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der Parteistellung mit Trauerrand. Im ganzen Lande wird der Tod Gladstones als nationaler Verlust anerkannt. Die öffentlichen Gebäude und zahlreiche Privathäuser haben auf Halbmast geflaggt. Der Witwe gingen Beileidsschreiben der Königin, des Prinzen von Wales und der übrigen Mitglieder des Königs- Hauses zu. Mit William Gladstone ist Englands bedeutendster Staatsmann der Gegenwart hinweggerafft worden, nachdem er ein Alter von 88 Jahren erreicht. Er war geboren am 29. Dez. 1809, als Sohn eines reichen Kaufmanns in Liverpool und wurde schon mit 23 Jahren, nachdem er kaum seine Studien beendet, in das Unterhaus gewählt. 66 Jahre stand er mitten im öffentlichen Leben Englands, meist in hervorragender Stellung. Zuletzt als Premier - Minister. — Alle Blätter zollen dem Genius und den großen Thaten Gladstones ihre Verehrung und heben hervor, daß mit Gladstone eine Epoche vorübergegangen ist. Times bezeichnet ihn als den ersten Engländer seiner Zeit, dessen Persönlichkeit immer ein Ruhm für den britischen Namen bleiben werde. An seinem Toden- bette treten alle politischen Leidenschaften und Parteiunterschiede zurück. Gladstones hervorragende Eigenschaften als Politiker werden in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern so voll gewürdigt, daß es selbst seine anspruchsvollsten Bewunderer in England befriedigen müsse. Die konservativen Blätter gehen leicht über das hinweg, was sie als seine Fehler in der Politik bezeichnen und sprechen hauptsächlich von seinen wunderbaren Geistes- eigenschasten.
London, 18. Mai. Der „Daily Telegraph" meldet aus Tientsin vom 17. d. M., Japan sei bereit, sich England zu einer bestimmten aktiven Politik anzuschließen, die darauf berechnet sei, eine Kontrolle über die Regierung in Peking auszuüben, die Einführung von Reformen in der chinesischen Verwaltung zu veranlassen, sich Rußland entgegenznstellen und China vor der Anarchie und der vollständigen Aufsaugung zu schützen. Japan sei ferner bereit, 300000 Mann Truppen auf dem Festland zu stationieren und außerdem mit seiner Flotte England Beistand zu leisten.
Chartres (Frankreich), 19. Mai. Eine heftige Feuersbrunst zerstörte fast das ganze Dorf Puits-Dronet bei Chartres. 22 Häuser mit allen Scheunen sind ein Raub der Flammen geworden. 3 Kinder und 2 Erwachsene sind in den Flammen umgekommen.
Madrid, 20. Mai. Ein offizielles Telegramm meldet, das spanische Geschwader unter dem Befehl des Admirals Cervera sei ohne Anfall in Santiago de Cuba angekommen. Diese Nachricht hat in Madrid großen Enthusiasmus her- vorgerusen.
Nischni-Nowgorod, 20. Mai. Eine Feuersbrunst zerstörte 200 Wohnhäuser und eine neuerbaute russische Kirche. Der Sachschaden wird auf 2 Vs Will, geschätzt.
Key-West, 20. Mai. In dem jüngsten Gefechte bei Ciensucgos sollen 300 Spanier getötet, mehrere 100 verwundet worden sein. Längs der Küste sei großer Schaden angerichtet.
Drei Pfingsten.
Ein Pfingstgeschichte von Max Stempel. tNachdrnck verboten.!
2 .
Am Pfingstvormittag, pünktlich um zehn Uhr, stand Paul Richter vor einer hohen, gußeisernen Thür im Villenviertel der Stadt und drückte schüchtern auf den Knopf der elektrischen Klingel. Hier also wohnte, wie auf der Visitenkarte zu lesen stand, der Konsul Johann Dietrich Zeusen. Die Thür that sich auf und ein würdevoll blickender Portier wies den Knaben die teppichbelegten Marmorstufen empor in den ersten Stock.
Der weißbärtige Konsul empfing seinen kleinen Schützling mit einer Herzlichkeit, die sofort allem Herzklopfen des armen Burschen ein Ende machte. „Fritz! Cilli!" rief er händeklatschend, „hier ist Paul Richter, der mir die hübschen Maien verkauft hat!" Ein schlanker Herr mit ernstem, aber gütigen Gesichtsausdruck trat herein; an der Hand führte er ein blondgelocktes fünfjähriges Mädchen.
„Du möchtest also gerne viel Geld verdienen?" nahm der Herr, den der Alte „Fritz" nannte das Wort. „Schön, mein Junge; ich werde, denn Du willst dafür sorgen, daß Du ein tüchtiger Kaufmann wirst. Freilich muht Du mich dann weit, weit weg nach Hamburg begleiten. Hast Du Lust dazu oder bleibst Du lieber zu Hause bei Muttern?"
Paul erklärte sich freiwillig bereit, bis ans Ende der Welt zu folgen, wenn seine Eltern es erlaubten. Der angehende Kaufmann wurde alsdann mit Kaffee und Kuchen festlich bewirtet, und Cilli, die sich rasch mit dem jugendlichen Gefährten befreundete, zeigte ihm, ehe er ging, ein prächtiges Oelbild, das anmutig mit den gestern von ihm erstandenen Maien geschmückt war. „Das ist meine Mama," sagte sie stolz. „Großpapa und Papa und ich haben so schrecklich geweint, als sie starb. Ich weiß aber, daß sie bei den lieben Engeln im Himmel ist, und darum weine ich nun nicht mehr."
Gleich am Pfingstmontag einigte sich der fremde Herr mit Pauls Eltern, und wenige Tage später dampfte der kleine Maienkäfer, von den heißen Thränen und Segenswünschen der Mutter begleitet, mit seinem großmütigen Chef und dessen lieblichem Töchterlein Cäcilie nach Hamburg ab, um dort als bescheidener Lehrling in das geachtete Handelshaus von Friedrich Wedekind zu treten.
3.
Fünfzehn Jahre sind in's Land gegangen. Paul Richter ist wirklich ein tüchtiger Kaufmann geworden; er hat sich vom Lehrling zum Commis, vom Commis zum Buchhalter und Prokuristen, und schließlich zum gleichberechtigten Chef des Hamburger Handelshauses aufge-
schwungen. Der zarte schwächliche Knabe ist zum starken, breitschultrigen Manne j herangewachsen, der durch seinen geschäftlichen Weitblick, seine Thatkraft und Jn- ^ telligenz die Firma Wedekind zum Range einer Weltfirma emporgeführt hat. Er verfügt über ein fürstliches Einkommen, er besitzt das unbeschränkte Vertrauen seines ehemaligen Chefs und jetzigen Geschäftsteilhabers, er hat es verstanden, sich die Liebe der schönen Cäcilie, die zur schmucken Jungfrau erblüht ist, zu gewinnen.
Die Segenswünsche der fernen Mutter sind herrlich in Erfüllung gegangen. Schon längst braucht sie nicht mehr in dumpfen Großstadtkellern zu Hausen; sie schaltet wieder sorgenlos in dem idyllischen Heimatsdörfchen auf der eigenen Scholle, die sie als Schenkung dem freien Entschlüsse des Sohnes verdankt. Der Vater; zwar ging an den Folgen der Trunksucht elend zu Grunde und Paul hat ihm keine Thräne nachgeweint; wer aber möchte ihn deßhalb schelten? Nein: man darf es ihm redlich gönnen, daß er heute, am Pfingstfest nach fünfzehn Jahren, die holdselige Cäcilie als Gattin heimführt.
Auch Muttchen ist zur Hochzeit ihres einzigen, über Alles geliebten Jungen herbeigeeilt. Aber auch die schlichte Frau hat den Paul von früher nicht ivieder gefunden. Dieser hohe Mann da im tadellosen Frack, mit dem ewig kühlen, fast spöttischen Lächeln um die Lippen, hat mit ihrem frischen, frohen, freimütigen Paul keine Aehnlichkeit mehr. Sie schämt sich vor ihm ihrer altmodischen Empfindungen und es durchrieselte sie eiskalt, als er nach der Trauungsceremonie, während sie stammelnd ihre Glückwünsche darbringt, sich flüchtig zu ihr herabneigt und gewissermaßen wohlwollend ihre Stirn küßt. (Schluß folgt.)
Vermischtes.
— Das neueste Schmuckstück der „eleganten Welt" Nerv-Jorks ist ein Verlo- bungsriug, der — oberhalb des Fußknöchels getragen wird. Der Ring, der natürlich nur bei den meist von den Amerikanerinnen getragenen Halbstiefeln verwendbar ist, ähnelt einem Armband, das dem Gelenk der Braut angemessen wird und so gearbeitet ist, daß die Trägerin den Strumpf bequem aus- und anziehen kann, ohne den Ring abzunehmen. Dieser besteht aus Gold und ist mit einem kleinen Schloß versehen, zu dem der Bräutigam allein den Schlüssel besitzt. Während des Laufens wird das Juwel beim Heben des Kleides sichtbar.
(Angenehm enttäuscht.) Arzt: „Leider müssen wir, wenn Ihr Leben gerettet werden soll, das linke Bein amputieren." — Kranker: „Bin ich aber froh, Herr Doktor, ich fürchtete schon, Sie könnten mir am End' das Bier verbieten!"
(Endlich.) Köchin: „Aujust, heut bekommst du einen Jänsebraten." — „End- lich einmal ein geflügeltes Wort!"
nach Kopf und Brust, Schwindel, Flimmern der Uri Augen, Kopfschmerzen und Verstopfung leidet
sollte stets für tägliche ergiebige Leibesöffnung Sorge tragen. Die von zahlreichen angesehenen Professoren der Medizin geprüften und empfohlenen Apotheker Rich. Brandt's Schweizerpillen sind das einzige Mittel, welches auf angenehme, sichere und absolut unschädliche Weise wirkt und dabei nur 5 Pfennige pro Tag kostet. Erhältlich nur in Schachteln zu Mk. 1.— in den Apotheken. Die Bestandtheile der ächten Apotheker Richard Brandt'schen Schweizerpillen sind Extracte von: Tilge 1,5 Gr., Moschusgarbe, Alve, Absynt je 1 Gr. Bitterklee, Gentian je 0,5 Gr- Bitterkleepulver in gleichen Theilen und im Quantum, um daraus 50 Pillen im Gewicht von 0,12 Gr. herzustellen.