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Schutzzollsystem habe, schon im Interesse der Kosten für die Landesverteidigung nicht ver iieren. Wenn die Prämien dem Auslande billi­gen Zucker liefern,so werden die Preise auch im Inlands nicht steigen. Er bezweifelt den Nutzen eines energischeren Vorgehensgegenüber Amerika bei einer Industrie, die ^/s aut den Ex­port angewiesen sei. DieRückkehrzurMaterial- steuer, die v. Staudy (kons.) empfohlen, ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen un­annehmbar. Die Zuckerindustrie steht vor der Frage, ob sie den überwiegenden Teil der Produktion mit Prämien und nur einen kleinen Teil ohne Prämien absetzen, oder ob sie ganz ohne Prämien arbeiten will. Die Entscheidung kann der deutschen Landwirth- schaft nicht zweifelhaft sein. (Beifall.)

Ein Parlamentsberichterst. meldet: Die konservative Fraktion des Reichstags beschloß, bei den ZZ 1300 ff. des bürger­lichen Gesetzbuchs (Eheschließung vor dem Standesbeamten) die Einfügung auch der kirchlichen Trauung, also die Einführung der fakultativen Zivilehe vorzuschlagen. (Man sieht, wohin man mit der Kom­missionsberatung des bürgerl. Ges'-B. > kommt.)

DerLokalanz." meldet aus Ham­burg: Mitten im Hafen wurde die Staats- Zoll-GarkasseBrook" von einem andern Fahrzeug in den Grund gedrückt. Bier Mann der Besatzung wurden mit in die Tiefe gerissen, der Maschinist sprang über Bord, alle wurden mit Mühe gerettet. Das Staatsfahrzeug liegt auf dem Grund.

Leipzig, 3. März. Die Buchdrucker beschlossen in einer Versammlung als Kar­dinalsforderung: Ostündige Arbeitszeit, Lohnerhöhung von 15 Proz. für Berech­nende und 5 Prozent für Gewißgeld. Etwa 2500 Personen waren anwesend.

Straßburg. Die drei Hauptge­winne der Kölner Dombau-Lotterie im Betrage von 75 000, 30 000 und 15,000 ^ sielen eine merkwürdige Laune der Glücksgöttin in ein- und dieselbe Kol­lekte in Straßburg. Das Glück hat sich auch diesmal so einsichtsvoll gezeigt, daß es das große Los von 75,000 Mk. einem Elementarlehrer im Reichslande in die Hand spielte. Der zweite Treffer kam nach dem Badischen, der drite kam in die Pfalz.

Wien, 5. März. Wie das'Extra­blatt" aus New York meldet, ist,die Hut­fabrik Danburg in Connecticut niederge­brannt. Die Ursache ist eine Benzin-Ex­plosion. 3 Feuerwehrleute und 10 Kinder sollen um's Leben gekommen sein.

Aus Prag meldet man der Franks. Ztg.: Der 15jährige Hausbesitzerssohn, Schriftsetzerlehrling Robert Pay hat in einem verrufenen Hause das Mädchen Anna Böhm durch 7 Messerstiche gräßlich er­mordet. Der jugendliche Mörder wurde am Thatorte verhaftet und gestand, den Mord geplant zu haben.

Paris, 5. März. Aus Marseille wird gemeldet, daß in der von Italienern bewohnten Vorstadt eine große Aufregung herrscht. Man befürchtet noch Zwischen­fälle während des Aufenthaltes des Präsi­denten und hat telegraphisch um Verstärk­ung der Garnison gebeten.

Paris, 5. März. Der Chef der Geheimpolizei von Bordeaux erklärte, er habe mit maßgebenden Personen den Fall Friedmann besprochen. Dessen Ausliefe­rung sei äußerst unwahrscheinlich, falls die deutsche Regierung nicht weitere Mo­tive hinzufügt.

Paris, 4. März. Sämtliche Blätter beschäftigen sich natürlich mit der Nieder­lage der Italiener. Alle konstatiren den schweren Schlag, den das Kabinel Crispi und die afrikanische Politik Italiens erhalten hat. Nur in der Abschätzung der Konse­quenzen gehen die Meinungen ein wenig aus einander. Vielfach, beispielsweise im Figaro", wird natürlich die Ansicht laut, daß das Bestehen des Dreibundes er­schüttert sei. Die Radikalen und Sozia­listen, voran Rochefort, sehen schon das Königthum Italien am Ende seiner Tage und die Republik nahe. Andere, wie der Eclair" sehen in der Niederlage eine heil­same Lehre für Italien, das nun zu ruhiger Arbeit und innerer Kolonisation zurückkehren werde. In allen Äußerungen der Presse bricht die Freude über den wahrscheinlichen Sturz des verhaßten Crispi durch.

Mailand, 4. März. In Mailand versammelten sich auf dem Domplatz gestern abend mehrere Tausend Leute, welche in die Galleria Vittoria Emanuele zogen, wo drei schwarz gekleidete Frauen, die Mutter und Schwestern eines nach Afrika geschickten Soldaten, aufgestellt waren, die auf ihren Hüten die Inschrift trugen:Wir wollen den Rückzug unserer Soldaten aus Afrika!" Die Menge wuchs allmählich auf 6000 Personen an, die unter den Rufen:Nie­der mit Crispi!" an das Nordende der Galerie vordrängten, aber, hier durch eine Soldatenabteilung zurückgetrieben, ins Rathaus zogen, wo es dem Bürgermeister durch eine begütigende Rede gelang, die Aufgeregten zu zerstreuen.

Wie verlautet, wurden die Akten in der Untersuchung gegen den General Baratieri bereits dem General-Prokurator übergeben. Die Anklage lautet auf Fahnen­flucht, weil Baratieri angeblich als einer der ersten das Schlachtfeld verlassen haben soll. Bezüglich der Kabinetskrisis wird ge­meldet, daß eine Kombination Rudini- Ricotti wahrscheinlich ist. Es sei aber auch möglich, daß die Krone neuerdings mit der Bildung des Ministeriums Crispi betrauen wird, der noch heute auf 200 Stimmen rechnen könne (?).

Rom, 5. März. Die Bildung des neuen Kabinets begegnet Schwierigkeiten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der König event. wieder Crispi mit der Neubildung beauftragt.

Aus Konstantinopel, 3 März wird dem Berl. Lokal-Anz. gemeldet. Aus Bagdad werden Ueberschwemmungen ge­meldet. Ungefähr 600 Araber u. 30 000 Stück Vieh sind umgekommen.

Newyork, 5. März. Einer De­pesche aus Havana zufolge stieß General Meleguizo mit Maceo bei Casiguas, Pro­vinz Havana, zusammen. Maceo wurde mit Verlust von 30 Toten zurückgeschlagen. Die Generale Prat und Arolas berichten, daß sie die Streitkräfte des Anführers Gomez bei Havana schlugen und zerstreuten, wobei der Führer Castillo schwer ver­wundet wurde. Die Aufständischen zündeten kleine Ortschaften in der Umgebung von Guanabaco, 5 Meilen von Havana an.

Havannah, 3. März. In den lei­tenden Kreisen wird dem Telegramm, das die Anerkennung der cubanischen Repub­lik durch den Kongreß der Bereinigten Staaten meldete, wenig Bedeutung beige­legt (?). 14000 Mann frische Truppen sind bereits hier eingetroffen. Bei Sogua

und Jngerio haben Zusammenstöße zwischen spanischenTruppen und Jnsurgenten-Abtei- lungen stattgefunden, die mit ziemlich be­deutenden Verlusten auf Seiten der Spa­nier endeten. Maceo zieht seine Streit­kräfte gegen die Stadt Havannah zusam­men. Gomez steht mitten in der Provinz Matanzas.

Die von General Wehl er ver­folgte Hauptarmee der Insurgenten hat sich zu keinem Treffen gestellt, sondern ist über die Grenze der Provinz Santa Clara gegangen.

Die Niederlage-er Italie­ner in Afrika.

Ein harter Schlag hat Italien am 1. März in den Bergen um Adua getrof­fen. Man hoffte, daß vor dem Zusam­mentritt des Parlaments, der für den 5. März vorgesehen ist, die sehnsüchtig er­wartete Nachricht über eine entscheidende Wendung der Dinge in Afrika eintreffen würde. Die Nachricht ist in der That ein­getroffen, aber es ist eine Hiobspost die niederschmetternd wirken und auch außer­halb Italiens überall, wo man dem har­ten Kampf seiner Söhne, in den abessy- nischen Alpen mit freundlicher Teilnahme folgte, und ihren Mut und ihre hohe Soldatentugenv anerkennend würdigte, auf­richtiges Bedauern Hervorrufen wird. Die Schlacht fand östlich von Adua auf der Linie Amba Carima und Mariam-Scha- vitu statt. Seitens der Italiener griffen achtzehn Bataillone mit zehn Bergbatte­rien, das heißt fünfzehntausend Mann mit sechzig Geschützen in den Kampf ein, während der Feind über hunderttausend Mann verfügte. Die Abessinier wandten auch hier ihre alte Nmgehungstaktik an. die ihnen bereits bei Amba Aladschie so trefflich geglückt war. Alle Kanonen, die man wegen der kolossalen Terrainschwie­rigkeiten nicht fortschaffen konnte, fielen in die Hände des Feindes. General Ba­ratieri verfügt über 21,500 Reguläre und 54 Geschütze und 5000 Irreguläre, denen die Schoaner 80000 Streiter entgegen­setzen konnten. Das Gelände ein zer­klüftetes, 2000 Meter hohes Gebirgspla- teau, aus dem sich zahlreiche Felsgipfel bis über 3000 Meter erheben war für die Entwicklung der militärischen Vor­teile der Italiener, die ihnen in offener Feldschlacht den Sieg über eine noch grö­ßere Uebermacht gesichert hüten, im höch- ten Grade nachteilig, da sie ihre Haupt­stärke, die Artillerie nicht entfalten konn­ten und sie außerdem ernstlich gefährdeten. Leider hat Baratieri, verleitet durch die erwähnten politischen Beweggründe, auch diesen großen Vorteil aufs Spiel gesetzt, und er hat nicht nur das Spiel, sondern auch seine gesamte Gebirgsartillerie ver­loren. Die Blätter ergehen sich in den ver­schiedensten Ansichten über die Gründe, warum Baratierie am letzten Sonntag angreifen zu müssen glaubte. DieKöln. Ztg." schreibt: General Baratierie wußte, daß man in Rom mit ängstlicher Span­nung eine Siegesnachricht aus Erythräa erwartete, ihm mußte noch überdies gerade in den letzten Tagen des Februar die ihn schmerzlich berührende Mitteilung zuge­gangen sein, daß General Baldissera zum Oberbefehlshaber ernannt sei und er in die Reihen der Unterführer zurückzutreten habe; dazu scheint die Schwierigkeit seine

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