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Thronfolger in sehr schneller Fahrt 2 Werft zurückgelegt hatte, kehrte er um. Eine des Weges kommende Bäuerin bemerkte, wie der Thronfolger beim Umkehren die Fahrt verlangsamte und Blut spie. Darauf hielt der Großfürst an, die Bäurin bemerkte, daß er beim Herabsteigen vom Rade wankte, die Bäurin eilte hinzu, stützte den Thronfolger und fragte: „Was ist Ihnen?" Der Großfürst erwiderte nichts. Als die Bäurin ihm Wasser anbot, winkte der Thronfolger znstimmend mit der Hand. Darauf ließ die Bäurin den Großfürst behutsam zur Erde nieder und benetzte Schläfe und Mund mit Wasser. Friedlich und schmerzlos entschlief der Großfürst-Thronfolger. Die Leiche wurde ins Palais gebracht und die Stelle, wo er starb, umfriedigt.
Unterhaltendes.
Entlarvt.
Kriminalroman von Friedrich Halt.
(Fortsetzung.) (Nachdr- verboten.)
„Das bin ich nicht", gab der Maler zur Antwort, und nach freundlichem Gruß schritt er dem Moore zu.
Es war fast elf Uhr, als der Maler in seinem Hotel das Gastzimmer betrat.
An einem Tische saß der kleine Aktuar und der Wirt, sie hatten ein Gespräch geführt, welches abgebrochen wurde, als Albrecht eintrat; diesem war dies nicht entgangen, flüchtig grüßend nahm er an einem entfernt von Beiden stehenden Tisch seinen Platz.
Der Aktuar stand auf und verließ „Gute Nacht" wünschend das Zimmer: der Wirt trat jetzt zu Albrecht.
„Sie haben gewiß heute eine tüchtige Tour gemacht, Sie sind wohl mehr wie müde?" sagte der Wirt und es klang fast, wie eine versteckte Aufforderung, daß Herr Albrecht sein Zimmer anfsuchen möge.
„Müde wohl", gab dieserzur Antwort, „jedoch nicht so, daß ich mich nicht nach einem Nachttrunke sehnen sollte, vorausgesetzt, daß Sie mir bei einer Flasche Ihres bestens Rheinweins Gesellschaft leisten."
„Das will ich thun", erwiderte der Wirt, das Zimmer verlassend und bald mit Wein und Gläsern zurückkehrend.
„Nun, Herr Albrecht, nach welcher Gegend waren Sie heute?" fragte der Wirt, die Gläser füllend.
„Steinhagen, Marienthal, bin auf dem Wege am Moor zurückgegangen; die Umgebung ist nicht uninteressant. Sagen Sie, Herr Wirt, kennen Sie den Herrn von Noskor, er soll Baumeister sein, auf Marien- thäl wohnen, ein Verwandter der Frau von der Brücken."
„Kenne den Herrn genau. Sind Sie demselben begegnet?" die Frage begleitete ein listiges Lächeln.
„Nein, das nicht, aber bei dem Gute ist ein hübscher Park, herrliche Baum- parthien drinneu, ich wollte denselben betreten, unterließ es aber, da mich eine dort aufgestellte Wmmungstasel belehrte, daß dies verboten sei."
„Und Sie haben gut daran gethan", lachte der Wirt, „denn der Herr von Aoskor ist in seinen Auseinandersetzungen nicht sehr höflich."
„Und Sie meinen", fragte der Maler, „ich wäre schlecht, dabei gefahren, wenn ich ohne vorher eingeholte Erlaubnis den Park betreten hätte, und was könnte mir
denn geschehen sein, wenn ich es gethan, ' — wenn ich es morgen thnn würde"? setzte Albrecht wie belustigt von dieser Idee, hinzu. „Was meinen Sie, was mir hätte geschehen können?" wiederholte er ; nochmals seine Frage. -
Die Branen des Wirts zogen sich un- > mutig zusammen; ihn mochte der leichte Ton des Großstädters verletzen. >
„Mein Herr", gab er langsam und : sehr ernst zur Antwort, „ich meine, daß es für den Gebildete» nicht angenehm ist, wenn er grob, brutal zurechtgewiesen wird, ohne sich dagegen auflehnen zu können, ^ eben weil ihm die Macht dazu fehlt und weil er sich auch" — der Wirt stockte.
„Immer heraus mit der Sprache", i lächelte Albrecht.
„Nun, weil er sich auch im Unrecht befindet — wenn Sie es denn doch hören wollen", gab der Wirt bestimmt, den Herrn Albrecht fest anblickend, zurück, — „und Sie würden im Unrecht sein, wenn Sie das Verbot unbeachtet lassend den Park betreten würden."
„Und Sie glauben, Herr von Noskor ein Edelmann, würde für eine solche Ueber- tretung einen Gebildeten grob und brutal behandeln?"
Der Gastwirt zuckte mit den Achseln, dann sagte er ruhig, aber wie bedauernd:
„Nun, Herr von Noskor hat den Adel seiner Heimat eben in dieser Gegend nicht in großes Ansehen gebracht, hier mag kein Gutsherr von ihm wissen, ich sage nur das, was hier überall gesprochen wird", setzte er hinzu, als wolle er sich entschuldigen, daß er als Wirt eine solche Aenßerung gemacht habe.
„Also Herr von Noskor ist nicht aus dieser Gegend, verstehe ich recht, Ausländer ? fragte Herr Albrecht.
„Ungarn soll seine Heimat sein!" war die Antwort.
„Ah, ans Ungarn", sagte Herr Albrecht wie überrascht, „dann macht es mich erstaunt, was Sie mir vorhin über Herrn von Noskor mitteilten" setzte der Maler gedankenvoll hinzu, „stolz, prunksichtig, mag mandenungarischen Edelmann nennen, aber er ist Kavalier durch und durch".
„Nun, dann macht der Herr hier eine Ausnahme, dessen Betragen kann man eben nicht als das eines Kavaliers bezeichnen", entgeguete der Wirt. „Stolz, prunksichtig, diese Eigenschaften hat er allerdings auch, eine seiner ersten Heldenthaten in dieser Beziehung war, daß er in der Marienthaler Kirche den Kirchenstuhl fortneh men ließ, an dessen Stelle ein neuer schön geschnitzter Stuhl aufgestellt wurde, natürlich mit dem Wappen des Barons und dem Familienwappen der Baronin geziert. — Sie mögen es vielleicht kleinlich finden, daß ich einer solchen Sache noch nach Jahren, nachdem es geschehen, Erwähnung thne, aber ich weiß genau, wie schwer es dem Baron geworden, zur Fortnahme des alten Kirchenstnhles seine Erlaubnis zu geben, der so lange von den Voreltern des Barons benutzt worden ist, als die Familie im Besitz des Gutes Marienthalwar, denn hier in unserer Gegend giebt man viel aus die Erhaltung solcher in der Kirche vorhandenen, der Familie gehörigen Sachen. Es wurde damals diese Geschichte sehr böse beurteilt. — Nach dem Vorschläge des Herrn von Noskor da sollten die Schnitzereien zu dem Kirchen- stnhl in der Residenz gefertigt werden",
fuhr der Wirt fort, „aber darauf ging der Baron denn doch nicht ein, und nun wurde hier am Ort zu dieser Arbeit ein Tischler Voigt ausgetrieben, der denn auch zur Zufriedenheit des Herrn v. Aoskor und der Frau Baronin den Kirchenstuhl angefertigt hat".
„Wohl ein Talent, ein Künstler in seinem Fach, der Tischler Voigt ? ein tüchtiger Mann?" bemerkte der Maler.
„Ein Talent — ein Künstler, aber" — der Wirt stockte.
„Was wollen Sie sagen", fragte Albrecht, und er sah dabei den Wirt lächelnd an. Dieser wurde verlegen.
„Nun, dann werde ich den Satz vollenden", sagte der Maler, „aber ein „Thu- nicht gut", ein Bummler — wie alle Talente, wie alle Künstler, und da meinten Sie, weil ich nun auch so ein Künstler bin, da hätte ich diese Aeußerung übel nehmen können. Ist es nicht so?" fragte er, nnd seiner Stimme hörte man die Lustigkeit an. (Fortsetzung folgt.)
Lokales.
Wildbad, 17. Juli. Gestern Nachmittag ist Se. Excellenz Finanzminister v. Zeyer zum Besuch bei Sr. Durchlaucht dem Fürsten Hohenlohe hier eingetroffen und begab sich Abends wieder nach Stuttgart zurück.
Vermischtes.
(Was kosten uns die Arbeits- schenen, Heimatlosen u. s. w.) Man berechnet gewöhnlich die Zahl derer, die bis zur Heimatlosigkeit herabgesunken sind, in Deutschland auf 200000 nnd das täglich von Jedem erbettelte Almosen auf 2 Mark. Zn dieser Sorte Menschen gehören nun aber auch alle Verbrecher in den Gefängnissen, alle wegen Betteins nnd Obdachlosigkeit in Gefängnissen nnd Arbeitshäusern Eingesperrten sowie der Teil der sonst Arbeitslosen und Arbeitsscheuen, der dauernd die Krankenhäuser bevölkert. Die Gerichtsgebäude, Gefängnisse und alle zur zwangsweisen Bekämpfung der Vaga- bondage und des ^Verbrechens getroffenen Einrichtungen, die Gehälter der Richter, des Beamten und Pflegepersonals u.'s. w. sind, soweit sie vou den Schmarotzern der Gesellschaft notwendig gemacht werden, ebenfalls ans das Verlustkonto der Volkswirtschaft zu setzen. — Ed. von Hartmann erachtet den jährlichen Betrag der von diesen Leuten anfgezehrten Summe höher als das Reichsmilitärbudget, d. i. über eine halbe Milliarde. Er nennt als die Summe des im Jahre an die Bettler gereichten Almosens 146 Millionen Mark. Prof. Dr. G. Schanz berechnet den zur Unterstützung der 366000 Arbeitslosen nötigen Aufwand auf jährlich 134 Mill. Mark. Er legt dabei ein Unterstützungsgeld von einer Mark pro Tag und Mann zu Grunde.
(Sein Stolz.) In einem märkischen Städtchen wurde jüngst ein Richtfest gefeiert, auf dem der Herr Maurer- palier folgende Rede hielt: „ Meine Herren, nachdem det Haus nu fertig ist, ist es auch recht und billig, det wir Derer gedenken, die det schöne Jebäude uffgeführt haben. Hier is erstens zu nennen: Der Theoretiker, der versteht's aber kann's nich; zweetens: der Praktiker, der kann's aber versteht's «ich; der praktische Theo-