was ihm die Tannen gerauscht, was ihm der Wald geplaudert, was ihm die Vögel zngesungen, und das Weben und Walten Blatt und Kraut ihm vorgebildet, das hatte ihm Gott gegeben in Tönen zu sagen, und die Gesellschaft seiner Geige ihn dem Verkehr mit ober- flächlich Gesinnten fern gehalten. Wer aber so lebt, in dem steigen die stillen Wasser und es sammeln sich die elementaren Gewalten, und mit der Urkraft des Empfindens Hand in Hand gestaltet sich der Charakter zu einer einfachen, wie aus einem Marmorfelsblock gehauenen Größe. Alles so deutsch an ihm, in ihm, das ahnende Grauen auch, welches ihn vor Liebe, der sv plötzlich gekommenen, erschauern ließ.
„Du bist das, du?" sagte ihr sein ernster fragender Blick, „du der bessere Teil meines Ich? du die Einzige, welche Herz von meinem Herzen, mir Gehülfin sein könnte auf der Erde und jenseits derselben in der Ewigkeit? Du meine Musik, mein Wald, mein Reh, das ich jage, du meine Amsel im Sonnen-, und Nachtigall beim Mondenschein? Du meine Blume, die ich finde, wie jener Hirt sie fand, um durch sie alle Schätze der Tiefe sich zu erschließen? Es war so gewaltig, es drohte ihn zu ersticken. Er riß sich den Rock auf. Unter ihnen gähute ein steiler Absturz, eng schmiegte sich der Pfad an das Gestein.
„Ist es nicht doch ein wenig gefährlich, hier hinabzusteigen?„ fragte sie.
„Nicht, wenn es mir gestattet wird, Sie zu führen!"
Schweigend legte sie ihren Arm in den seinen. Es lag so viel Vertrauen in dieser einfachen Handlung und sehr viel mädchenhafte Anmut in der Art und Weise, wie sie ausgeführt ward. Ein sehr inhaltsvoller und beweglicher Spa- ziergang, ganz wie das Bild einer glücklichen Ehe, daß er sie stützen mußte, wo Gefahr drohte, daß sie zuweilen inne hielt und ihm, wie sie scherzend sagte, zum Lohu für seine Anstrengung einige Erdbeeren pflückte, daß ihnen hier Blumen am Wege blühten dort Geröll und scharfkantige Steine die Wauderung sauer machten. Einmal auch rasteten sie an einer Quelle — von Vergißmeinnicht umblüht.
„Ist das nun sentimental, sich über solchen lieben kleinen Freundinnen zu freuen?" fragte sie.
„Ist das nun sentimental, wenn eine Saite erklingt?" erwiderte er, — „auf diese Blumen hat das deutsche Volk ein Recht. Ich mag sie weniger in Gärten veredelt, verpflanzt aus andern Zonen in unsere Erde, Heller oder dunkler gefärbt, als wir sie kennen. Vergißmeinnicht ist für mich nur eins, — dies da, das in der Freiheit im lebendigen Wasser blüht; wenn ich ihm begegne, erklingt in mir eine Saite, — eine nur, ich meine, wenn ich danach auf der Geige spie wird es ein Volkslied. Ich weih b das senti
mental genannt wird, — aber wenn auch, was geht mich das an? In mir ist es nun einmal sv, und zehrt nicht von fremdem Beifall, und stirbt nicht an fremder Mißgunst."
„Sie treiben Musik?" fragte sie.
„Wie alle Thüringer! Gerade genug für den Wald. Wo es so viele Vögel giebt, kann man eben nicht anders."
„Ich hörte Sie gern einmal spielen!" Sie sah nachdenklich aus, und erhob sich dann rasch. „Wir müssen unser« Weg fortsetzen."
Er bückte sich und pflückte, „darf ich Ihnen das geben?" sagte er nicht ohne herzliche Traurigkeit. Sie nahm das Sträußchen, dankte mit einer leichten Neigung des Kopfes und behielt es in der Hand. Sie bogen um eine Ecke, — da hoben sich wieder vvn saftgrünen Wiesen aufsteigend die bewaldeten Höhen. Am Fuß der einen zog sich die Straße hin. „Dort ist der Dachsberg," und er wies gerade vor sich.
Im Schatten der Alleenbäume hielt eine Equipage, ungeduldig stampften die prächtigen Renner deu Boden, ungeduldig auch schaute der reich betreßte Diener nach den Ankommenden aus. Kaum hatte er sie gewahrt, so sprang er vom Bock herab und öffnete ehrfurchtsvoll deu Schlag.
Das Fräulein ließ Rüdigers Arm fahren. Leicht wie eine Sylphe hob sie sich, als wollte sie ihm davonflattern, und dann saß sie im Fond des mit seidenen Kissen gepolsterten Wagens. „Wenn Sie den weißen Hirsch sehen, grüßen Sie ihn von mir" — das klang ihm noch von fern her im Ohr, — auch als er nichts mehr zu sehen vermochte, als nur noch ein dumpfes Rollen den Boden erschütterte. Dahin, dahin! dem weißen Hirsch nach, — verschwunden hinter den Bergen, fortgeweht wie ein Blumenblatt.
Er stand totenbleich. Eine rote Wolke legte sich zwischen ihn und die Welt, sein Auge blickte starr. Was aber war denn geschehen, was ihn den mannhaften, so erschütterte? Er hatte auf der Livrö des Dieners und des Kutschers, sowie auf dem Schlage des Wagens die Abzeichen seines Landesfürstsn erkannt. Höhnisch schienen hinter ihm die Bergkobolde zu lache«: „Jetzt kenn ich dich, Gott steh mir bei, du bist die Hexe Loreley", denn zu gleicher Zeit war ihm der vergangene Abend in das Gedächtnis gekommen, an welchem sein Vater aus der Zeitung vorgelesen: „Ihre Durchlaucht Prinzessin Beatrix ist von ihrem Aufenthalt in den Pyrenäen im besten Wohlsein zurückgekehrt, und gedenkt einige Wochen auf dem Jagdschloß Wolfs, leben zuzubringen." — „Prinzessin Bea- trix! Dich hat mir Gott nicht beschieden!" Er drückte den Hut in die Stirn. Fahr hin, Sommertagstraum, zu teuer bist du erkauft!" Er biß die Zähne übereinander.
'(Fortsetzung folgt.)
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