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brief erhalten hatte, trug er in der einen Hand einen Revolver, in der andern die Laterne. Am Thore der Anstalt mußte der Mörder auf ihn gelauert haben, denn dort erhielt der Arzt einen furchtbaren Hieb auf den Kopf. Er konnte noch an der Glocke reißen, dann sank er bewußt­los nieder. Der herbeigeeilte Pförtner fand ihn in diesem Zustande. Am andern Mittag starb er, ohne nochmals zum Be­wußtsein gekommen zu sein. Der Veroacht, die That verübt zu haben, fällt auf einen entlassenen Krankenwärter, der aus Rache gehandelt habe. Ein betrübender Umstand war es, daß man die genaue Adresse der in der Nähe von Berlin wohnenden Eltern des auf so traurige Weise um's Leben Gekommenen nicht kannte, weßhalb die aufgegebenen Telegramme als unbestellbar zurückkamen.

Kempten, 6. März. Das Tages­und Anzeigebl. berichtet: Der durch seine, hauptsächlich in Konstanz verübten Schwin­deleien, als eifriger Zentrumsschriflsteller bekannte frühere Handlungskomms Scholz wußte sich auf seinem Transport nach München krank zu stellen, so daß er nach dem Kemptener Hospital gebracht werden mußte. Aus diesem ist er heute entsprun­gen.

Düsseldor.f, 8. März. Die Straf­kammer hat es abgelehnt, den Homöo­pathen Dr. Volbeding gegen eine Kau­tion von hunderttausend Mark aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Das pfälzische Schwurgericht in Zweibrückcn verurteilte die 28 Jahre alte Apollonia Geiger, geb. Obermann, und deren Mutter die 51 Jahre alte Ww. Margarethe Obermann geb. Bock, beide von Diedesfeld zum Tode. Die beiden haben den Ehemann der Apollonia Geiger, den Taglöhner Karl Geiger ermordet. Die Mörderinnen gestanden ihre schauerliche That unumwunden zu. Sie zeigten keiner­lei Reue, sagten vielmehr, daß es gut sei, daß es so gekommen, da sie mit dem Er­mordeten nicht mehr hätten leben können.

Ein kürzlich zu Berlin verstorbener Rentner Simon Blad hat die Stadt Ber­lin, Mainz und Bingen zu Haupterben seines Vermögens im Betrage von ca. M. 1250000 eingesetzt. Von der Erb­schaft fallen 2/1 der Stadt und V< den beiden Städten Mainz und Bingen zu.

In der Budgetkommission des Reichs­tags wurden heute beim Marineetat fol­gende erste Raten bewilligt: 500000 Mk. zur Armirung des PanzerschiffsFriedrich der Große"; 500000 Mk. zur Armirung der beiden Kreuzer Ll und N; 200000 Mark zur Torpedoarmirung für diese drei Kreuzer; 700000 Mk. zur Armirung von Torpedobooten. Eine längere Debatte rief die Forderung von 400 000 Mk. zur Ver­größerung der Kohlenlager und von 438000 Mk. zur Errichtung von Lager­plätzen zur Schiffskeffelheizung hervor. Schließlich wurden auch diese Forderungen bewilligt.

Berlin, 6. März. Die Anarchisten Berlins haben sich unter dem Namen Freie anarchistisch-sozialistische Vereini­gung" eine feste Organisation geschaffen. Von den Mitgliedern werden Beiträge nach Belieben erhoben. Die Vereinigung wird mehr als bisher öffentlich Ver­sammlungen abhalten. An der Spitze der Vereinigung stehen Gustav Landauer,

Spohr, Petersdorf und andere Berliner Anarchisten.

Ahlwardt hat einem Berliner Freunde mitgeteilt, daß er bestimmt von Amerika nach Deutschland zurückkehren werde. Er habe jetzt das, was ihm bis­her hauptsächlich gefehlt habe, nämlich Geld viel Geld!

Hamburg, 6. März. Die Polizei verhaftete gestern den Grafen Wilhelm von Wittenburg, der von Düsseldorf aus steckbrieflich wegen Betrugs verfolgt wird.

Kattowitz, 5. März. Das Unglück in der Kleophasgrube ist größer als man anfänglich angenommen hatte. Nach der offiziellen Liste wurden bis jetzt 86 Tote herausbefördert. 20 Tote befinden sich noch in der Grube. 25 Mann sind erstickt. Der Brand dauert fort. Ausreichende Hilfeleistungen sind im Gange.

Kattowitz, 7. März. 110 Tote sind jetzt geborgen, ein Mann wurde wunderbarer Weise noch lebend aus der Kleophasgrube gebracht. Das Rettungs­werk forderte viele Opfer, 5 Rettungs­männer sind gestorben und 30 schwer er­krankt.

Aus R otterdam wird gemeldet: Die Schadenersatzforderungen des Nord­deutschen Lloyd in Bremen an die Eigen­tümer des englischen Dampfers Crathie, der den Untergang der Elbe verschuldet hat, beträgt 565500 ff.

Paris, 7. März. Der bekannte Anarchist Fürst Krapotkin wurde in Diep- pe bei seiner Ankunft aus England aus­gewiesen. Er kehrte sofort wieder nach England zurück.

DerFigaro" nennt als mutmaß­lichen Nachfolger Herbettes auf dem Ber­liner Botschaftsposten den ehemaligen Ge­neral-Gouverneur von Algier, Cambon.

Rom, 6. März. Die Oppositions­blätter bezeichnen das diktatorische Auf­treten Crispis als einen Skandal, welchen die Bevölkerung nicht dulden dürfe. Die Blätter verlangen, daß General Bara- tieri nicht nur wie ein gemeiner Deser­teur kriegsrechtlich erschossen, sondern daß auch Crispi und seine Anhänger in An­klagezustand versetzt werden. Der Krieg gegen Menelik koste täglich 1 200 000 Francs. Diese Ausgabe würde noch ver­doppelt werden, wenn weitere 30 000 Mann nach dem Kriegsschauplätze abgehen sollten.

Die Kombination ist, wie der Frkf. Ztg." gemeldet wird, wieder ver­ändert. Da jedes Kammervotum fehlt, so wird die Frage aufgeworfen, ob ein Mi­nisterium Rudini überhaupt möglich ist, weßhalb der Ausweg gewählt wird, den Senatspräsidenten Farini mit der Kabi- netsbildung zu betrauen.

Der König wird trotz des ent­gegengesetzten Beschlusses des Minister­raths einen königlichen Prinzen, und zwar den Grafen von Turin, auf den Kriegs­schauplatz entsenden. Der österreichische Militärbevollmächtigte in Rom drückte der italienischen Regierung die wärmste Theil- nahme an dem Mißgeschick der italienischen Waffen in Afrika aus.

Rom, 6. März. In Pavia fanden neue schwere Unruhen statt. Da die Menge von der Abfahrt einer Anzahl Soldaten wußte, drang sie in den Bahnhof ein, riß die Schienen auf und warf dieselben in den Tersinifluß, so daß der Römische

Schnellzug nicht abfahren konnte. Ebenso wurden die Telegraphen- und Telephon­drähte zerrissen und andere Verheerungen angerichtet. Das anrückende Militär wurde mit Hochrufen auf die Armee empfangen. Auf die die Schienen aufreißende Menge gab die Polizei scharfe Schüße ab. Als­dann kehrte die Menge unter dem Gebrüll: Tod Crispi! iu die Stadt zurück, bom- bardirte die Präfektur mit einem Stein­hagel, zertrümmerte Schilderhäuschen der Wachtposten und verübte weiteren Unfug, bis reitende Artillerie die Straßen säu­berte. Die für Afrika bestimmten Soldaten wurden heimlich früh Morgen» mit dem Güterzug weggeschafft. Heute wurde die Garnison Pavia um zwei Kompagnien und zwei Schwadronen verstärkt.

Rom, 5. März. Das Knegsmini- sterium erfährt, daß Adigrat und Adiugri vom Feinde eingeschlossen sind. Man fürch­tet für Adigrat, daß es ungenügend mit Lebensmitteln versehen ist.

DasJournal do Comerico" hat entdeckt, daß die zu Macao gehörige Insel Lapa von den Deutschen besetzt sei. China bestritt zur Zeit des Abschlusses des Ver­trages über Macao im Jahre 1887 Por­tugals Besitzrecht. Die Frage wurde da­mals nicht geregelt, und die Insel blieb unbesetzt. In Lissabon geht das Gerücht, Barros Gomez habe in die Besitznahme der Insel durch die Deutschen eingewilligt.

Aus Amsterdam 5. dies wird ge­meldet: Die Ortschaft Asperon ist voll­ständig niedergebrannt; 2000 Personen sind obdachlos geworden; man befürchtet, daß mehrere Personen umgekommen seien.

London, 6. März. DieTimes" meldet aus Kairo unter dem 5. dies: Sechs italienische Transportschiffe mit 3344 Soldaten an Bord gingen von Port Said nach Massauah in See.

Kairo, 7. März. DerTimes" wird von hier gemeldet: Abessynier oder Derwische zerschnitten die Telegraphen­leitung zwischen Kassala und Massauah. 2000 zur Verstärkung von Kassala aus Asmara abgerückte Italiener sind, wie man befürchtet, abgeschnitten worden. Ein großes Heer von Derwischen soll Kassala bedrohen.

Vom Kriegsschauplatz auf Cuba meldet uns ein Newyorker Telegramm:

Nach Depeschen aus Havanna sind im Distrikte der Buelta de Abajo 13 Städte in Asche gelegt worden, darunter Caba- nas, Bahiahondo, San Diego Nunez, Santa Cruz, Palacios, Paso Real de San Juan, San Diego de los Banos: die Städte San Juan und San Luis stan­den noch in Flammen als die spanischen Truppen anlangten. Die Insurgenten räumten diese Städte und kehrten unter Gomez nach Matanzas und Princeton zurück.

Eine Privatdepesche von Cura- cao besagt, die Behörden erhielten die Nachricht, daß dort binnen Kurzem ein britisches Geschwader von 5 Schiffen ein- treffen wird.

Aufhebung der IWerei.

Die Frage der Aufhebung der Flößerei auf Enz und Nagold beschäftigt gegen­wärtig wieder die Beteiligten. Am 28. Februar hat mit den Beteiligten des Nagoldthales in Nagold eine Versamm-