öfters zusammenkam. Auch an des Letzteren Begräbnistage war der junge Cava- lier erschienen, um der Herzoginwitwe in stillem Schmerz mit einem warmen Händedruck zu sagen, daß er bereit sei, Alles für sie zu thun; und so oft er ihr bei einer Ausfahrt begegnete, versicherte sein Gruß dasselbe.
Doch der Mann war zu jung, zu unerfahren, als daß die Herzogin bei dem vorgehabten Fluchtversuche sich seiner hätte bedienen mögen. Ohnehin war, wenn man von seiner Mitwissenschaft etwas erfuhr, sein eigenes Leben gefährdet, und gerade auf dieses Leben setzte Irene für die spätere Zeit ihre Hoffnung. In dem verborgenen Fach der Truhe lag nämlich außer dem bäuerlichen Anzug und einem Beutel voll Ducaten, auch ein an diesen jungen Mann gerichtetes Schreiben folgenden Inhaltes:
„Ich sende Ihnen hier den Lerlob- ungsring meines verstorbenen Gatten. Ich beschwöre Sie bei dem allmächtigen Gott und bei der Liebe und Treue, welche Sie für uns im Herzen tragen, das Kind, das Gottes Gnade mir schenken will, für den Fall meines Ablebens im Auge zu behalten. Ich werde Ihnen hier unten noch den Ort und den Namen derjenigen Person nennen, bei der mein Kleinod nnter- gebracht wird. Wenn der Herzog Pietro todt und mein Kind volljährig ist, dann übergeben Sie ihm diesen Ring, sagen Sie ihm, wer seine Eltern waren und helfen Sie ihm, seine Sache führen. Bis dahin aber bitte ich Sie, das Geheimnis zu bewahren und Alles und Jedes zu vermeiden was Verdacht erwecken könnte.
Zu ewigem Dank verpflichtet Irene, Herzogin von Caraffa."
So schien Alles aufs Beste vorbereitet, und Ursula erwartete in einem armseligen Stübchen, dessen Fenster zu ebener Erde in eine Seitengasse des Forums ging, allnächtlich die Herzogin. Die Entscheidungsstunde rückte nah und immer näher, und der Augenblick kam heran, wo es hieß: „Jetzt oder nie!"
Es war eine warme Helle Sommernacht. Die Kammerfrau hatte sich heimlicherweise an einer Flasche „laerimas Ollristi", welcher feine Wein der Fürstin zur Stärkung dienen sollte, übernommen und lag in tiefem Schlaf. Die Stunde schlug Mitternacht. Irene erhob sich von ihrem Lager, öffnete die Truhe, drückte vorsichtig an der geheimen Stelle, warf die Kleider um, nahm den Bentel und den Brief mit dem Ring, kniete vor dem elfenbeinernen Christusbild nieder, das neben ihrem Lager stand und befahl sich und Alles in ihres Heilandes Hände. In diesem Augenblick hörte sie zweimal laut ihren Namen rufen. Sie schrack zusammen, sie hielt ihren Athem an. Noch einmal hörte sie ihren Namen und ein lautes Lachen. Dann trat wieder tiefe Stille ein. Es war die Kammerfrau, welche in trunkenem Traume die Töne ausgestoßen hatte.
Statt des Schreckens überkam jetzt die Herzogin Sicherheit und Mut. Sie stand auf, küßte mit Inbrunst das Christusbild und verließ das Zimmer. Ans dem breiten, vom Mond beleuchteten Treppengang sah sie an der Wand den Schatten ihrer in bäuerliche Kleidung gehüllten Gestatt. Wie war sie vor einem Jahre an der Seite ihres Francesco in diesen Palast eingezogen! Wie zog sie jetzt hinaus !
Im Hofe schlug ihr großer Hofhund an, ihr Liebling. Er spürte wohl nach den fremden Bauernkleidern. Aber schon leckte er auch die ihm hingehaltene Hand seiner Herrin. Der große Riegel am Thore warvorgeschoben; mit überweiblicher Kraft schob sie ihn zurück. Noch ein Ruck, noch ein Schritt, — sie war frei. Des Himmels Sterne und der stille Mond boten sich ihr als Begleiter an.
Als Herzog Pietro das Verschwinden seiner Nichte erfuhr, schlug er sich vor die Stirne.
„Ich Schwachkopf, ich Feigling," rief er aus, „warum wagte ich nicht den letzten Schritt. Mitleid, Mitleid! Warst du noch nicht gänzlich ausgestrichen aus dem Wörterbuch meines Herzens? Aber nur den Kopf nicht verloren, so ist noch nicht Alles verloren."
„Nicola!" herrschte er und zog an der Glocke. Die geriebenste und geschmeidigste seiner Creaturen erschien.
„Nicola, kennst bu die Wohnung der Ursula, der früheren Putzerin in Jrene's Palast?"
„Warum sollte i.h nicht, Excellenz? Ich war ja beauftragt, während den letzten Wochen täglich einmal an ihrem Fenster vorüberzugehen."
„So eile und überzeuge dich von ihrem Dasein!"
Nicola ging. Der Herzog aber wendete sich gegen eine Statue des Merkur, welche wie in einem heiligen Hain von Zierbäumen in einer Nische des Zimmers stand. Dort, vor jenem Marmorbild, dem Gott der Kaufleute und Diebe, kamen ihm stets die besten Gedanken, Pietro war nur äußerlich ein Christ, im Herzen aber ein ungläubiger — oder sagen wir besser — ein abergläubischer Heide.
„Jetzt Hab' ichs", stieß er nach einigem Sinnen heraus, „Jreue ist nicht entflohen, Irene wurde von Räubern entführt. Sie gedachten einen guten Fang zu machen. Ganz richtig! Nur rasch, rasch! Sie können noch nicht weit sein mit ihr; wir werden auch einen guten Fang machen!"
Er setzte sich an den Tisch und verfaßte eilig ein Schreiben, indes Nicola mit der Nachricht zurückkam, daß Ursula nicht zu Hause und ihre Thüre, wie gewöhnlich verschlossen sei. Sie müsse aber heute Etwas wichtiges zu thun haben, denn sie scheine schon vor Tagesanbruch aufgestanden zu sein."
„Thut nichts, Nicola, thut nichts! Die Fürstin ist nicht entflohen; sie wurde entführt, von Räubern geraubt. Du verstehst, Nicola! geraubt, entführt! Du hast doch soeben in ihrem Palast die Kammerfrau geknebelt und mit verstopftem Munde auf ihrem Bette liegend gefunden? Man bemerkt jeHt noch die Striemen an den Arm- uno Fußgelenken. Geh', lasse dir es von der vermaledeiten Schlafhaube, welche mir die Herzogin entwischen ließ, noch einmal erzählen; und daß sie bereit sei, die Sache mit einem Eid zu bekräftigen, sonst drehe ich ihr eigenhändig den Hals um, anstatt ihr eine Perlenkette zu schenken. Vergiß nicht zum Beweis der Thatsache zwei alte Stricke mitzunehmen!"
„Ich werde nicht ermangeln, Alles aufs genaueste zu besorgen!"
„Und hier, Nicola, noch ein Schreiben an die Polizei, daß man ungesäumt Nachforschungen anstelle. Es ist schon Alles, was ich Dir von der Knebelung und der
Zeugenbereitschaft der Kammerfrau soeben sagte, in dem Schreiben bemerkt. Doch kannst dn es lesen, ehe ich es versiegle. Ich stelle darin die Vermuthung ans, daß die Räuber ihre Beute in die Katakomben schleppten; denn weiter können bei dem gegenwärtigen Zustand der Herzogin die beiden Frauen nicht gekommen sein. Also in den Katakomben!"
„Gut, Excellenz, in den Katakomben!" wiederholte Nicola, nachdem er das Schreiben gelesen, und eilte in Irenens Palast, um deren Kammerfrau zu iustruiren.
(Forts, fol gt. ) -
BermifchteS.
— Auch Deutschland sucht der aus- bentnngslustige Ring der amerikanischen Fleischkönige unter seinen Einfluß zu bringen. Von Jahr zu Jahr wird der amerikanische Wettbewerb auf dem Gebiet der Fleischversorgung schärfer, auch gegen die deutschen Metzger und Bauern werden dieselben Kampfmittel angewendet, welche den Sieg des Fleischringes in Amerika und England zur Folge hatten. Durch Unterbieten der Preise wird das kaufende Publikum sicher gemacht. Dabei scheut der Ring die kolossalen Opfer nicht. Am 9. Sept. d. I. betrug z. B. der Preis für frisches Ochsenfleisch in Newport 72 bis 99 Pfennig für das deutsche Pfund. Zur selben Zeit verkauften die dem amerikanischen Flcischring ungehörigen Firmen im Hamburger Freihafen „ausgewähltes Ochsenfleisch für Familiengebrauch" in Fässern von 180 Pfund deutsches Gewicht das Faß zu 42 Mark, also das Pfund um 23tts Pfennig. Dabei ist das eichene Faß mit Eisenreifen, sowie die Fracht und die Provision des deutschen Agenten im Preis pro 42 Mark pro Faß inbegriffen. — Am genannten Tag betrug der Preis für frisches Schweinefleisch in New- Jork 56stt Pfg. das deutsche Pfund. Am 27. Sept. d. I. aber bot die Firma Herrn. Knüpling in Bremen Pork, d. h. leicht gesalzenes und gekochtes amerikanisches Schweinefleisch in fein lackirten Blechdosen zu 31 Pfennig per Pfund ab Hamburger Freihafen an, einschließlich Blechdosen, Kisten, Transportspesen und Agentenprovision. Gesalzener amerikanischer Bauchspeck wird zu 33 Pfennig per Pfund deutsches Gewicht, Schmalz zu 26 Pfennig angeboten, ebenfalls einschließlich Gebinde, Fracht von Amerika nach Deutschland und Agentenprovision. „Garantirt gesunde harte Wintercervelatwnrst, wird zu 45 Pfennig per deutsches Pfund einschließlich Kisten ausgeboten. Aus vorstehenden Zahlen ist aufs klarste zu entnehmen: Der amerikanische Fleischring will um jeden Preis in Deutschland Fuß fassen.! Mag die Qualität der^augebotenen Fleischwaren noch so gering sein, mögen sogar Fleisch und Speck krepirter Tiere dabei verwendet werden, so ist der beispiellos niedere Preis nur durch zielbewußte Spekulation auf Eroberung des deutschen Marktes und Verdrängung der deutschen Erzeugung zu erklären.
-- Warum es gegenwärtig sommerlich warm ist, wird im N. Stnttg. Tgbl. mitgeteilt: „Westeuropa verdankt sein verhältnismäßig warmesKlima derWasser- heizung durch den Golfstrom, der aus dein Golf von Mexiko längs der amerikanischen Küste zur europäischen Westküste in einer Geschwindigkeit von 3 bis 4 Kilometer per Stunde strömt, so daß