Frankfurt a. M., 13. Jan. Ein Konsortium, bestehend aus der Deutschen Genossenschaftsbank von Sörgel, Parri- sius und Co. in Frankfurt a. M. und Berlin und den Bankhäusern Baß und Herz und Co und E. Wertheimber in Frankfurt a. M., Dörtenbach n. Co. und Breuning und Fischer in Stuttgart, Haröy und Co. in Berlin und Veit L. Hamburger in Karlsruhe wird ein Bankinstitut mit dem Sitz in Stuttgart ins Leben rufen. Die Bank wird den Namen „Württ. Landesbank" führen und mit einem Kapital von 5 Millionen Mark ausgestattet werden. Die Konstitnirung wird alsbald erfolgen.
Potsdam. Zu dem Besuch der zwei Feuerwehrleute im Schlafgemach des Kaisers (nicht der Kaiserin, wie verschiedene Blätter berichtet) weiß ein Blatt noch zu berichten: Die Feuerwehrpatrouillen im Stadtschloß zu Potsdam gehen während der Anwesenheit des Kaiserpaares in- ftruktionsmäßig zur Nachtzeit durch alle Teile des großen Gebäudes, um ein etwa anskommendes Feuer im Entstehen zu unterdrücken. Die Vorsicht ist geboten durch die etwas winklige Bauart der Treppen und Korridore. Die Patrouille, die stündlich abgelöst wird, besteht aus einem Oberfeuermann und einem jüngeren Kameraden. In einer der letzten Nächte ereignete sich nun das mitgeteilte Vorkommnis. Der die Patrouille führende Feuerwehrmann schlug im zweiten Stockwerk des Lustgartenflügels den Weg statt nach links nach rechts in die für den Patrouillengang verbotenen Gemächer ein. Auf den Anruf des durch das Geräusch aus dem Schlummer geweckten Kaisers: „Wer da?" meldete der Patrouillenführer: „Zwei Mann auf Feuerwehrpatronille!" und zog die Thüre sacht hinter stich zu. Hiemit mar der „Zwischenfall" erledigt. Oder richtiger, er fand seine Fortsetzung am nächsten Morgen durch den Kaiser selbst. Dieser erklärte nämlich, daß er sich über die unvermutete Feuervisitation amüsiert habe. Es wurde daher von einer Bestrafung der Ruhestörer um deswillen abgesehen, weil angenommen wurde, daß hier ein entschuldbares Versehen vorliege. Gleichzeitig erfolgte eine erneute Instruktion der Patrouillen.
— Im letzten Herbst starb in Leipzig ein Mann, der wegen seiner Eigentümlichkeiten weit bekannt war, der Rentier Ritter, russischer Unterthau. Er liebte es, in den abgetragensten Kleidern — gute besaß er überhaupt nicht — sich in die elegantesten Cafes u. Restaurants zu setzen, dort vielleicht eine Tasse Thee oder Kaffee zü bestellen und dann mit einem Zwanzigmarkstück zu bezahlen, auf das er vom Kellner sich nichts herausgeben ließ. Nach seinem Tode nahm das russische Konsulat den Nachlaß für die Erben in seine Obhut. In dem Zimmer eines hiesigen Hotels, in dem der Verstorbene lange Jahre gewohnt hatte, fanden sich allerhand alte Sachen, aber kein bares Geld oder Staatspapiere, abgesehen von Depotscheinen von Banken in Frankfurt, Berlin und Petersburg. Nun war es aber bekannt, daß der Verstorbene die Gewohnheit gehabt hatte, einen großen Teil seines Vermögens stets in Wertpapieren bei sich zu tragen und nach deren Verbleib begannen jetzt dieNachsorschungen. Man erfuhr, daß Ritter mit der Familie
des Buffetiers Dürre am Thüringer Bahn- Hof sehr befreundet gewesen war und dieser war auch im Besitz eines Kastens mit Wertpapieren, die er nach seiner Angabe von Ritter zum Geschenk bekommen hat. Bei der Prüfung des Inhalts der Kassette stellte es sich heraus,daß diePapiere einen Wert von einer halben Mill Mark repräsentirten. Das Konsulat hat diese Summe mit Beschlag belegt und wird sie auf die Dauer von acht Monaten verwalten, während welcher Zeit Dürre den unanfechtbaren Beweis für die erfolgte Schenkung erbringen muß. Kann er das nicht, dann wird das Geld mit den übrigen Hinterlassenschaften an die rechtmäßigen Erben ausgefolgt werden.
WnterHaltenöes.
Der Roman eines Drahtseil- Künstlers.
Von R. E- Joung. (Nachdruck verboten.)
Es sind dreißig Jahre her, als ich aus meinem Zelt heraustrat, auf dem entgegengesetzten Flußufer zu Montreal. Es war ein großes Fest — ich habe vergessen, welches und wofür. Ich erinnere mich nur an Montreal und den Fluß.
Nun, es thut nie gut, wenn der Mann, der sein Leben in seinem Berufe stets daransetzen muß, eines Weibes Bild in seinen Gedanken trägt. Was mich anbelangt, kannte ich dazumal nicht, was Nerven seien. Aber da war die kleine Lola Lloyd — ein reines Kind, als ihre Mutter, die beste Tänzerin unserer Truppe, starb. Lola — o, wie deutlich sehe ich das Kind vor mir, wie es in die Hände klatschte, wenn ich mich aüf mein Draht- seil im Cirkus schwang! Und wie feuchte Nebel sich auf ihre braunen Sammtaugen legten, als ich ihr einige Jahre später sagte, ich wollte fort, ich hätte ein Engagement für eine Welttour angenommen. „Ob ich auf Euch warten will, Marco?" flüsterte sie auf meine Frage. „Ja, Ihr könnt sicher sein, ich will warten — doch bleibt nicht zu lange!"
Ich ließ sie in einer Tanzschule und blieb zwei Jahre aus. Ich hatte mir Namen und Geld gemacht und eilte uach Neuyork, um Lola an ihr Versprechen zu mahnen. Ueberraschung Nummer eins: Ich fand, daß Lola dem Cirkus entwachsen, zu einer Berühmtheit als Tänzerin gelangt war und sich zum Heiraten auserwählen konnte, wen sie wollte. Ueberraschung Nummer zwei: Lola hatte sich verändert — das schöne stattliche Mädchen schauderte und schloß die Augen, wenn ich meine Spiele ans dem Drahtseile ausführte; es flüsterte mir zu, ich müsse meinen Beruf aufgeben, diesen Beruf, der mir war, was das Opium dem Opiumesser — unentbehrlich! Was steckte da dahinter? Sie wollte sich den Anschein geben, als werde sie das Versprechen, das sie mir beim Abschied gegeben, halten; und doch wieder kam es mir vor, als fürchte sie sich, mir zu gestehen, daß ich meine Arme nach einem flüchtigen Traumbild ausstrecke. Sie war still und that fremd in meiner Anwesenheit. Irgend Jemand war zwischen uns getreten.
Eines Abends, in der Mitte des Drahtseils, in der Pause vor meinem großen Trik, blickte ich wie gewöhnlich nach der Loge, in der Lola mit einem
Verwandten zu sitzen pflegte. Ein Mann stand über Lola gebeugt und sprach mit ihr in einer Weise, die keinen Zweifel zuließ, daß er um sie werbe.
Das also war es! Eine Weile war mir's, als tanzten die Lichter um mich herum, und mein Gleichgewicht war beinahe verloren. Eine Welle von Elend und Eifersucht brach über mich herein, ich fühlte ein wahnsinniges Verlangen, hinunter zu springen, hinein, mitten unter sie, und ihn zu erdrosseln, wer immer er sei. Und wahrscheinlich erkannte Lola, die Krisis sei gekommen. Als die Vorstellung beendet war und wir zusammen heimwärts gingen, summte sie leise ein Liedchen vor sich hin, als ob sie nicht ahnte, daß meine Lippen brannten, eine Aussprache herbeizuführen. Ich wußte, sie that es absichtlich, doch ich konnte es nicht über mich bringen, sie nach seinem Namen, seinen Absichten auf sie zu fragen. Wir schieden diesen Abend ohne ein „Gute Nacht" — ich und das Mädchen, das ich liebte, wie man nur einmal liebt.
Einige Tage lang legten wir uns auf's Spioniren, ich und Jimmy mein vertrauter Diener, der mich immer begleitete und den ich auf den Schultern über das Seil zu tragen pflegte, denn er hatte keine Spur von Angst. In kurzer Zeit hatten wir es heraus. Es war der Tanzlehrer der Schule, die sie früher besuchte; ein netter Junge mit den weißen Zähnen und dem gewinnenden Lächeln, was die Frauen immer zu begeistern scheint. Sie ihrerseits war sich über ihre Gefühle vielleicht selbst nicht recht im Klaren. Er aber folgte ihr wie ihr Schatten und ich kam vor Eifersucht nicht dazu, ihr ein offenes Wort zu sagen und sie aufzufordern, zwischen uns ehrlich zn wählen. Es entspann sich ein stiller, verzweifelter Kampf.
Eines Abends sprach ich spät bei Lola vor. Ich hatte wichtige Nachrichten: einen äußerst vorteilhaften Antrag für dreißig Vorstellungen auf einem bei Montreal über deu Fluß gespannten Drahtseil. Ich wollte nun eine Entscheidung von Lola holen, ehe ich Neuyork verließ. Und was hörte ich? Lola hatte am selben Tage einen Antrag angenommen, in der neuen Halle in Montreal aufzutreten. Das war ein Meisterzug! So verschwanden wir zusammen und Mr. Blanchard — das war der Name meines Nebenbuhlers — hatte das Nachsehen. Ganz glücklich verließ ich das Haus. Gegenüber stand Blanchard und starrte nach Lola's Fenstern. Ich konnte mich nicht überwinden, trat an ihn heran und sagte: „Nehmen Sie sich in Acht, mein Herr! Sie dürften vergeblich seufzen — die Dame wird binnen Kurzem meine Frau!^
Er lachte. „Das ist befremdend; denn ich hoffe, sie soll baldigst die meine werden!" (Schluß folgt.)
Bermis chtes.
— Ju Darmstadt bezeugen, wie „W. Z." berichtet, höhere Töchterschülerinnen ihre Begeisterung für einen dortige» Opernsänger u. A. damit, daß sie dessen Namen ans dem Theaterzettel schneiden, dieses Papierschnitzel dann in die Choko- lade oder den Kaffee legen und es mit diesen Getränken in ihrem Magen verschwinden lassen.