— 339 —
europäischer Kinder auf Speeren getragen, und ihre Kameraden auf die Körper geschossen haben, bis die weiße Haut rot von Blut war. Die Redaktion des „Expreß" bemerkt hierzu, sie unterdrücke noch einige Einzelheiten, weil sie zu schrecklich seien. Derselbe Korrespondent teilt ferner mit, daß sich um Peking 300 000 Boxer und Soldaten, mit den modernsten Waffen versehen, befinden. Ueberall proklamierten sie den Krieg gegen alle Europäer. Der Kaufmann will auch gehört haben, daß in allen Vertragshäfen die Europäer niedergemetzelt werden sollen, gleich wie im Innern. Auf den Kopf eines Europäers sei hohe Belohnung gesetzt. Allen wird reiche Beute zugesagt. Prinz Tuans Generale weisen besonders darauf hin, daß die Truppen Gelegenheit haben werden, die Körper weißer Frauen zu erbeuten.
Sämtliche aus China eingehende Nachrichten lauten übereinstimmend dahin, daß der Aufstand lawinenartig wächst, und bereits den ganzen Norden ergriffen hat. Es wird nicht lange dauern, so wird er auch im Zentrum und Süden ausbrecheu. Während sonst bekanntlich in dem ungeheuren Reich nichts weniger als Einigkeit herrscht, treten diesmal alle Unterschiede, alle Zwistigkeiten zurück hinter der Losung: Tod den Fremden. Alle genauen Kenner der Verhältnisse stimmen darin überein, daß die eigentliche Ursache und Triebfeder sozialer Natur ist. Das Elend unter den Massen infolge der Mißernte (es hat in vielen Gegenden seit Oktober nicht geregnet), soll aller Beschreibung spotten und demjenigen in Indien in nichts nachstehen. Genaues darüber wird man wohl nie erfahren. Prinz Tuan und die im Bunde mit ihm stehenden Priester haben nun seit Monaten überall gepredigt, daß an der Hungersnot und dem Elend einzig und allein die weißen Teufel schuld seien und dadurch die Massen fanatisiert. S» berichtet u. a. auch ein Kaufmann aus Charlottenburg, der mit seiner Familie seit 11 Jahren in Peking ansässig ist, unter dem 24. Mai. Er hat sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Der Haß gegen d>e einheimischen Christen ha>t nicht eigentlich religiöse Be- weggründe, denn der Chinese ist im allgemeinen in religiösen Dingen sehr duldsam, solange man seine Gräber und seinen damit verbundenen Ahnenkultus achtet. Man betrachtet die Christen aber als Verbündete und Mithelfer der weißen Teufel und diesem Umstand fallen sie tausendweise zum Opfer.
Mit der Reise Li-Huug-Tschangs nach Peking tritt die Entwicklung der chinesischen Krisis in ein neues Stadium. Der geriebenste Staatsmann, über den das chinesische Reich verfügt, soll jetzt den Retter in der Not spielen. Einmal soll er den Boxeraufruhr beschwören und wieder geordnete Zustände im Innern Herstellen, sodann aber, und das wird seine Hauptanigabe sein, den Zorn der fremden Mächte zn beschwichtigen und durch diplomat. Verhandlungen einen gemeinsamen Vergeltungskrieg abwenden. In dieser Beziehung wird man darauf gefaßt sein müssen, daß er vornehmlich bestrebt sein wird, die fremden Mächte zu trennen, die eine gegen die andere auszuspielen, ein Geschäft, das, so wie, die Dinge liegen, leider gar nicht aussichtslos
ist. Es wird sehr schwierig sein, dem Programm des Grafen Bülow gemäß die Mächte bis zur Durchführung der Sühne einträchtig zusammen zu halten.
Vermischte-
Rezept zurBeerweinbereitung. Ein sich durch Jahre bewährtes Rezept ist nach den Angaben des Herrn Dr. Neß- ler folgendes: 24 Pfund Beeren geben 10 Liter Saft; zu diesen 10 Liter Saft nimmt man bei Johannisbeeren 30 Ltr., bei Stachelbeeren 18 Ltr. und bei Heidelbeeren 24 Liter Wasser. Es muß die an- gegebene Menge Wasser genommen wer- den, damit der Wein nicht sauer schmeckt, Je nachdem man einen schwächeren oder stärkeren Wein machen will, muß nun mehr oder weniger Zncker zugesetzt werden. Will man Haustrunk bereiten, so nimmt man bei Johannisbeeren auf 10 Ltr. Saft 10 Psd. Zucker, bei Stachelbeeren auf 10 Liter Saft 6,5 Pfd. Zucker, bei Heidelbeeren auf 10 Liter Saft 8,5 Pfd. Zucker, um einen Tischwein 'zu erhalten, braucht man auf 10 Liter Saft bei Johannisbeeren 13 Pfd. Zucker, bei Stachel, beeren 8,6 Psd. Zucker, bei Heidelbeeren 11,2 Pfd. Zucker. Wer einen starken Wein haben will, nehme zu 10 Liter Saft bei Johannisbeeren 18 Pfd. Zucker, bei Stachelbeeren 12 Pfd. Zucker, bei Heidelbeeren 15 Pfd. Zucker. Jede Haus- srau wird nun bei jeder Menge Beeren, welche ihr zur Weinbereitung zur Verfügung stehen, leicht ausrechnen können, wie viel Wasser und Zncker verwendet werden müssen. Damit die Gährung rasch von statten geht, bringe man für je 100 Liter Wein 3 Pfund Zibeben, welche vorher abgewaschen nnd zerschnitten werden, in das Faß. Die Fässer sind, ehe der Wein eingefüllt wird, auszuspülen, überhaupt müssen dieselben rein sein, auch ist dafür Sorge zu tragen, daß der Wein eine Temperatur von 12—16 Grad k. hat. Bei dieser Tem- peratur geht die Gährung am besten vor sich. Schutz der gährenden Flüssigkeit vor Luft ist unbedingt nötig, wenn man Wein und nicht Essig bekommen will. Deshalb bringt man aus das Faß einen Gährspunden, resp. eine Gährröhre, welche auf dem Faß gelassen werden kann, nenn der Wein verzapft wird. Diese Gährröhre dient dann als Kuhnenhüter.
Unter haltendes.
LenchW.
Eine Erzählung von Dr. Emil Fr eiburger (Fortsetzung.! (Nachdruck verb.)
Beim Frühstück ging es lebhaft zu. Die ganze Kindergesellschaft sprach nur vom gestrigen Briefe, vom Onkel und von Amerika. Jedes wollte seinen Traum erzählen, und wer nicht geträumt hatte, bildete sich ein, er habe geträumt. Das eine der Kinder hatte ein Schiff im Sturm, das andere ein Fahrzeug in Flammen, das dritte eine Seeschlange, das vierte des Onkels Haus, das fünfte den Onkel selbst gesehen. Franz aber scherzte nnd sagte:
„Nun, Lenchen, was hast denn Du geträumt „ Und warum bist Du denn so früh aufgestanden? Hast Du am Ende gar schon Dein Bündelchen geschnürt? Wann reisest Du denn ab?"
„Sogleich nach dem Mittagessen, lieber Franz. Stopfe nur Deinen Schülsack, wenn Du mitwillst, und vergiß auch nicht
Deine Birnen, die Du auf dem Heuboden versteckt hast, mitzunehmen. Der Weg ist weit und einen großen Zehrpfennig giebt uns der Vater nicht mit. Gelt, Vater?"
So gab Lenchen scherzend und strafend dem Franz Antwort. Der Vater aber nreinte zu Franz:
„So? Hast Du mir wieder einmal unreifes Obst von den Bäumen geschlagen und in das Heu gesteckt? Wozu verbiete ich Dirs denn?"
Franz wurde über und über rot und stotterte:
„Nein, Vater, diesmal schlug ich kein Obst von den Bäumen; nur das herab, gefallene las ich auf und steckte es ins Heu. Die Mina kann es bezeugen."
„Ist es wahr, Mina? Der Franz geht nicht immer mit der Wahrheit um", forschte der Vater.
Mina hustete etwas verlegen und baumelte sich dann mit ihren Beinen unter dem Tische Mut zu.
„Nun, heraus damit! Nur nicht verlegen, Mina!" mahnte der Vater.
»Ja", sagte sie, „es ist wahr. Franz schlug keines herunter. Er gab mir nur den Bvhnenstecken in die Hand, und da stieß ich an drei schöne, kleine Jakobs- äpfel, die aber nicht herunterfallen wollten. Weil wir aber dann hörten, wie Du dem Sultan pfiffst, so warf ich schnell den Bohnen stecken weg."
„Siehst Du, Franz", sagte der Vater, „wie Du mir die anderen verführst. Noch ein einziges Mal will ich so etwas hören, dann spanne ich Dir fest die Hosen, und die Bohnenstecken sind dick und hart."
„Dem Lenchen that es leid, daß sie den Franz durch ihre Bemerkung in solche Gefahr brachte und sie sagte freundlich
„Im Ernst, Franz, wenn ich einmal nach Amerika zum Onkel sollte, so nehm' ich Dich gerne mit, um nicht mit fremden Leuten reisen zu müssen."
Nachdem die Kinder alle bis auf Lenchen und Frida vom Tisch aufgestanden und hinausgegangen waren, sagte die Hanfbäuerin zu ihrem Manne:
„Gieb mir doch einmal Onkels Brieflich möchte ihn noch einmal lesen."
»Ich habe ihn gerade nicht bei mir", meinte er.
„Wo hast Du ihn denn?"
„Ich legte ihn heute Morgen, ehe ich auf den Krautacker ging, in den Sekretär".
„Warum denn nicht auf den Sekretär unter den Hund, wo Du doch sonst immer Deine unerledigten Briefschaften beschwerst ? Es liegt auch noch die Kaffeerechnung darunter. So gehe und gieb mir den Brief heraus und auch das Geld für den Kaffee. Du hast ja gestern, wie es scheint, etwas eingenommen".
Der Hanfbauer fühlte, wie er bei diesen Aufforderungen immer tiefer in seinen Sessel hineinwuchs.
Darauf sagte er zu Lenchen:
„Du könntest die Setzlinge, die Du aus dem Garten genommen hast, in den Keller legen, damit sie nicht welk werden. Die Mutter will ja ohnehin, daß wir sie erst heute abend nach Sonnenuntergang setzen."
Lenchen verstand den Wink u. frag noch:
„Soll ich dem Martin sagen, daß er auch das Brett wieder ausI dem Bach nimmt
„Nein, Lenchen, das Brett kann drin bleiben."