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In Saargemünd wurde der Stadt-> rechner Jäger verhaftet, weil ein Fehlbetrag, von 32 000 Mk., der durch falsche Buchung bisher verdeckt war, bemerkt wurde. !

Wien, 28. Nov. Die Königin Nata­lie von Serbien ist russische Großgrnnd- besitzerin. Jüdischen Blättern zufolge hat sie nnn ihren Besitz in Bessarabien einem südischen Millionär namens Wartberg ver­kauft, der dort eine große Ackerbaukolonie für russische Juden gründen will.

Aus Wien wird gemeldet: Der hiesige Geschäftsinhaber Falck wurde von seinem Kompagnon Johann Fischer durch einen Hammerschlag schwer verletzt. Fischer tötete ffch alsdann durch einen Revolverschuß.

Ein Eigenkäthner in Ußbundßen hat auf dem Krankenlager gestanden, den Herzoglich Anhalt-Dessauischen Oberförster Paul von Reichenthal vor 36 Jahren er­schossen zu haben. Dieser Mord erregte seiner Zeit großes Aufsehen.

Basel. 28. Nov. Hier starb vor zwei Wochen ein reicher Baslerohne Leibes­erben. Der Verstorbene versteuerte bei Lebzeiten 2 Millionen Franken, nun hat aber die Vermögensavfnahme mehr als 5 Millionen Franken ergeben. Das macht für den Staat eine Nachsteuer von mehreren hunderttausend Franken aus, die er gerade jetzt sehr gut gebrauchen kann.

Perpignan, 28. Nov. Ein Gas- ürbeiter wurde von seinem 20jähr. Sohn auf offener Straße erstochen, weil ersieh geweigert hatte, ihm 30 Centimes zu geben.

Amsterdam, 27. Nov. Aus Lom-' bok wird gemeldet: Nangah Karang, der legitime Sohn des Radschas, wurde im Kampfe bei Topati getötet. Die Holländer verloren einen Toten und 5 Verwundete. Die Truppen marschieren gegen die Dörfer der Eingeborenen Lingsar und Narmada.

Rom, 27. Nov. Die heute früh in Verona, Bologna und Brescia verspürten Erdbeben wurden auch in Domo Dossola, Mantua, Pavia, Parma u. s. w. wahr­genommen. Die Instrumente des hiesigen seismographischen Instituts zeigten die Erdstöße ebenfalls an.

London, 28. Nov. Aus Port Louis (Madagaskar) wird gemeldet: Ein Mani­fest der Königin der Hovas fordert die Unterchanen auf, den Franzosen eindring­lichen Widerstand zu leisten. Das Mani­fest wurde in Andohalo, in der Nübe der Hauptstadt öffentlich verlesen und wurde mit Begeisterung ausgenommen. Die katholischen Hovas bilden Komitees zum Schutz der Kirchen im Falle des Krieges. Die norwegischen und englischen Missionare sandten Abordnungen au den Premier­minister, der ihnen Schutz zusagte.

London, 28. Nov. Der in Hof­dingen gutunterrichteteTruth" meldet, die Königin habe den Zaren und seine Ge­mahlin zum nächsten Sommer eingeladen. Dieselben würden Ende Juni in Eng' land eintreffen. Das Festprogramm solle dasselbe sein wie im Jahre 1891 bei dem Besuch des deutschen Kaiserpaares.

Nach einer Meldung aus Hali­fax scheiterte der DampferFalkon" mit Pearys Nordpol-Erforschungs-Expedition auf der Höhe der Südküste von Krön­land im Oktober. Alle an Bord kamen um.

Petersburg, 25.Nov. Zar Nikolaus 11. tritt an die Erfüllung seines Regiernngspro- nramms, Rußland auf der Bahn friedlicher

l Fortenwick.lung weiter zu führen, mit unge­wöhnlichem Ernste, und in tief durchdachter Weise heran. Der junge Zar, der ganz ein !Kind seiner Zeit zu fein scheint, hat begriffen, was Rußland vor Allem not thut: Die Heb­ung der allgemeinen Volksbildung, und daß erst dann, nachdem diese Grundlage gelegt ist, sich alle weiteren Reformen aus ihr organisch heraus entw ckeln können. Demnach hat der Kaiser den Wunsch ausgedrückt, daß die erste bedeutende Reformarbeit, an welche seine Ne­gierung schreitet, die Ausarbeitnng eines Ge­setzentwurfes über eine allgemeine obliga» torische Volksschulbildung zu sein hat. An der Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfes werden sich alle Ressorts beteiligen, an erster Stelle jedoch der heilige Synod, das Ministerium der Volksaufklärung und das Finanzministerium Der Zar ist sich der Schwierigkeiten wohl be­wußt, welche die Ausführung dieses Planes für ein hundert Millionen-Neich mit sich bringen muß, er ist aber ebenso fest davon überzeugt, daß, wenn es gelang, in überraschend kurzer Zeit den Plan des Baues der sibirischen Bahn fast völlig zu realifiren, der bei seinem ersten Entstehen fast allgemeinen Zweifeln an seiner Durchführbarkeit begegnete, es seinem ernsten zielbewußten Streben auch gelingen wrd, die weit höhere und lohnendere Aufgabe durchzu­führen, seinem Volke geistiges Brod zu ver­schaffen, damit dieMacht der Finsternis" aus seinem Reiche verschwindet, welche Graf Leo Tolstoi in seinem Drama in so ergreifender Weise zum Ausdruck bringt. Jedenfalls sind jetzt für immer die Tage vorüber, wo das Ministerium der Volksaufklärung das Aschen­brödel unter den russischen Ministerien war. In Hokkcetsen ist man der Ansicht, daß die Kaiserin Alexandra Feodorowna, welche die Verhältnisse ihres Hefsenlandes, wo die allge­meine Volksschulbildung schon seit 67 Jahren besteht, auf das Genaueste kennt, einen nicht unwesentlichen Anteil an dem Entschlüsse des Zaren hat. Wenn dem so ist, so hat das deutsche Fürstenkmd ihrem neuen Volke die köstlichste Morgengabe mitgebracht.

Petersburg, 28. Novbr. Anton Rubinstein wurde heute zu Grabe ge­tragen. An dem Leichenbegängnisse nahm die gesamte künstlerische Welt Petersburgs teil, ferner Deputationen der Moskauer kaiserlichen Theater, der Moskauer phil­harmonischen Gesellschaft, der Provin­zialen der kaiserlich russischen musikali­schen Gesellschaft, verschiedene Lehran­stalten der Petersburger und Peterhofer Munizipalität, der Presse und einer Reihe anderer Anstalten. Die kirchliche Feier wurde durch prachtvollen Chorgesang ge­hoben. Biele Tausende vvn Zuschauern waren auf dem Wege des imposanten Leichenzuges angesammelt.

Aer Goö der Jürstin Misrrrcrrck.

wird von der Presse in dem Tone der wärmsten Sympathie und herzlichster Teilnahme besprochen, lieber die Krankheit der Fürstin wird geschrie­ben: Schon im Jahr 1893 traten in Fried­richsruh bedenkliche Erscheinungen auf, welche den Fürsten und dis übrigen Angehörigen in schwere Beunruhigung versetzten, doch gelang es damals ärztlicher Kunst, die Kranke dem Tode zu entreißen, aber die Krankheit machte sodann Fortschritte, die Kräfte gerieten immer mehr in Verfall. Seit vier Wochen ist der Zustand der Fürstin schon als hoffnungslos angesehen worden. Zu einem älteren asthma­tischen und Magenleiden war bereits voriges

1 Jahr eine Herzkrankheit hinzugetreten, neuer* ! dings auch Wassersucht. An dieser Komplikation ! starb die Fürstin; sie war bis zuletzt bemüht, den Gemahl über den Zustand ihres Leidens hinwezzutäuschen und versah das Hauswesen soweit als möglich. Der Fürst erfuhr den Heimgang seiner Gemahlin als er nach dem Erwachen das Schlafzimmer der Fürstin be­trat und die weinenden Enkel am Sterbebette fand. Die Erschütterung für den Fürsten war, verdoppelt durch das Unvermittelte des Ein­orucks, eine gewaltige; doch berechtigt seine in letzter Zeit im Ganzen vortreffliches Befinden zu der Hoffnung, daß er diesen schwersten Schlag, der ihn in seinem hohen Alter noch treffen konnte, ohne Gefährdung der eigenen Gesundheit übersteh?n wird, zumal Prof. Dr. Schwsnninger ihn auf den unvermeidlich nahe bevorstehenden Ausgang vorbereitet hatte. Durch ihren Tod ist eine wahrhaft glückliche Ehe zer­rissen worden; 47 Jahre war Fürst Bismarck mit seiner Johanna vermählt, in Freud und Leid war sie ihm die treueste Gefährtin gewesen. Am 11. April 1824 wurde die Fürstin geboren. Ihr Vater war der R ttergntsbe- sitzer Heinrich Ernst Jakob von Puttkamer. Ec war ein frommer, streng solider Mann, der über das tolle Leben seines GutsnachbarS Otto von Bismarck auf Kmebhof sich stets entsetzte, wenn der Name Bismarck nur er­wähnt wurde. Um so größer war sein Er­staunen, als eines Tages dertolle Ono" vor ihn hintrat und um die Hand seiner Tochter Johanna bat. Der alte Edelmann wies den unwillkommenen Freier erst kurzweg ab, aber Johanna dachte anders, sie setzte die Verbin­dung durch und sie hat dann aus dem tollen B smarck den bravsten Ehemann gemacht und sie war es, bei der der ermattende Staatsmann in den Ringen und Kämpfen seines abwechs­lungsreichen Lebens immer wieder die Kraft zum Ausharren fand. Ueber seine Frau urteilte Fürst Bismarck wiederholt zu Freunden:Sie ahnen nicht, was diese Frau aus mir gemacht hat." Und ein ander mal:Gott hat mir ein gesegnetes, glückliches Familienleben geschenkt, und ich würde wohl nicht ein so hohes Alter erreicht haben, ohne meine meine Frau." Einmütig wird denn auch von allen denen, die längere Zeit in Bismarcks Familienkreise weilen durften, der liebevolle häusliche Sinn der Fürstin ge- reühmt, der stets um das Behagen und Wohl­ergehen eines jeden Hausgenoffen besorgt war; ferner ihre Lebhaftigkeit, die Innigkeit ihres Gemüts, ihre edle Wahrhaftigkeit, ihr kräftiges sittliches und rechtliches Gefüht. Es heißt, die Katastrophe vom März 1890 habe sie noch schmerzhafter beruht als den Fürsten, und die Bitterkeit über das Geschehene sei nach Jahr und Tag noch in ihrem Gemüt lebendig gewesen. Die Be leidsdepeschen laufen zu Varzin in ununterbrochenem Strome ein. Die erste Depesche war vom Kaiser, dann folgten De­peschen von fast säm lichen deutschen und autzerdeutschen Souveränen, Diplomaten, Ge­sandtschaften u. s. w.

Varzin, 29. Nov. Die Einsegnung der Leiche der Fürstin durch den Ortsgeist- l chen und die vorläufige Beisetzung findet in dem hiezu entsprechend hergerichteten Parkhause heute mittag in aller Stille im engsten Familien­kreise statt. D:e spätere Ueberführung nach Schönhausen ist beabsichtigt. Fürst Bismarck ist verhältnismäßig wohl, jedoch ist j-de Auf­regung durch Besuche ärztlich verboten.

V arz i n, 29. Nov. Die Stimmung des Fürsten Bismarck ist geradezu trostlos. Der Fürst verbrachte die letzte Nrcht schlaflos und antwortet auf Fragen gar nicht oder