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Eine bedenkliche Schattenseite des Pariser'Ausstellungsarrangements ist der absolute Mangel an Vorkehrungen gegen Feuersgefahr. Wäre z. B., so bemerkt die Autorite", während des Eröffnungsaktes eineFeuersbrunst imFestsaale ausgebrochen, so wäre eine noch weit schrecklichere Kata­strophe zu beklagen gewesen, als seiner­zeit bei dem Brande des Wohlthätigkeits- bazars. Wegen Mangels an Ausgängen wäre kein Festteilnehmer entronnen. In unmittelbarer Nachbarschaft des Festsaales liegt der Elektrizitätspavillon. Es hätte nur eines einzigen Funkens bedurft, um alle diese leichten provisorischen, aus rasch entflammbaren Stoffen bestehenden Bau­lichkeiten in Brand zu setzen. Und was von dem Festsaale gilt, trifft auf die Aus- .stellung im Allgemeinen zu. Sämtliche Pavillons ermangeln der Vorkehrungen um eine rasche Räumung derselben im Falle eintretender Feuersgefahr zu be­werkstelligen, denn um nur ja eine möglichst genaue Kontrole der Ausstellungsbesucher zu ermöglichen, sind überall Turniquets angebracht, nirgends aber ist die Mög­lichkeit einerplötzlich ausbrechenden Massen­panik in Erwägung gezogen.

Man berichtet aus Paris: Am 28. Oktober v. I. nahm ein Herr M. für die erste Aufführung vonTristan und Isolde" im Nouveuu-IRäutrs zwei Logen für 320 Frs., erschien aber mit seinen Gästen erst einige Minuten nach Beginn der Vorstellung. Kapellmeister Lamoureux hatte sich ausdrücklich verbeten, daß die Vorstellung durch das Zuspätkommen der Zuhörer gestört werde, und deshalb trugen die Theaterkarten auch die Bemerkung, daß der Einlaß in den Saalwährend der Vorstellung" nicht gestattet sei. Herr M. mußte fünf Viertelstunden warten, verließ dann aber das Theater und ver­klagte die Veranstalter der Vorstellung auf Schadenersatz. Das Handelsgericht hat nun die Klage als unbegründet zu­rückgewiesen, da Herr M. wissen mußte, welchen Unannehmlichkeiten er sich durch das Zuspätkommen aussetzte.

Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Explosion der Geschützfabrik Beg- bie in Johannesburg auf eine englische Verschwörung zurückzuführen ist. Als der Hauptschuldige gilt der Besitzer der Fab­rik selbst, beziehungsweise dessen Sohn, der Engländer ist. Er steht im Ver­dacht, die Explosion der Fabrik, die 80 000 Pfund Wert hat, veranlaßt zu haben, um sich dafür zu rächen, daß er gezwun­gen worden war, Munition für den Feind seines Landes herzustellen. Einige Ar­beiter sollen eine elektrische Vorrichtung gesunden haben, mittelst deren Nitro­glycerin entzündet wurde. Die Verun­glückten sind meist Italiener und Oester, reicher. Das Begräbniß machte einen ergreifenden Eindruck und steigerte die Empörung der Arbeiter, die drohen, je- den Engländer niederzustechen, falls die Regierung von Pretoria sie nicht über die Grenze schafft.

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Der zweite Schuß.

Volkserzählung aus dem Böhmerwalde von

Maximilian Schmidt

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Dem Mädchen wäre es freilich lieber gewesen, wenn er auf die Waffe ganz

> verzichtet und sie im Walde gelassen hätte, aber Girgl wollte das ihm so teure Familienerbstück nicht missen. Er wechselte daher rasch den Gesprächsgegenstand und sie sprachen über ihre Liebe, womit sie noch lange nicht fertig geworden wären, wenn nickt das Eintreten von Girgls Mutter dieser Unterhaltung eine andere Wendung gegeben hätte.

Die alte Frau freute sich über das Einverständnis der beiden jungen Leute und gab tief gerührt dem Mädchen die Versicherung, daß sie nichts sehnlicher gewünscht, als dasselbe zur Schwieger­tochter zu erhalten, und daß von heute an ein neues Glück in ihrem Häuschen einziehen werde. Es war dann vereinbart, daß Girgl in den nächsten Tagen zu Katherls Eltern aus dieFrei" kommen würde.

Im Laufe des Nachmittags verließ Girgl sein Haus, die Klarinette unterm Arm. Er grüßte nochmals zu dem Mäd­chen hinüber, das er nunmehr für gewiß sein eigen nennen durfte. Katherl blickte ihm mit eigentümlichem Gefühle nach. Es war ihr so weh ums Herz, sie hätte weinen mögen, es war, als ob eine dunkle Wolke über das lichte Glück ihres Herzens herabgesunken wäre.

An der Stelle, wo der Weg, den Girgl verfolgte, in eine kleine Waldparzelle führte, setzte der junge Mann sein In­strument an den Mund und blies noch­mals ein lustiges Stücklein. Ein leises Lüftchen trug die Töne hin zu der Ge­liebten. Dieser schien es, «cks wären es Abschiedsklänge auf eine lange, lange Zeit.

Jetzt war es stille. Katherl ging, den klopf voll trüber Gedanken, ihren häus­lichen Beschäftigungen nach, und betete im stillen zur hilfreichen Himmelsmutter in der Wallfahrtskirche ihres Dörfchens.

Als es Nacht geworden und schon alles zur Ruhe gegangen war, wachte sie noch am offenen Fenster, um Girgls Heimkehr von FuchZberg abzuwarten. Stunde um Stunde verran, der Erwartete aber kam nicht zurück.

Unwillkürlich hatte sich der Harrenden Schlaf bemächtigt.

Neben dem Fenster sitzend, schlummerte sie ein und freundliche Bilder zogen sich durch ihre Träume. Sie sah sich ini Braut­kleide, das aus Flittergold und Perlen, geflochtene Krönchen auf dem Kopfe und Girgl als Bräutigam neben sich. Sie war überselig der Traum war gar so schön.

Girgl hatte den Weg nach dem nahe- gelegenenPlattenbergerForsteeingeschlagen. Kaum war er in die Waldung eingetreten, schraubte er sein Instrument auseinander und verbarg es in der Jankertasche. Dann verließ er den Steig und huschte quer­waldein.

Nach längeren beschwerlichen Gängen, oft in dichtem Unterholze, machte er end­lich Halt und suchte das Moos vorn Boden zu erheben, unter welchem sich seine Flinte befand, deren Schloß mit einem Taschen­tuch umwickelt war. Ein lächelnder Gruß ward der Waffe zuteil. Zugleich aber auch ein wehmütiger als er sagte:

Mer liabe Bix von heunt an hast ausdeant, 's Katherl will s a so hab'n.

Von nun an sollst grad mehr knall'«, wenn's a Fest giebt und 's erste Mal wieder an inein Hozettag." Dann nahm

er auch die neben der Flinte gelegene Horndose zu sich, in welcher sich Pulver und Kugeln befanden. Vorsichtig wie am Herwege, schlug er nun den Rückweg ein. Er beabsichtigte, in einem Kornacker am Waldsaum das Gewehr zu verbergen, um es von hier nach dem Ständchen in Fuchs­berg leichter finden und dann bei Nacht­zeit heimbringen zu können.

Er hatte den Saum des Forstes fast erreicht, als er plötzlich drei Rehe über eine kleine Lichtung vertraut gegen den inneren Forst schreiten sah. Dies sehen, das Schußzeug hervornehmen und das Gewehr laden, war eins. Erst als er das Pulver auf die Züudpfanne schüttete, dachte er an Katherl und an das der­selben gegebene Versprechen.

Aber die Leidenschaft des Jägers war mächtiger, als die Liebe. Er wußte, daß sich in der Richtung, welche das Wild eingeschlagen, ein kleiner Onellenteich be­fände, an welchem sich dasselbe mit Vor­liebe tränkte. Er wußte auf ihm wohl bekannten Steige zu der Stelle zu gelangen,

und wenn der letzte Schuß ein Glücks­schuß wäre?

Es überfiel ihn ganz heiß bei diesem Gedanken. Er überlegte zwar noch einmal

aber während er das that, zog es ihn wie mit unsichtbaren Fäden gegen den Teich hin und er war in dessen Nähe angelangt, bevor er mit den sich wider- streitenden Gedanken fertig geworden.

Ein munter rauschendes Bächlein eilte aus jenem Teiche zu Thal. Rings umher lagen riesige mit Moos bewachsene Felsen­stücke. Hinter einem solchen stellte sich der Wildschütz auf Anstand. Er wußte, daß das Wild gern den: Bächlein entlang thalabwärts Aesuug suchte, und hoffte, daß dies auch heute der Fall sei. Lange wartete er schon. Die Sonne mußte schon tief hinuntergesunken sein, denn im Forste hatte die Dämmerung bereits be­gonnen. Da hörte er Schritte. Anfangs glaubte er, sie kämen von Menschen, denn man hörte das Knacken und Knistern der auf dem Waldboden liegenden dürren Aeste. Er hielt den Atem an und lauschte. Schon nach einigen Minuten aber be­ruhigte er sich mit dem Gedanken, daß es die Rehe gewesen seien. Dies ward ihm zur Gewißheit, als er jetzt auf dem jenseitigen Ufer des kleinen Teiches die vorher am Waldsaume erblickten Rehe sich nahen sah. Ein prächtiger Sechsen­der hatte sich dem Wasser genähert.

Da knallte die Flinte des Girgl und mit einem Schmerzensrufe brach der stolze Bock zusammen. Ein Ruf der Befriedig­ung drang aus des Schützen Mund. Schon wollte er zu dem erlegten Wilde eilen, als zu seinem nicht geringen Schrecken ein zweiter Schuß ganz in seiner Nähe knallte. Dem Schuß folgte ein fürchter­liches Geschrei ein Jammern ein Stöhnen, wie das eines Sterbenden; hinter den Felsblöcken aber glaubte Girgl auf einen Augenblick einen ganz zusam- mengekauerten Flüchtling zu sehen. Dies alles war das Ergebnis weniger Sekun­den. (Forts, folgt.)

Vermischtes.

Eine neue Erfindung, die vor­aussichtlich berufen ist, eine erhebliche Vervollkommnung des Fernsprechver­kehrs herbeizuführeu, hat sich der Staats­sekretär v. Podbielski im Versuchsamt der