Amtsblatt für öie Staöt Witöbad- enersrl-Anzeiger für Küdbad und Dwgebung.
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Älr. 1OS.
Samstag. II. September 1897.
33. Jahrgang
Württemberg
— Der Gesellschaftsausschuß der All- gem. Rentenanstalt in Stuttgart hat in seiner Sitzung vom 7. Sept. an Stelle des schwer erkrankten und am 1. Okt. d. I. iit den Ruhestand tretenden Direktors, Kommerz.Rat Huber, den Bankier und Landtagsabg. Gustav Pfasf in Cannstatt zum Direktor der Anstalt gewählt.
Cannstatt, 6. Sept. Aus dem Wasen Hierselbst fand heute Vormittag die Versteigerung der Wirtschaftsplätze für das nächste Volksfest statt. Das regnerische Wetter schien die Steigerungslnst der zahlreich anwesenden Wirte keineswegs zu beeinträchtigen. Den höchsten Preis mit 1000 ^ für eine Doppelbude zahlte G. Hieber zur badischen Weinstube, Stuttgart; Mergenthaler-Stuttgart und Büttner und Wohlgemuth-Stuttgart erwarben ihre Plätze um je 825 Für den geringsten offenen Platz wurde 30 gelöst. Der Gesamterlös für Wirtschaftsplätze betrug 11617 ./e. Die Bachnerffche Brauerei Stuttgart hat sich bekanntlich den Platz unter der Brücke für 5 Volksfeste bis 1899 schon zum voraus gesichert.
Calw, 6. Sept. Gestern wurde in N enh en gstett, dem eine Stunde von hier mitten im Walde gelegenen Waldenserorte, das Waldenserfest gefeiert. Der Ort wurde im Jahre 1699 unter dem Herzog Eberhard Ludwig von sehr armen Waldensern gegründet, welche den unfruchtbaren Boden um billigen Preis erwarben, sich hier ansiedelten und durch großen Fleiß und Sparsamkeit den neugegründe» ten Ort emporbrachten. Die jetzigen Bewohner arbeiten meistens in hiesigen Geschäften und sind ihrem religiösen Bekenntnis nach sämtlich evangelisch; früher hatten sie eigene französische Lehrer und Geistliche, jetzt werden sie von württem- bergischen Theologen und Lehrern unterrichtet. Nur ganz alte Leute verstehen noch französisch. Zn dem gestrigen Feste strömten die Gäste von den Ortschaften Pinache, Perouse, Serres, Groß- und Klein-Villars, Nordhansen u. a. in großen Schaaren herbei, so daß der festlich geschmückte Ort einige Tausend Personen in den Gasthöfen und Privathäusern beherbergen mußte. Das Fest wurde unter freiem Himmel abgehalten und wurde vom Wetter sehr begünstigt. Als Redner traten auf Pfarrverweser Kurz, Stadtpfarrer Heidenreich ans Tübingen, der die eigentliche Festrede übernommen hatte, Pfarrer
Traub und Dekan Roos hier. Eine gesellige Unterhaltung beschloß die Feier.
Al ten steig, 8. Sept. Seit einigen Wochen war bei Lehrer Brendle hier ein 17jähriger Togoneger. Derselbe ist ein Zögling der Lehranstalt des Pfarrers Binder in Westheim bei Hall, der früher Missionar im Togogebiet war. Bis jetzt sind 20 junge Neger in Westheim aus- gebildet, um später in Deutschwestasrika als Lehrer zu wirken. Sie erhalten neben dem Unterricht in ihrer Muttersprache (Ewe-Sprache), im Deutschen und Englischen, Unterweisung in der christlichen Religion, Schulkunde, Geschichte, Naturkunde, Geographie, Rechnen und Musik. Der hier anwesende Neger ist jetzt zwei Jahre in der Anstalt und wird nächstes Jahr daraus entlassen, um nach Afrika zu gehen. Ter deutschen und englischen Sprache ist er vollständig mächtig und auch sonst gut unterrichtet, im Umgang anständig, höflich und bescheiden. Für größere Fußtouren in die Wälder hat er eine große Vorliebe, auch das Radfahren erlernte er hier und hat in kurzer Zeit eine große Gewandheit darin erlangt.
Rottweil, 8. Sept. Die Staatsanwaltschaft hat in dem von dem Frhrn. Oskar v. Münch zu Hohenmühringen geführten Prozeß wegen Aufhebung der Entmündigung auf die Berufung gegen das Urteil der Zivilkammer Rottweil, das die Entmündigung des Frhrn. v. Münch aufgehoben hat, verzichtet. Es hat hienach das erwähnte Urteil Rechtskraft erlangt und v. Münch ist wieder zur Selbstverwaltung seiner Güter berechtigt.
Runds ch au.
Pforzheim, 7. Sept. Professor Or. Lueger in Stuttgart hat im Aufträge unserer Stadtverwaltung einen allgemeinen Kanalisationsplan für Pforzheim gefertigt und werden die Sachverständigen Ende September zu einer Besprechung über denselben hier znsammentreten. Die Kanali- ^ sation wird auf 40- Millionen zu stehen kommen, ist aber auch für eine Einwohner-! schaft von 70000 Seelen berechnet. Mehr? und mehr verbreitet sich unter der hieß -Einwohnerschaft die Auffassung, daß Saalbau und Theater, zwei beschlossene städtische Unternehmungen, keineswegs dringende Bedürfnisse sind, weil die Verbesserung unserer sanitären Zustände jetzt in erster Linie steht. Einstweilen hat der Stadtrat angeordnet, daß sämmtliche Dohlen der
Stadt, private und öffentliche, zu reinigen und zu desinfizieren seien.
— Ans Karlsruhe wird geschrieben Der Aufschlag der Brotpreise erregt hier wie im Lande überhaupt eine gewisse Erregung. Es wird nämlich behauptet, daß ernmit den Getreidepreisen in gar keinem Verhältnis stehe und daß auch dem Bauern nur herabgedrückte Preise geboten werden. Zudem seien die Brotpreise seit dem früheren Getreideanfschlag nicht herabgegangen, so daß also jetzt gar kein genügender Anlaß zu neuem Aufschlag vorliege.
— Das Reichswaisenhaus Lahr hatte im Jahre 1896 eine Einnahme von 91,500 M. 25 Pf., darunter zwei Vermächtnisse mit zusammen 32,000 M. Von der Generalfechtschule wurden aufgebracht 12,400 M. Die Ausgaben beliefen sich auf 22,871 M. 58 Pf. Das Gesamtvermögen des Lahrer Waisenhauses beträgt 614,283 Mark 44 Pf. und hat im letzten Jahre eine Vermehrung von 44,010 M. 63 Pf. erfahren. Die drei Reichswaisenhäuser Lahr, Magdeburg und Schwabach besitzen zusammen ein Vermögen von 1,417,467 Mk. 64 Pf.
Konstanz 8. Sept. In etwa einem Monat sollen die ersten Turbinen der elektrischen Anlage in Rheinselden in Betrieb gesetzt werden. Ein Teil der 20 Turbinen ist für die bereits gebaute Aluminiumfabrik und für die chemische Fabrik Bitterfeld bestimmt; weitere Fabriken sollen auf dem von der Gesellschaft der Kraftwerke angekauften Terrain auf badischer und auf Schweizer Seite errichtet werden. Von den 350 Kubikmetern Wasser des Rheins werden durch das Stauwehr 300 dem Kanal zugeführt. Das Werk kostet rund 7 Mill. Francs ohne Landankanf.
Kehl, 7. Sept. Durch den wolkenbruchartigen Regen der letzten Tage sind Kinzig und Rhein bedeutend gewachsen. Die Kinzig hat an manchen Stellen überflutet. Fahrendes Volk, das sich mit 5 Wagen an der Kinzigbrücke niedergelassen hatte, mußte seinen Lagerplatz räumen.
— In der Augenklinikin Hagen werden jetzt Metallsplitter mittels eines 150 Pfd. schweren Magnetes aus verletzten Augen gezogen. Sanitütsrat Dr. Mayweg hat bisher neun Fälle behandelt, in welchem das Auge durch Eisensplitter verletzt war. Mit Hilfe des Magneten wird der Fremdkörper bis zu einer Stelle hervorgezogeu, von wo die Entfernung sich ohne operativen Eingriff ermöglichen läßt. Durch