Das Geld solle bei Slupna bei Myslo- witz in der Nähe der Dreikaiserecke an einem bestimmten Orte niedergelegt wer­den. Die Polizei befindet sich in fieber- Hafter Thätigkeit, es gelang aber noch nicht, etwas zn ermitteln.

Berlin, 31. Jan. Die Budgetkom­mission des Reichstages setzte 147000 Mk. für das Garnisonslazaret in Stutt­gart an, und genehmigte nur 10000 Mk. für den Entwurf eines Neubaues.

Berlin, 31. Jan. (Reichstag.) Forts, der Beratung des Etats für Kiautschou. Bebel (Soz.): Die Worte des Staats­sekretärs klangen nicht sehr zuversichtlich. Bezüglich der Kohlenlager müssen wir abwarten. Die sanitären Verhältnisse sind eingestandenermaßen ungünstig. Was bedeutet der Ausdruckmaritimer Stütz­punkt" ? Soll Kiautschou etwa ein Kriegs­hafen werden. Hierüber muß dem Reichs­tage Klarheit werden. Staatssekretär Tirpitz führt aus: Hätten wir nicht zu­gegriffen, so hätten dies andere ge- than. Die Vorteile kommen keineswegs nur wenigen kapitalkräftigen Kreisen zu gute. So ist z. B. England durch seine Kolonien in allen Kreisen seines Volkes erstarkt. Eine große Politik muß mit einem weiteren Zeitraum als von heute auf morgen rechnen. Unsere Haltung be­züglich Kiautschou ist durchaus maßvoll. Wir nahmen nur gerade so viel, als wir notwendig zu einem Stapelplatz und Um­ladeplatz brauchten. Weiter ist in Kiaut­schou nichts beabsichtigt. Staatssekretär Tirpitz legt hieraus nochmals die sanitären Verhältnisse dar und weist nach, daß Kiautschou kein ungünstiger Ort in ge­sundheitlicher Beziehung sei. Der Abge­ordnete Bebel hat zugegeben, daß Eng- land durch seine Kolonialpolitik zur Wohl­habenheit gelangte. Wir müssen doch ein­mal anfangen. Würde der Abgeordnete Bebel einmal eine Reise um die Welt machen und zu den deutschen Kolonien gehen, würde er andere Ansichten nach Hause bringen. (Heiterkeit.) Redner kon­statiert schließlich mit Freude, daß unsere Hansastädte, nachdem sie den Glauben gewonnen haben, daß Deutschland Kraft zum aktiven Handel habe, freudig unserer Kolonialpolitik zugestimmt haben. Der Etat von Kiautschou wird bei der Ab­stimmung gegen die Stimmen der Sozial­demokraten angenommen. Auf der Tages­ordnung steht die dritte Beratung des Antrags Hompesch, betreffend die Aufheb­ung des Jesuitengesetzes. Rickert (freis. Vgg.) spricht die Erwartung aus, der Abgeordnete Lieber werde den bei der früheren Beratung gegen die Schweiz ge­richteten Angriff, daß dort Königs- und Frauenmörder frei umherliesen, berichtigen. Dr. Lieber (Zentr.) führt aus, er habe nicht das schweizerische Volk beleidigen wollen, sondern lediglich die Verweisung aus die Schweiz als Vorbild für Deutsch­land in der Frage der Zulassung der Je­suiten mit dem Hinweis auf das bekannte Asylrecht zurückweisen wollen. Wenn er die schweizerische Regierung beleidigt habe, würde der Präsident ihn zur Ordnung gerufen haben, da er dies aber nicht ge- than, habe die Schweiz kein Recht, sich in die Verhandlungsfreiheit des deutschen Reichstags einzumischen. Das Schweizcr- volk stehe ihm viel zu hoch, um es hier zu beleidigen wo es sich nicht vertei­digen könnte. Bebel (Soz.) führt aus:

In der Schweiz würden Frauen- und Königsmörder nicht beschützt. Die Teil­nahme der Schweiz nach dem Attentate sei so rückhaltslos gewesen, daß auch Oest- reich dies öffentlich anerkannte. Deshalb habe auch die Schweiz die Aeutzerung Liebers empfindlich nehmen müssen. Rik- ert (fr. Vgg.) Der Abgeordnete Lieber habe das Bedürfnis gefühlt, seinen Aeuße- rungen das ^Verletzende und Beleidigende zu nehmen. Einer großen Nation stehe es nicht an, kleinere zu beleidigen. Lieber (Z.) erklärt, er sei von denBasler Nach­richten" sc scharf angegriffen worden, daß er gerne die Gelegenheit zu einer Erklä­rung benütze. Redner wendet sich noch­mals gegen die Ausführungen Bebels, als ob er behauptet hätte, daß in der Schweiz Frauen- und Königsmörder gezüchtet würden. Sattler (natlib.) verlangt nach­drücklich den endlichen Uebergang zur Tagesordnung. Bei der Abstimmung wurde der Antrag betr. Aufhebung des Jesuitengesetzes angenommen.

Das Armeeverordnungsblatt publiziert eine kaiserliche Kabiuetsordre, die eine Aenderung der Dienstbezeichnungen der Lazarettgehilfen bestimmt. Zum Sa­nitätskorps gehörende Lazarettgehilfen mit Unteroffizierrang erhalten die Bezeichnung Sanitätsunteroffiziere. Innerhalb dieser werden folgende Dienstgrade unterschieden: Sanitätsfeldwebel sind Oberlazarettge­hilfen mit der Berechtigung zum Tragen des Offiziersseitengewehrs, Sanitätsserge­anten die übrigen Oberlazarettgehilfen, Sanitätsunteroffiziere sind die bisherigen Lazarettgehilfen. Die Unterlazarettgehilfen und Lazarettgehilfenvertreter erhalten die Dienstbezeichnung Sanitätsgefreite und Sanitätssoldaten. Gebührnisse und Grad­abzeichen der Sanitätsfeldwebel bleiben unverändert.

Sofia, 31. Jan. Ueber das Ab­leben der Fürstin meldet dieAgence Bulgare": Die Hofärzte schreiben den Tod der Fürstin der Influenza zu, der sich Lungenentzündung zugesellt hatte, und der verfrühten Niederkunft. Die Nach­richt rief unter der Bevölkerung tiefste Bestürzung hervor. Die Häuser der Haupt­stadt tragen Trauerschmuck. Das Palais ist seit heute Früh von einer großen Menschenmenge umlagert. Ueberall gibt sich tiefste Teilnahme kund.

WnterHaltenöes.

Marietta.

(Nachdr. verboten.)

Auf der schönen breiten Promenade zu Abazzia, welche fleißig von den Frem­den und Kurgästen benutzt wird, fand sich jeden schönen sonnigen Tag ein halb zerlumptes schwarzlockiges Mädchen ein, welches einen kleineren Knaben mit sich führte und einen großen Korb duftender Blumen trug, aus welchem sie zierliche Sträußchen band und den Vorübergehen­den zum Verkauf anbot. Dabei sang sie schwermütige italienische Lieder, während der kleine Krauskopf zu ihren Füßen lag und träumerisch vor sich hin blickte.

Die merkwürdig schöne, klare Sopran- stimme des Mädchens erweckte die Auf­merksamkeit der Vorübergehenden, auch die Kaiserlichen Prinzen, welche mit ihren Erziehern spazieren gingen, horchten hoch auf, blieben stehen und kauften dem Mäd­

chen die schönsten Sträuße ab, welche sie ihrer Mutter, der Kaiserin, brachten.

Dieser Vorgang wiederholte sich mehr­mals, die Prinzen, welche selbst musika­lisch sind und den besten Unterricht ge­nießen, sprachen so entzückt über den Ge­sang des Mädchens, daß die Kaiserin die­selbe zu sehen verlangte.

So wurde Marietta in den Park der Villa geführt, welche die Kaiserin in Abaz­zia bewohnte, sie mußte der hohen Frau etwas Vorsingen, welche darauf freundlich mit ihr sprach und sich nach ihren Ver­hältnissen erkundigte, die recht traurig waren. Ihr Vater war lange todt, ihre Mutter erblindet und Marietta selbst er­warb nur sehr notdürftig durch ihren Blumenverkauf den Unterhalt für die Familie; freilich mußte sie zuweilen in der Kirche singen und der gute Priester beschenkte sie stets reichlich dafür.

Die Kaiserin hegte den Wunsch, die überraschend schöne Stimme des Mädchens ausbilden zu lassen und schickte deshalb zu deren Angehörigen, hier stieß sie aber auf hartnäckigen Widerstand, etwas, das der Kaiserin ganz neu war.

Die blinde Mutter wollte sich unter keinen Umständen von der Tochter tren­nen, die außerdem den dürftigen Haus­halt besorgen müsse und daheim unent­behrlich sei. Vergebens wurde ihr vor­gestellt, daß Marietta ein Kapital in der Kehle trage, welches reiche Zinsen bringe, Mutter und Bruder in Wohlstand ver­setzen würde, einstweilen sollten beide gegen gute Bezahlung bei Verwandten verpflegt werden.

Umsonst, Frau Ganetta bestand da­rauf in dem baufälligen Häuschen zu bleiben, wo sie mit ihrem Petro so glück­lich gewesen, schon eine Tochter sei vor Jahren gegangen, weil sie ihre Stimme ausbilden lassen sollte und man habe nie wieder etwas von ihr gehört! Marietta solle nicht in die Welt, welche den jungen Mädchen zum Verderben wird, sondern in ihrer Heimat bleiben und später den jungen Giovanni heiraten, der jetzt in den Bergen weile.

Die Kaiserin von Deutschland kenne sie nicht und ginge sie nichts an. Dabei blieb die alte Frau!

Marietta war freilich nicht ganz ein­verstanden mit diesen Ansichten, aber eine heilige Scheu packte sie vor der mächtigen Frau, die es gewagt, ihrer Mutter ent­gegen zu treten, welche bei den Frauen des Volkes, ihrer Blindheit wegen, als Autorität galt.

Indessen verschwand Marietta spur­los von der Promenade Abazzias zum Bedauern aller Kurgäste und selbst der Kaiserlichen Familie. Bei den stets, wech­selnden Eindrücken und Erlebnissen ver­blaßte ihr Bild allmählich, und die Er­innerung an ihren herrlichen Gesang!

Da tauchte plötzlich Paolo, Mariettas Bruder, wieder auf der Promenade auf und verkaufte duftige Sträuße, die augen­scheinlich von sinniger Mädchenhand zu­sammengestellt waren. Alles bestürmte ihn mit Fragen nach Marietta, auch eine grade vorübergehende Hofdame schloß sich den Fragenden an, denn sie kannte das Interesse der Kaiserin für dieselbe, aber der Knabe blieb stumm. Entweder wußte er wirklich nicht, wo die Schwester war, oder durfte er es nicht sagen; da er aber seine Blumen schnell und gut verkaufte