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zsnde Einleitung für das bevorstehende, großartige militärische Schauspiel zu wer­den verspricht. Schon heute ist in Straß­burg Festtag. Die Straßen sind reich beflaggt, manche Plätze, wie namentlich der mit schönen Anlagen geschmückte Bahn­hofsplatz, sind mit Tannengewinden, Flaggenmasten, Wappenschildern u. s. w. in herrlicher Weise ausgestattet.

Berlin, 2. Septbr. Die offiziöse Berl. Korresp." teilt mit, daß die preußische Staatsregierung eine Anzahl politischer Verwaltungsbeamten mit Wartegeld in den einstweiligen Ruhestand versetzt hat, weil sie unter den gegenwärtigen Ver­hältnissen den Anforderungen nicht aus­reichend entsprechen, die im Dienstinteresse und in Anbetracht ihrer Verantwortlichkeit zu erheben seien.

Berlin, 5. Septbr. Von einem Brockenhaus" berichtet dieFrkf. Ztg.", das sich in der Reinickendorfer Straße befindet. Hier werden die Brocken ge­sammelt,die von der Reichen Tische fallen", d. h abgelegte Kleider, Wäsche, schadhaftes Geschirr, Möbel, leere Flaschen, Konservebüchsen, aus der Gunst gekommene Bilder. Sie werden aus den Häusern abgeholt, die dazu aufgefordert haben, werden sortiert, gereinigt, geflickt und zum Verkauf gestellt. Arme Leute kommen, um sich da für billiges Geld auszustatten. Ta kauft ein Arbeiter Rock und Weste um 75 Pfg., ein Beinkleid um 30 Pfg., einen Hut um 10 Pfg, 2 Hemden L 15 Pfg., 4 Paar Strümpfe L 5 Pfg. Eine Frau, der ihr Mann gestorben ist, erhält ein schwarzes Kleid um 00 Pfg., einen Hut mit Schleier um 20 Psg. Trauer­sachen sind am billigsten, weil auf die augenblickliche Notlage der Trauernden besondere Rücksicht genommen wird. Das scheint eine nachahmenswerte Ein­richtung zu sein.

Der Kaiser ließ der Nähterin Bertha Vogel zu Elbing aus einer Berliner Fabrik auf ihre Bitte hin eine neue Nähmaschine als Geschenk übersenden. Hierbei sei be­merkt, daß der Monarch alljährlich rund 1000 Nähmaschinen an hilfsbedürftige Schneiderinnen verschenkt.

Rennes, 4. Sept. Umfassende Maß­regeln sind von der Renner Gerichtsbe­hörde im Einverständnis mit der Pariser Centralbehörde getroffen, um die Aufrecht- erhaltnng der Ordnung am Tage der Urteilsfüllung zu sichern. Zwischen der Richterbank und dem Zuhörerraum wer­den 100 Gendarmen mit aufgepflanztem Bajonnet ausgestellt werden. Ferner sind ausreichende Maßregeln zur Verhinde­rung eines Attentates gegen die eine oder andere Persönlichkeit, die an dem Prozeß teilgenommen hat, getroffen worden.

London, 4. Sept. Die Times er­fährt, daß die Regierung der Südafrika­nischen Republik beschlossen habe, den Vor­schlag des Wahlrechts nach 5 Jahren zu­rückzuziehen. Dies wird hier als klares Anzeichen dafür aufgefaßt, daß man un­mittelbar vor dem Ausbruch der Feind­seligkeiten und der Verkündigung des Kriegszustandes stehe.

Französische Zustande.

(Nachdruck verboten.)

Kenner der französischen Verhältnisse behaupten, daß in Frankreich die Revo­lution vor der Thür steht. Und in der That, wenn man die Berichte über die

letzten Unruhen in Paris-liest, kann man zu der Meinung kommen, daß sie das Vorspiel der Revolution sind. Sie hängen zusammen mit den Verhandlungen vor dem Kriegsgericht in Rennes. Dort findet bekanntlich schon seit einigen Wochen die Revision des Dreyfus-Prozesses statt. Von Anfang an hatte das den Haß und Zorn seiner Gegner gesteigert den Haß, der schon seit fünf Jahren ganz Frank­reich in Spannung und Aufregung erhält. In diesem Hasse finden sich zusammen: Monarchisten, die gerne die bestehende republikanische Staatsform beseitigen nnd an ihrer Stelle monarchische errichten möchten mit einer bourbonischen oder napoleonischen Dynastie an der Spitze, Klerikale, die ungefähr unfern Ultramon­tanen entsprechen und denen der herr­schende Liberalismus ein Greuel ist, natio­nale Chauvinisten, die noch jetzt die Hauptträger des französischen Hasses gegen Deutschland sind, und endlich Antisemiten. Sie alle finden sich zusammen im Haß gegen den Juden Dreyfus und gegen alle, die ihn in Schutz nehmen, im Haß vor allem auch gegen die jetzige Regierung in Frankreich, das Ministerium Waldeck- Rousseau, das die Revision des Prozesses nnd die vielleicht daraus erfolgende Frei­sprechung des Verhaßten zugegeben hat. Dieses Ministerium ist streng republika­nisch; es hat sogar einen Sozialdemokraten in seiner Mitte den ersten Sozialisten, der auf dem Ministersessel eines europäi­schen Kulturstaates sitzt.

Diese Regierung zu stürzen, ist das gemeinsame Ziel aller der obengenannten Gruppen. Sie haben die letzten Straßen- Unruhen in Paris veranlaßt. Es ist sehr lebhaft zugegangen; sogar Blut ist schon geflossen, das Gespenst der Revo­lution tauchte empor. Mit den Antise­miten vereinigten sich anarchistische Schaa- ren. Eine katholische Kirche wurde er­brochen, und der Plünderung und Ver­wüstung preisgegeben. Es scheint sogar eine einheitliche, planmäßige Leitung der an verschiedenen Orten kämpfenden Rebel­len stattgefunden zu haben. Schließlich siegte aber doch die Polizei. Es wurden einige hundert Verhaftungen vorgenom­men; auch die antisemitischen Führer fielen der Polizei in die Hände. Einer von ihnen aber, Namens Guerin, entkam. Er verschanzte sich mit einer Hand voll Leuten in das Versammlungshaus der Antisemiten und bedrohte mit Revolvern die Einlaß verlangenden Polizisten. Die Regierung ist schwach genug gewesen, um das zu dulden; statt dieser Komödie ein schnelles Ende zu bereiten durch gewalt­same Erstürmung des Hauses wobei freilich einige Menschenleben geopfert worden wären, hat sie beschlossen, den verwegenen Mann auszuhnngern. lieber kurz oder lang wird es ihr wohl gelingen, aber es ist ein bedenkliches Zeichen von Schwäche. Es ist einfach eine Blamage für die Regierungsgewalt.

In den französischen Zeitungen wogt unterdessen der Kampf um Dreyfus hin und her mit immer sich steigernder Er­bitterung. Die ganze innere Politik Frankreichs dreht sich um diesen Gegen­satz. Daß er eine solche maßlose Schärfe des Parteikampfes hervorgernfen hat, liegt nicht uur an der leichten Erregbar­keit des französischen Volkscharakters. Diese allgemeine Erregung, die alle Volks­

kreise umfassende gegenseitige Erbitterung wäre nicht in dem Maße vorhanden, wenn in Frankreich eine starke Monarchie exi- stirte. In jedem monarchischen Staat steht der Monarch im Mittelpunkt des Interesses. Wo kein Monarch vorhanden ist, schafft sich das Volk andere Mittel­punkte. Die Menschen verlangen etwas Bleibendes, auch in der Politik, etwas Stetiges, einen festen Punkt in dem Wirr­warr der Tagessragen und in dem ewigen Wechsel der Regierungen. Eine solche Verderbnis, wie sie der Panamaskandal in den Kreisen der französischen Parla­mentarier und der Dreyfusprozeß in den Kreisen der höheren Offiziere Frankreichs enthüllt hat, wäre bei uns nicht möglich. Mag an unfern innern Zuständen manches anszusetzen sein: in dieser Beziehung stehen wir unendlich höher als Frankreich. Sorgen wir, daß es so bleibe! Die monar- chische^Staatsform ist die sicherste Garan­tie gegen das Einreißen ähnlicher Zustände, wie sie in Frankreich in den maßgebenden Volkskreisen herrschen.

Wnterhcrttenöes.

Entlarvt.

Kriminalroman von Friedrich Halt.

(Schluß-). (Nachdr. verboten.)

Wieder fuhr es aus den schwarzen Wolken, ein greller Blitzstrahl leuchtete jetzt auf die tote Baronin nieder, aber er beleuchtete auch den jenseits des Grabens hinschreitenden Mörder.

Rolfs war mit einem. Satz aus dem Wagen.

Halt Freund!" ries der Kommissar, keinen Schritt weiter, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Kommen Sie nur wieder herein, lassen Sie den braunen Hallunken laufen, erwischen würden Sie ihn doch nicht, aber Ihr Leben dabei einbüßen."

Das Wetter hatte sich während der Fahrt mit furchtbarer Heftigkeit, aber schnell weiter ziehend, entladen, leise rieselte nur noch der Regen nieder, als der Kom­missar bei dem Hause des Ziegelmeisters ankommend zu halten befahl; der Meister stand in der Thür.

Als derselbe beim Leuchten des Wetters den Kommissar erkannte, der ausgestiegen war und jetzt auf das Haus zuging, eilte er demselben entgegen.

Was führt Sie noch so spät zu mir? fragte der Ziegelmeister, auffallend leise sprechend.

Was hiervorgeht, braucht heute Ihre Frau nicht zu erfahren", erwiderte der Kommissar, ebenfalls seine Stimme dämpf­end,und nun erschrecken Sie nicht", fuhr derselbe hastig fort, dem Ziegelmeister unter den Arm fassend, und denselben nach einem kleinen, südlich gelegenen Ge­bäudeführend,ich bin nicht Maler, sondern Kriminalbeamter, ich habe heute Ihre bisherige Herrin, die Baronin, verhaften müssen, auf dem Transport nach der Stadt ist dieselbe von einem schurkischen Zigeuner, wahrscheinlich einem Verwandten von ihr, erstochen worden. Die Leiche liegt im Wagen, ich muß eilig zur Stadt, die Sache dort melden und einen Arzt schleunigst hierher schicken, damit, wenn etwa noch Hilfe wäre, dieselbe angewandt werden kann. Ich weiß", setzte der Kommissar hin­zu,es sind leere Formalitäten, die ich erfülle, aber das Gesetz bestimmt es so,