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daß Du meinetwegen den Umgang entbehren solltest."

Ich habe nichts entbehrt, Mill>, Du irrst, Du weißt sehr gut, daß ich mit meinem ernsten Sinn mich nicht in jener Atmosphäie wohl fühle und freiwillig wäre ich sicherlich nicht nach der Residenz znrückgekebrt aber nun der Fürst befiehlt, muß ich leider ge­horchen."

Das sagst Du mir, um mich zu be­ruhigen, Gert. Ich weiß es besser: Wen «inmal die fürstliche Sonne beschienen, den zieht es immer wieder dahin, so ließ ich mir sagen."

So, so, darf ich nicht wisse», wer darin Dein Lehrmeister gewesen?"

Gewiß," rief Milli lachend,es ist gar kein Geheimnis, Deine Stiefmutter sagte es mir."

' Elisabeths Augen streiften blitzschnell diejenigen ihres Schwagers, als wollte sie sagen:Da hast Du den Einfluß dieser Frau."

Da sie so lange bei Hofe gelebt," fuhr die junge Frau fort,wird sie es auch wohl wissen, wie es da zugeht. Sie hat mir auch versprochen, mich in der Eliquette zu unterweisen."

Das hat sie gar nicht nöthig, das be­sorgt die Oberhofmeisterin, Milli," fiel Breden heftiger ein, wie nach der Sachlage Vthig war.Du weißt Milli, daß ich den Verkehr mit der Gräfin durchaus nicht wünscke."

O, Gert, rief die junge Frau einge­schüchtert,ich kan» sie doch nicht Hinaus­weisen, wenn sie mich besucht!"

Nein! Aber Du kannst Ihr durch dein Benehmen zu verstehen geben, daß Du nicht erbaut bist von ihrem Besuch."

Daswäre eine Unwahrheit, Gert, denn ich babe sie recht lieb."

Milli, sei nicht kindisch," mahnte Eli- sabeih, die sah, wie Gert, erregt durch das vorhergehende Gespräch, sich unmuthig ab­wandte,Du mußt die Wünsche Deines Gatten unier jeder Bedingung erfüllen und wissen, daß er nur 'stets Dein Bestes will. Der Umgang mit der Gräfin paßt nicht für Dich, junges Wesen, das muß Dir ge­nügen."

Die junge Frau eiwiederte nichts mehr; sie zuckte'nur mit den Schultern, während sie mit dem Kleinen weiter tändelte, dann plötz­lich erhob sie sich und eilte zur Thür.Ich «erde Felix seiner Wärterin überbringen I rief sie noch, dann fiel die Thür hinter ihr

z«

Auch ich gehe jetzt, Elisabeth," sprach Gert mit umdüsterter Stirn, die Wagen können jeden Augenblick vorfihren und dann ist mir die Lust am Plaudern vergangen."

Elisabeth erhob sich und legte ihre schmale Hand leicht auf seinen Arm.

Bleibe noch einige Augenblicke, Gert, Du bist erregt, gehe nickt hinunter. Millis kindisches Wesen hat Dich verstimmt, laß diese Verstimmung erst vorübergehen, ehe Du wieder mit Milli zusammentriffst."

Bredens Augen leuchteten einen Moment freudig auf. Noch nie war ihm Elisabeth so vollendet schön, so begehrenswerterschienen, wie jetzt, da sie, bangend um das Glück der Schwester, mit ihren ernsten, dunklen Augen flehend zu chm aufsah. Er ergriff die Hand und drückte sie an seine Lippen, wahrend er seinen Blick tief in den ihren seukle, so daß sie sich verlegen abwendete. Nachdem sie ihre Fassung wieder erlangt

hatte, sah sie, daß Breden nicht mehr an­wesend war und sie wußte chm Dank für diese Rücksicht. Denn auch ihre Kraft hatte ein Ende, ihre Selbstbeherrschung drohte sie zu verlassen. Warum blieb sie sich selbst zur Qual, auf Schloß Breden? Sie hatte nur eine Antwort auf die Frage: Sie mußte bleiben, um zwischen den Gatten vesmitielnd eintreten zu können. Es erfaßte sie eine uuzwingbare Bangigkeit, wenn sie in die Zukunft blickte und kommendes Unheil vor­aussah. Der Tod ihrer Elter», welcher so jäh und plötzlich infolge einer Typhuscpide- mie eingetieten war, hatte sie zur richtigen Zeit nach Schloß Breden geführt, und wenn sie sich auch sagen mußte, daß Milli eifer­süchtig auf sie sei, so hoffte sie doch auf die allgemeine Stimmung durch ihre Gegen­wart wohlthätig einwirken zu können. Da war aber auch noch der kleine Felix, der sich in ihr Herz geschlichen und den sie nicht verlassen wollte und dessen sie sich annehinen mußte, wenn au seine Elter» erhöhte Ge­selligkeitspflichten herantreten. Elisabeth mochte diesen Punkt von allen Seiten be­leuchten und bevenken, sie kam immer wieder zu dem einen Resultat,. daß sie um den Preis ihrer eigenen Herzensruhe bleiben müsse, um weiteres Unglück zu verhüten. Und darnach handelte sie.

(Fortsetzung folgt.)

Literarisches (Das Heilserum.) Unter dem Titel Das Heilserum und die moderne Be­handlung der Diphtherie" (Berlin, Verl, von Casstrer und Danziger) hat vr. msä. Lndw. Wallstein (Pseudonym für Ludwig Friedländer) den neuesten Triumpf der medizinischen Wissenschaft in gemeinver­ständlicher Weise dargestellt. Kapitel 1 legt das Wesen der Begriffe Infektion und Immunität dar; Kapitel 2 handelt von dem Wesen und der Bedeutung der Heilserumtherapie. Besonders interessant ist Kapitel 3: die Gewinnung des Heil-! serums, weil es den Leser in ein ganz^ neues, eben erst erschlossenes Gebiet der j modernen experimentellen Medizin führt.! Bon praktischer Bedeutung ist Kapitel 4,! in dem von der Schutzimpfung gegen Diphtherie sowie der Heilung mit dem neuen Mittel die Rede ist und eine bis auf die letzten Tage fortgeführte Statistik der bisherigen Ergebnisse geliefert wird. Das Büchlein ist im guteu Sinne populär und ist Allen, denen eine erfolgreiche Be­kämpfung der mörderischen Seuche am Herzen liegt, vor allem den Vätern und Müttern, gewidmet.

Weueste Wachrichten.

Stu ttgart, 10. Nov. (Eisenbahn Unfall.) Gestern abend 8^/4 Uhr beim Ein­fahren des von Backnang kommenden Güter­zugs 873 indie Station Bietigheim fuhr dem­selben eineleere Güterzugsmaschine entgegen und stieß mit demselben zusammen. Die leere Maschine wurde zurückgeworfen, blieb aber auf dem Geleis stehen und wurde stark defekt. Die Maschine vom Güterzug ent­gleiste und wühlte sich in den Boden ein. Der Führer Abele und der Heizer Schüle wurden heruntergeworfen und erlitten leich­tere Verletzungen. Zugmeister Gieuger, der an seiner Bremse stand wurde in den

Gepäckwagen hineingeworfen und erlitt innere Verletzungen. Der Gepäckwagen wurde auf die Maschine geworfen; Zug­meister Gienger hat blos dem Umstand sein Leben zu verdanken, daß er zurück, statt heruntergeschleudert wurde. Dem Bremser Hirschle wurden beide Beine ab­gedrückt. Ein Arzt war gleich zur Stelle, Hirschle kam ins Spital nach Bietigheim. Zugmeister Gienger,. Führer Abele und Heizer Schüle konnten mit der Bahn in ihre Heimat nach Aalen befördert werden. Der Materialschaden ist groß.

Toulon, 11 . Nov. Ein schwerer Zu­sammenstoß zweier Güterzüge ereignete sich heute zwischen Laeibtat und St. Cyr. Die Lokomotivführer und die Zugführer beider Züge wurden getötet; 15 Zugs­bedienstete schwer verwundet. Der Ma­terialschaden ist bedeutend.

Petersburg, 11. Nov. Das Cere- moniell der Ueberführung der Leiche des Zaren Alexander III. lautet: Der Trauer­zug geht vom Moskauer Bahnhof über denNewskiProspektnach der Peter-Pauls- Kathedrale. Während des ganzen ZugeS läuten die Glocken. Jede Minute wird ein Kononenschuß gelöst. Die dreizehnte Abteilung bildet der Leichenwagen. Voran gehen die Kirchensänger und die Geistlich­keit mit brennenden Fackeln, sowie der Beichtvater des verstorbenen Zaren mit dem Gottesbild in der Hand und« um­geben von hohen Offizieren und Popen mit brennenden Fackeln. Hinter dem Trauerwagen folgt der Kaiser, der Hof­minister, der Kommandeur des kaiserlichen Hauptquartiers, die Suite und dann die Fürstlichkeiten. Dahinter kommen die Trauerkutschen mit der Kaiserin-Witwe, der Königin von Griechenland, der Groß­herzogin von Mecklenburg-Schwerin, die Herzogin von Coburg, der Prinzessin von Wales den Großfürstnnien, worunter der kaiserl. Braut und derfremden Prinzessinen. Der Zug hält vor dem Anitschkow-Palais, der Kasan und der Jsaakkathedrale wo Trauermessen abgehalten werden. Der Kaiser und die Großfürsten und die fremden Fürstlichkeiten bringen dann die Leiche nach der Peter-Pauls-Kathedrale, wo die Aufbahrung erfolgt.

Der Ackerbauminister erhielt folgende kaiserl. Antwort: Ich danke sehr Ihnen und den Beamten des Ministeriums für das herz­liche Beileid und dem Ausdruck der Ergeben­heit. Mein Bater gesegneten Andenkens, der die Mcktel zur Hebung des Wohlstandes deS treuen Vaterlandes suchte, schuf ein neues Ressort und berief dasselbe zur Förderung der Landwirtschaft indem er die Sorge als die vornehmste der russischen Burger betrachtet«' am meisten für die natürliche Quelle des Reichtums fördernd zu wirken. Ich bin über­zeugt daß alle Beamten von dem allgemeinen Wunsche beseelt sind die Weisungen des ver­ewigten Kaisers im Interesse des Gedeihens des Volkes und des geliebten Vaterlandes zu erfüllen.

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