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so habe die Kaiserin die Absicht, zuerst den Kaiser Kwangsi und dann sich selbst zu töten. (M. N: N.)
Brüssel, 20. Juni. Die „Jndepen- dance Belge" erfährt aus diplomatischer Quelle, daß die Mächte übereinkamen, die Integrität des chinesischen Reiches zu wahren, die Kaiserin-Regentin abzusetzen, dem Kaiser Kwangsu alle seine Rechte wiederzugeben, jedoch unter Mitwirkung einer europäischen Kontrole; jede Gebietserweiterung seitens der Mächte soll vorläufig ausgeschlosseu sein.
London, 19. Juni. Das Reutersche Buceaustneldet aus Shanghai: Nach einem hier aus Tschenpfu eingetroffenen Privat- telegramm ist in Sztechwau die Revolution ausgebrochen.
— Der „Daily Expreß" meldet aus Shanghai: Aus Dhifu, von wo bis jetzt zuverlässige Informationen gekommen sind, wird gemeldet, daß die chinesischen Truppen und der Mob, wütend über die Nachricht der Zerstörung Takus, sämtliche Fremden mit ihrem Personal in Peking ermordet hätten. Die Gesandtschaften sollen verzweifelt gekämpft und sich erst ergeben haben, als die Munition erschöpft war. Die chinesischen Verluste sollen entsetzlich sein, da der Sieg nur durch rücksichtslose Aufopferung des Lebens möglich war. Doch wollen die hiesigen Fremden nicht an die Nachricht glauben. Aus Sczechnau kommen Nachrichten, wonach alle chinesischen Christen ermordet und einige Fremden bedroht sein sollen. Aus Hankau kommen ähnliche Nachrichten. In Wuhu hat das revolutionäre Element die Oberhand und macht gemeinsame Sache mit den Beamten.
Wnt er Ha ltenöes.
Die Rache.
Von Franz Völkner.
(Nachdruck Verb.)
Es ist ein Januar und bitter kalt.
Der Revierförfter Freimuth kehrt spät aus dem Forste heim. Er beschleunigt seine Schritte, um sich zu erwärmen und weil er sich nach seinem traulichen Heim und seinem jungen Weibe sehnt.
Da schlägt sein Hund an und schnuppert in der Luft umher, steckt die Schnauze auf den Waldboden uud läuft in das Holz zur Linken.
Sein Herr, aufmerksam werdend, folgt ihm. An einen Baumstamm gelehnt, sitzt da mit blaugefrorenen Lippen und Händchen schlafend ein etwa sechsjähriges Mädchen.
Als der Förster ihren Kopf emporgerichtet und ihr in das aschfahle schmale Gesicht schaut, da murmelte er unwillkürlich: „Armes Kind!"
Es ist das Töchterchen seines Knechtes Helwig das, wahrscheinlich beim Reisigsammeln von der Kälte müde geworden, so nahe dem schützenden Forsthause, hier draußen schlafend dem sicheren Tode ent- gegengegangen wäre, hätte des Hundes Spürsinn sie nicht noch rechtzeitig entdeckt.
Hier thut schnelle Hilfe noth. Er nimmt also die Kleine auf die Arme und trägt sie in seine warme Wohnung.
Seinen und seiner Frau vereinten Bemühungen gelingt es endlich nach geraumer Zeit durch Waschen mit Schnee, Reiben mit wollenen Tüchern und Bürsten
die Verunglückte wieder ins volle Bewußtsein zurückzurufen.
Die Förstersfrau flößt ihr dann heißen Thee ein und packt sie fürsorglich in ihres Mannes großes Bett, ws die Kleine alsbald in tiefen Schlaf verfällt.
Der Förster schließt die Fensterladen, bläst die Lampe in der Kammer aus und geht darnach in tiefen Gedanken im Nebenzimmer auf und ab.
Ihn bewegt des Kindes Schicksal und das — ihres Vaters.
Dieser, früher Taglöhner in dem benachbarten Dorf, ist erst vor vierzehn Tagen aus dem Gefängnis zurückgekehrt. Er, Freimuth, hatte sich damals genöthigt gesehen, seine Bestrafung zu beantragen, denn Helwig, schon einigemale von ihm beini Holzstehlen ertappt, hatte sich von ihm nicht warnen lassen und daher seine abermalige Unredlichkeit jetzt mit einer Freiheitsstrafe büßen müssen.
Zuvor war er vor der Rache des als gewaltsam bekannten Helwig gewarnt worden: aber das bekümmerte ihn nicht, denn höher als jede kleinliche Furcht stand ihm die Erfüllung seiner Pflicht.
Als dann aber der aus dem Gefängnis zurückgekehrte Dieb keine Stellung erhalten konnte, da hatte er ihm, um ihn vor Noth und Verbrechen zu schützen, eine Stelle als Knecht bei sich angeboten; und Helwig hatte mit einer Bereitwilligkeit zugegriffen, die hätte auffallen müssen, wäre sie nicht durch seine augenblickliche Nothlage erklärt erschienen. Nie hatte er es in seinem neuen Dienst an Fleiß, Anstelligkeit und Dienstbefliffenheit fehlen lassen.
Wie früher, so auch in dieser Zeit hatte sich Helwig nie an irgend einen Menschen näher angeschlossen. Nur seine Frau hatte davon eine Ausnahme gemacht. Sie hatte er rreu und aufopfernd geliebt und als sie vor etwa Jahresfrist gestorben, da mar er gegen die Außenwelt womöglich noch verschlossener geworden: seine ganze Liebe galt nun seinem Kind.
Bei diesem Punkte seiner Betrachtungen angelangt, erinnert sich Freimuth plötzlich daran, in welcher Angst sich Helwig befinden müsse, wenn sein Kind zu so später Abendzeit noch nicht heimgekehrt ist.
Er setzt daher den Hut auf, tritt noch einmal zu der Kleinen, die jetzt tief und regelmäßig athmet, überläßt sie dann der Obhut seiner Frau und öffnet die Thür zum Flur.
Da kracht ein Schuß!!
Seine Frau fährt mit gellendem Aufschrei empor und starrt wie entgeistert zur Schlafkammerthür, von wo her der Schuß erdröhnte.
Auch das Kind wacht mit wimmern- dem Laut aus tiefem Schlafe auf.
Einen Moment steht der Förster starr, keines Gedankens mächtig, dann aber ist er mit einem Satz an der Hausthür, reißt dieselbe auf und stößt im nächsten Augenblick mit Helwig zusammen, der, die abgeschossene Flinte in der Hand, hinter dem Hause hervor blindlings gegen ihn anrennt.
Mit fester Faust packt Freimut die Schulter des Mannes, sodaß er>rn die Knie stürzt: doch ist es wohl noch etwas anderes, was ihn zu Boden zwingt; er starrt den Förster an wie eine Geistererscheinung, während seine Arme schlaff am Körper hernieder hängen und seine
Lippen murmeln: „Jetzt ist's aus, . . schlecht gezielt . . macht mit .... mir . . . was Ihr . . wollt;" und dabei läßt er sich willenlos von Freimuth in die Stube führen.
Als dieser ihn aber in das Schlafzimmer ziehen will, sträubt er sich heftig.
„Aber Eure Tochter ist da drinnen."
„Wo?" fragt jener unsicher; und in seinen Augen flackert es auf wie irrsinnige Angst.
„Da drinnen in meinem Bett. Ich habe sie halb erfroren aus dem Walde nach Hause und zu Bett gebracht."
Aber Helwig hört nichts mehr.
Er reißt die Thür zur Kammer auf und wirft sich über sein Kind, betastet es mit zitternden Händen und bricht, als er es unversehrt findet, in ein erschütterndes Schluchzen aus, das sich schließlich in einen heißen Thränenstrom auflöst.
Da legt sich leise des Försters Hand auf seine Schulter. Freimuth ist ihm gefolgt und kann sich die gewaltige Ge- müthserschütterung seines Knechtes nicht erklären.
Während sein Blick über das Bett gleitet, sieht er, daß Federn auf demselben zerstreut liegen. Von der Wand ist Kalk abgefallen. Als wäre ein Blitz vor ihm niedergefahren, so klar ist ihm mit einem Schlage Alles:
„Helwig! was wolltet Ihr thun?"
Er wendet sich von dem Unglücklichen, der sich, todtenbleich, mühsam aufrichtet, nach dem Fenster. Die Scheibe ist zersplittert und der Laden zeigt ein Loch wie von einer Flintenkugel.
»Ja, Herr Förster," beginnt nun der Knecht gefaßter, doch mit bebender Stimme, ich wollte blutige Rache an Ihnen nehmen und schoß, um vor Entdeckung sicher zu sein, hier durch das Fenster in Ihr Bett! Ich wollte sie tödten. Nur ein Wunder hat mich vor einem Mord und Sie und mein Kind vor dem Tode bewahrt."
Er bricht schaudernd ab. Als aber Freimuth ihn noch immer seltsam bewegt ansieht, fügte er stockend hinzu: „Ich stelle mich morgen selber dem Gericht, um für die Unthat zu büßen."
„Und Euer Kind?" fragte jener; der andere blickt hilflos zur Seite und preßte verzweifelnd und flehend die Hände in einander. „Nein, lieber Helwig," und er schaute ihm dabei fest Auge, „das werdet ihr nicht! Was Ihr gethan habt, war erbärmlich und feig. Einmal habt ihr meine Hoffnung, die ich auf Euch gesetzt, getäuscht; aber ich vertraue Euch zum zweitenmale, Ihr bleibt in meinem Dienst, und ich weiß, von heute ab seid Ihr mir treu!"
Stcindesbuch - KHronik
der Stadt Wildbad. vom 15. bis 22. Juni 1900-
Geburten:
12. Juni. Bott, Karl Albert, Dienstmann 1 T. 12. „ Treiber, Joh. Friedr., Taglöhner 1T.
16. „ Dürr, Karl Wilh-, Fabrikarbeiter 1 T.
16. „ Pfeiffer, Christof Friedr., Fuhrmann
1 Sohn.
Gestorbene:
18. „ König, Ludwig Friedrich, Holzhauer
von Dobel, 62 Jahre alt.
SO. „ Dreher, Eduard Otto Hermann, Sohn des Achatschleifers Eduard Dreher, 2 Monate alt.
21. „ Schmid, Johann Ulrich, Sohn des
Hausdieners Johann Ulrich Schmid hier, 2 Monate alt.