London, 28. Dez. Lord Salisbury hat seine Villa in Beaulieu bei Nizza aus 4 Monate an die Königin Jsabella von Spanien vermietet, die daselbst von Paris in der nächsten Woche eintrisft. Wie verlautet, beabsichtigt Lord Salisbury, die Villa zu verkaufen. Da augenblicklich ein großer Rückgang in dem Wert des Grund und Bodens an der Riviera eingetreten ist, ist es ein besonderer Glücksumstand, in einer so toten Saison, wie der gegenwärtigen, überhaupt einen Mieter für jene Villa gefunden zu haben.
— Aus Pietermaritzburg wird berichtet, die Buren haben die Hügel bei Colenso zu Festungen von großer Stärke umgewandelt. Ueberall haben sie vorzügliche Gräben hergestellt, von denen manche bombensicher sind; sie haben auch Gleise angelegt, auf denen die Kanonen mit erstaunlicher Schnelligkeit vorgeschoben werden können. Die wichtigsten Stellungen sind durch unterirdische Durchgänge verbunden. Ueberall sind Schnellfenergeschütze aufgestellt und es ist wahrscheinlich, daß Minen gelegt sind.
Ladysmith. Eine Meldung mittelst Heliograf über Wecnen besagt: Hier ist alles wohl. In 2 Geschossen, welche die Buren in die Stadt warfen, befanden sich Glückwünsche. Ein Geschoß enthielt einen Plumpudding. Der Feind ist noch damit beschäftigt, seine Stellungen zu befestigen.
Aus Louren^o Marques berichtet das Reutersche Bureau, daß der deutsche Dampfer „Bundesrat" dort von einem englischen Kriegsschiff als Prise genommen und nach Durban gebracht worden sei. An Bord des „Bundesrat" Hütten sich 3 deutsche Offiziere und 20 Mann befunden, die auf Seite der Buren kämpfen wollten. — Dazu wird aus Hamburg gemeldet: Tie Ostafrika-Linie, der der beschlagnahmte Dampfer gehört, telegrafirte an den Reichskanzler und erbat die Vermittlung desselben. Sie versichert, gegen die Neu- tralität nicht verstoßen zu haben.
Lokales.
Wildbad, 2. Jan. Die Chrisibaum- feier des Militärv ereins am Samstag Abend in der „Sonne" gestaltete sich nicht nur zu einem recht heiteren Familienkränzchen, sondern zugleich zu einer patriotischen Kundgebung für Kaiser und Reich. Mit großem Jubel wurde von den alten Soldaten das lebende Bild begrüßt: „Die Huldigung der Marine für Kaiser Wilhelm II." Das überaus gelungene, glänzende Arrangement verdanken wir Herrn I. Krimmel, der auch ein hübsches Gedicht znm Vortrag brachte, das die Vorzüge unseres edlen Kaisers pries. Um die Büste des Kaisers auf hohem Pidestal wanden 2 Kinder (ein kleines Bürschchen in Matrosenkleidung und ein weißgekleidetes Mädchen mit schwarzweißroter Schärpe) Blumenkränze; die Germania, eine recht stattliche hübsche Figur hielt einen Lorbeerkranz über des Kaisers Haupt und die zu beiden Seiten ausgestellten Matrosen in ihren kleidsamen Uniformen präsentierten das Gewehr. Vor dem Kaiser knieten 2 allegorische Figuren: Afrika und Asien, die Erzeugnisse ihrer Länder darbietend. Die „Wacht am Rhein" und „Deutschland, Deutschland über alles" wurden begeistert angcstimmt. Tie H.H.
W. Fuchslocher und Ehr. Schmidt sowie Herr Dahl erfreuten durch ge-! lungene humoristische Scenen und die Feuerwehrkapelle durch hübsche Vorträge. Den übrigen Teil der Zeit vor Mitternacht nahm die nun folgende Gabenverlosung in Anspruch und ein Tänzchen bildete den Schluß der Feier, zu deren Gelingen gewiß die schöne Harmonie zwischen Liederkranz und Militärverein am meisten beigetragen hat.^
Der alte Posteinnehmer.
Eine Erzählung von M- Ling.
«Nachdruck verboten.)
Wenn der geneigte Leser seiner fleißigen Hausfrau einen Arbeitskorb verehrt oder sein Töchterlein, das eben die ersten Maschen lernt, durch ein kleines Strickkörbchen zum Eifer ermuntert, so fragt er wohl nicht, woher diese Sachen stammen. Er würde sonst vielleicht erfahren, daß sie in Weidingen gefertigt worden sind. Denn in diesem Dorf, das ein Wißbegieriger auf einer Karte von Mitteldeutschland gegen Westen zu suchen hätte, sind viele hundert Hände jahraus jahrein mit solchen Arbeiten beschäftigt und viele Tausend der zierlichsten Geflechte in allen möglichen Formen gehen von dort in die Welt hinaus. Was dafür zurückfließt, hat das Torf zu einem der wohlhabendsten in der sonst armen Gebirgsgegend gemacht. Das bezeugen schon äußerlich die stattlichen Häuser mit ihren Vorgärtchen, die wohlgehaltenen Straßen, die gutgekleideteu Einwohner.
Doch ist es nicht von jeher in Weidingen so gewesen. Zwar könnte man meinen, schon der Name des Dorfs weise auf die Hauptbeschäftigung der Bürger hin oder komme gar davon her. Aber Weidingen stand schon lange, ehe dort der erste Korb für den Handel geflochten wurde. Und die früheren Herren des Orts, deren Stammburg über dem Dorf auf der Höhe liegt, die Edlen von Weidingk erheben den Anspruch, ein uralt ritterlich Geschlecht zu sein und sagen: ihr Name, und damit der des Fleckens, glänze schon in der Geschichte des grauesten Mittelalters. Denn einer von ihren Vorfahren, Jost von Weidingk, sei als Edelknecht auf Kaiser Rotbarts Kreuzzug mitgewesen und habe mitgeholfen, den erstarrten Leib des greisen Helden aus dem Fluße Selef zu fhebeu, in welchem der große Kaiser im Jahre 1190, am 10. Juni, seinen Tod fand. Wir wollen es nicht bestreiten, weil wir das Gegenteil nicht beweisen können. Jedenfalls hat noch einmal ein Sprosse des Geschlechts gegen die Türken gekämpft, unter Prinz Eugen, dem edlen Ritter, und er sei einer der ersten gewesen, wird gemeldet, der in Belgrad über die Mauer drang. Sein Grabstein in der Kirche zu Weidingen zeigt zwei gekreuzte türkische Feldzeichen, den Roßschweif au der Stange und den Halbmond darüber, und die Inschrift besagt, daß „Karolus, Herr zu Weidingen, Kilchingen und Barenberg, ob seiner sonderlichen Tapferkeit und bewiesenen Bravour, da er einen türkischen Aga mit eigener Hand erleget und ihm einen Roßschweif abgenommen, von dem Kaiser Leopolds zum Obristen ernennet worden." Die Wappenschilder auf den Grabsteinen, welch» im Chor des Kirchleins innen, oder draußen im Schatten der Linden, an der Wand stehen, weisen drei Weidenzweige, auch auf dem ver-
> witterten Schild über dem Thorweg zur ! Burg sind sie noch 'zu erkennen. Sonst ist von der alten Herrlichkeit der Herren von Weidingen, die jetzt drüben im Baren- berger Schloß wohnen, hier wenig mehr zu sehen, ausgenommen die Trümmer eben dieser Burg, geborstene Mauern, weithinziehende, halbgefüllte Gräben, versunkene Gewölbe. Nur ein mächtiger, viereckiger Turm ist wohl erhalten und schaut ungebrochen und trotzig über das Dorf ins Thal hinab.
An seinem Fuß saßen vor etwa vierzig Jahren an, einem linden Frühlingsabend zwei Männer, oder vielmehr der eine saß auf einem Mauerstück und neben ihm lehnten zwei Krücken, der andere setzte sich nur auf Augenblicke, dann sprang er wieder auf und ging lebhaft sprechend und mit dem Stock fuchtelnd auf und ab.
„Ich sage Dir, Konrad, ich wünschte, daß ich nicht auf Dich gehört und das Bürgermeisteramt dieses Nestes" — er führte einen Hieb nach dem Dorf zu seinen Füßen — „nicht angenommen hätte. Man habe mich einstimmig gewählt, sagst Du? und der Herr von Weidingk habe wich zu seinem Reutamtmann geinacht, damit ich zu leben hätte? Ja, wovon sollte ich sonst hier leben? von Aerger und Zorn wird mau nicht fett. Jetzt plage ich mich mit der Bande schon an die zehn Jahre und was hat all mein Mühen geholfen? Ich sehe nichts von den Früchten meiner Arbeit, die Du mir damals in so schönen Farben vorgemalt hast. Hättest du mich meine Wege gehen lassen, so stünde ich jetzt im Staatsdienst, hätte auch ein Amt, das mich ernährt, und nicht den täglichen Verdruß mit diesen unverbesserlichen Leuten. Ich komme mir vor, wie der Sisyphus in der griechischen Sage, der zur Strafe für seine Unthaten in der Hölle einen Stein den Berg Hinaufschleppen muß. Hat er in droben, dann rollt der Block auf der andern Seite wieder hinab. So beginne ich täglich von vorn, suche immer neue Wege, die Gemeinde zu heben, und alles ist vergeblich. Immer wieder sinken sie in ihre alte Verlotterung zurück. Ich bringe diese Gemeinde nicht empor."
Der so sprach, war ein Mann vorn in den Dreißigern und der mit den Krücken mochte in demselben Alter stehen. Es mar ersichtlich, daß der Bürgermeister von Weidingen trotz seiner Erregung seinen Begleiter mit liebender Sorgfalt bewachte. Denn als diesem ein Strauß Feldblu men aus den Händen glitt und zu Boden fiel, eilte er herbei, um ihn aufzuheben. Und als er inmitten seiner Klagen bemerkte, daß das Auge des Andern auf einen Busch Blumen gerichtet war, der in einer Mauerspalte hing, unterbrach er sich mit der Frage: „diese?" —und stieg auf das Nicken des Freundes über einen Haufen Steine, um ihm die Blüten zu brechen.
„Danke, Fritz,", sagte dieser, und fügte die Blumen zu den anderen. „Du hast freilich viel Mühe, auch mit mir. Aber doch ist bei unfern Leuten schon vieles besser geworden."
„Was denn? sag mirs doch!"
„Nun, im Dorf siehts doch anders aus. Die Straßen sind sauberer — "
„Weil ich die Leute strafe, wenu sie nicht reinigen. Aber schau in die Häuser hinein: ich kann doch die Frauen nicht strafen, wenn sie nicht aufwaschen."
„Die Kinderschule hast Du eingerichtet."