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daß das Römerkastell nach seiner Wieder­herstellung ein interessanter und kräftiger Anziehungspunkt werde und zur Hebung meiner getreuen Stadt Homburg beitragen möge. Wilhelm. R.

Rom, 18. Mai. Ein florentinischer Edelmann, der Marchese Luigi Torri- giaui, hat dieser Tage die Meisterschaft als Taubenmörder erworben. Er hatte um 5000 Lire gewettet, daß er binnen 12 Stunden bei einem Abstand von 27 in von 1000 Tauben 850 töten würde. Um 6^4 Uhr morgens begann das Schießen und um 2 Uhr nachmittags hatte der Taubenschütze bereits seine Wette gewon­nen; von 1000 Tauben, die aufgelassen worden waren, hatte er 935 getroffen, wozu er 1320 Patronen abgefeuert hatte. Die Zeitungsberichte heben hervor, daß die besten Schützen von Florenz seiner Leistung mit Enthusiasmus zusahen. Schade, daß sie ihre Begeisterung nicht einer besseren Sache widmen.

Wie Kronprinz Rudolf von Oesterreich starb

Unter dieser Ueberschrift schreibt der Bert. Lokalanz." über die Tragödie von Meyerling: Ein soebeu unter dem Titel mait^rckora ob an omxress" (Das Martyrium einer Kaiserin) in London er­schienenes Buch gibt neue Aufklärungen über die Frage, die zwar mit dem, was man früher als festgestellt annahm, in Widerspruch treten, jedoch mit Rücksicht aus die Person, von der sie ausgehen, einer Hofdame der Kaiserin Elisabeth, Beacht­ung verdienen. In dem Buche wird über die Katastrophe von Meyerling und die ihr vorausgegangenen Ereignisse geschrie­ben : Nach der Londoner Jubiläumsreise sandte Kronprinz Rudolf durch einen Kurier einen vertraulichen Brief an den Papst, ihn inständig bittend, seine Ehe auszulösen und vom Vater, dem Kaiser von Desterreich, die Genehmigung zu er­langen, daß er, Rudolf, auf die Thron­folge verzichte. Der Papst sandte den Brief umgehend an den Kaiser. Der Kaiser berief sofort den Erzherzog Karl Ludwig und den Fürstbischof von Wien und teilte ihnen den Brief des Papstes mit. Eine schreckliche iScene folgte nun; Kronprinz Rudolf weigerte sich vor ihnen, den Grund seines Schrittes mitzuteilen. Erst später, als er mit dem Kaiser allein war, gestand er ihm seine Liebe zur Vetsera in er­greifender Weise. Das Gespräch mit den Vater dauerte die ganze Nacht. Rudolf reiste dann am Morgen nach Meyerling, und in einem Briefe berief er auch die Vetsera dorthin. Am nächsten Morgen fanden der Lakai Loschek, Prinz Coburg und Graf Hoyos beide tot im Schlasge- inach Rudolfs. Die Vetsera hatte sich während einer kurzen Abwesenheit Rudolfs aus dem Salon mit Strychnin vergiftet. Rudolf lag gegen sie gelehnt mit einem Kavallerierevolvcr in der Hand, mit dem er sich erschossen hatte. Auf dem Tische lagen 4 Briefe Rudolfs, daneben auch folgender Brief der Vetsera:Liebe Mut­ter, ich werde für Rudolf sterben, wir lieben einander zu tief, um eine Existenz getrennt von einander ertragen zu können. Das grausame Geschick, welches nichts ändern kann, hat es unmöglich gemacht, daß wir je einander angehören. Er hat seinem Vater das Ehrenwort geben müssen, mich nie wiederzusehen. Da Umstände vor­

liegen, welche unsere Vereinigung verhin­dern, macht es mich glücklicher, zu sterben als zu leben. Vergieb mir. Deine un­glückliche Marie." Der Schluß des Briefes war mit Thränen genetzt. Rudolfs Brief an den Herzog von Braganza lautete: Lieber Freund! Ich muß sterben, ich weiß, ich kann nicht anders handeln. Lebe wohl! Gottes Segen sei mit Dir. Rudolf." Der Schluß des Briefes an den Sektionschef im Ministerium des Aeußern Szögenyi lautete: Lieber Szögenyi! Sie finden hie­rin eingeschlossen ein Kodizill zu meinem vor 2 Jahren gemachten Testament. Sie werden in meinem Studirzimmer in der Hofburg die Mehrzahl meiner Papiere finden, und ich überlasse es Ihrer Dis­kretion, zu entscheiden, welche davon zur Veröffentlichung geeignet scheinen. Diese Papiere sind in dem Schubfach des Tisches eingeschlossen, welcher beim Sofa steht. Und so schließe ich auch den kleinen gol­denen Schlüssel ein, um es damit zu öffnen. Wenn Sie diese wenigen Zeilen erhalten, werde ich nicht mehr sein, ich muß sterben. Geben Sie allen Freunden meine herzlichsten Grüße. Möge Gott unser geliebtes Land segnen. Rudolf." Außerdem hinterließ Rudolf Briefe an den Kaiser und die Kaiserin. Die Verfasserin des neuen Buchs behauptet, Rudolf habe sehr unglücklich mit Stefanie gelebt! Vor der Londoner Reise habe !es eine heftige Scene zwischen Beiden gegeben, weil Stefanie gehört hatte, daß die Vetsera mit ihrer Mutter ebenfalls nach London gehe. Die Kronprinzessin habe dabei ver­letzende Ausdrücke über die Vetsera ge­braucht und erklärt, sie werde nun nicht mit nach London kommen. Rudolf sagte, er würde ihr nie diese Worte vergeben, es sei aus zwischen ihnen.' _

Lokales.

W i I d b a d, 24. Mai. Ueber die Pfingstfeiertage hatten sich wieder trotz der ungünstigen Witterung zahlreiche Gäste in unserer Stadt eingesunden. Schon Vormittags trafen dieselben in ziemlicher Anzahl hier ein, während sich der Besuch in den Nachmittagsstunden noch bedeutend steigerte. Ausflüge in die weitere Um­gebung wurden nur vereinzelt unternom­men, die meisten Besucher widmeten ihre Zeit der Besichtigung der Vadeeinrich- tungen und sonstigen Sehenswürdigkeiten und dem Besuch der Concerte. In den Gasthäusern herrschte ein reges Leben und manche der Gäste hielten sich um besseres Wetter abzuwarten einen Tag länger als beabsichtigt hier auf. Andern Tags war das Wetter etwas besser, doch erst gestern und heute heiterte sich der Himmel vollends auf, so daß wir nun eine Reihe von schönen Lagen zu erwarten haben dürften, was im Interesse einer erfolgreichen Bade­kur unfern Gästen gewiß zu wünschen wäre.

Unter Haltendes.

Entlarvt.

Kriminalroman von Friedrich Halt.

(Fortsetzung.) (Nachdr- verboten.)

Es ist nicht nötig", eutgegnete der Rat,ich nehme das Kästchen mit, ein Sachverständiger soll beurteilen, ob dies bei der Leiche gefundene Pistol mit dem hier drinnen befindlichen gleich ist. Herr ^Neitsch, darf ich Sie bitten, das Kästchen

an sich zu nehmen. Und Sie Herr v. Ioskor, werden die Güte haben, und uns nach einenr anderen Zimmer des Hauses führen, ich habe noch das Protokoll zu vervollständigen, hier ist es mir zu dunkel."

Darf ich Sie bitten, zu folgen? er­widerte v. Ioskor, der Thür zuschreitenv, aber er hatte dieselbe noch nicht erreicht, als er sich zum Richter zurückwandte.

Würden Sie vielleicht in meinem Zimmer Ihre Geschäfte beendigen?" fragte er,ich hätte hier nur die Zimmer des Barons," und setzte er entschuldigend hin­zu,Sie werden es leicht erklärlich finden, daß ich heute das Betreten derselben so viel als möglich vermeiden möchte."

Es ist gleich, wohin Sie mich bringen, wenn wir nur ungestört bleiben," war die Antwort.

Joskor führte die Herren nach dem, an den Wirtschaftsgebäuden sich anschließen­den Anbau in das Zimmer, in welchen! er heute mit dem Tischler Voigt gewesen war. Der Aktuar Neitsch hatte an dem dort unmittelbar neben einem Fenster be- findlichen Schreibtisch Platz genommen, während der Rat am Tische stehen blieb.

Sie siud ein Verwandter der Frau Baronin, Herr von Noskor," begann der Richter;Sie sind jedenfalls mit den Pcivatverhältnissen, dem Leben des Ba­rons ganz vertraut, haben Sie eine Ver­mutung, was den Herrn Baron zum Selbstmord getrieben haben kann?"

Herr von Noskor schwieg, er sah leicht verlegen vor sich nieder, dann nach einem Augenblrck zu dem Richter hin, und als er dessen Blick begegnete, war eine innere Unruhe, eine große Verlegenheit auf sei­nem Gesichte zu bemerken.

Sie müssen mir eine Antwort geben, rückhaltslos sagen, was Sie über den Tod über die Veranlassung zu demselben wissen, mahnte der Rat.

Der Richter bekam wohl jetzt eine Ant­wort, aber sie wurde jetzt sehr unsicher gegeben.

Ich weiß es nicht," erwiderte Herr von Joskor.

Der Justizrat schien es nicht gehört zu haben, oder wollte er diese Unwahr­heit ignoriren? Denn, daß das Gesagte unwahr sei, war nicht schwer zu erkennen.

Haben Sie den Schuß gehört, der den Baron getötet hat? fragte der Rat.

Ja, ich befand mich mit dem Arbeiter Kahle unten bei den Bauhölzern.

Es war ohne Zögern gesagt, bestimmt, schnell.

Herr von Joskor hatte hier nichts zu verbergen.

Und dann?"

Eilte ich mit dem Arbeiter nach dem Park."

Weshalb? Fanden Sie es denn gar so auffällig, daß dort ein Schuß gefallen?"

Ja, ich fürchtete ein Unglück ich muß dies fürchten."

Der Rat schwieg, er fragte nicht, aber dies Schweigen mußte doch von Herrn v. Joskor als eine Frage angesehen werden, denn er fuhr nach einer Pause fort:

Schon seit zwei Monaten ist das Be­treten des Parks streng untersagt; da ich deshalb keinen Fremden dort wußte, und der Baron etwa zehn Minuten vorher hineingegangen war, so konnte ich mir nur sagen, daß nur ihm der Schuß ge­golten, oder vielmehr-"