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und entdeckte, daß ihm ein Packet Hundert­markscheine in Höhe von 20,000 Mark und drei einzelne Hundertmarkscheine fehlten. Das Geld ist Opolka, der ein bejahrter Mann ist und sich des vollen Vertrauens seines Chefs erfreut, offenbar gestohlen worden. Die ge­schädigte Firma hat eine Belohnung von 1000 Mark für die Ergreifung des Diebes und eine solche von 10 Prozent von dem etwa herbei- geschafflen Gelde ausgesetzt.

Berlin, 2. Juli. Gestern Mittag fand in der katholischen Hedwigskirche eine Trauer- feier für Carnot statt. Im Aufträge des Kaisers war General Winterfeld erschienen, außerdem wohnten Graf Caprivi, Eulenburg, v. Bötticher, Miguel, v. Schelling und das diplomatische Corps bei. Die französische Botschaft war durch das Botschafterpaar und die Attachees vertreten. Nach dem Requiem in der Hed­wigskirche machte Reichskanzler Graf Caprvi dem französischen Botschafter Mitteilung von der Begnadigung der in Glatz inhaftirten französischen Offiziere. Die Begnadigung der französischen Offiziere, welche Deutschland einst zu schaden gedachten, eine Begnadigung, dar­gebracht als Kundgebung eines großempfindenden Herzens am Tage der allgemeinen Trauer der französischen Nation, an einem Tage, wo sich ihr mitfühlend die Hände der andern Völker entgegenstrecken, ist ein Versöhnungsakt so chevaleresker Art, daß sein Glanz vor allem auf den ritterlichen Kaiser selbst zurückfällt. Diese, der impulsiven Natur Kaiser Wilhelm's II. so recht entsprechende Herzenskundgebung wird in Frankreich größeren Eindruck, größere Sym­pathie hervorufen, als alle Friedens- und Frcundschaftsversicherungen der Diplomaten und Minister.

Lübeck, 3. Juli. Bei der gestrigen Segel- Regatta in der Travemündener Bucht gewann der Kaiser auf demMeteor" den 1. Preis, welcher in einem kunstvoll gearbeiteten Münz­becher bestand. Um 8 Uhr abends kehrte der Kaiser auf derHohenzollern" nach Kiel zurück.

Straßburg, 1. Juli. Der hiesige Armenrath hat beschlossen, ein Kapital von 300,000 Mark zum Bau billiger Wohnungen zu verwenden. Der Gemeinderath genehmigte gestern den Beschluß des Armenraths und er­klärte sich zugleich zur unentgeltlichen Ueber- lassung des erforderlichen Baugeländes bereit.

Wien, 29. Juni. Der Stenographie- Professor Carl Faulmann, der Erfinder einer eigenen Schreibart, ist gestorben.

Paris, 3. Juli. Nachdem in Gegen­wart des Staatsanwaltes, Untersuchungsrich­ters, Präfekten ,und Militärbeamten der be­treffende Soldat in Lyon die Namen der 7 Verschwörern mitgeteilt, wurden diese Namen sofort nach London, Barcelona, Madrid, Rom und Brüssel telegraphirt. 4 Mitschuldige Caserios wurden verhaftet, darunter ein Anar­chist mit Namen Saurel, welcher am meisten kompromitirt erscheint.

In einer Seitengasse in der Nähe der Wohnung Casimir Persers würde ein Mauer­anschlag gefunden, in dem die Anarchisten dem neuen Präsidenten der Republik Casimir Perier die Ermordung androhen. Ein anderer Maueranschlag enthielt in fetter Schrift die Worte:Am 25. Juli wird Frank­reich abermals trauern!" Die Polizei entfernte sofort die Plakate.

Man zählt bisher etwa 300 in den Ambulanzen Angebrachte Erkrankte und Ver­unglückte. In der Rue Rivols, Ecke der Rue Cambon, brach eine furchtbare Panik aus, weil man fälschlich eine Bombe explodirt glaubte.

Heute wurden etwa 200 Anarchisten verhaftet, .um Attentate zu verhüten.

In Choisy le roi und Umgebung ha­ben sich gestern größere Massen von Erdar­beitern zusammengerottet, um die italienischen Arbeiter zu verjagen. Von den Italienern hatten indes viele bereits vorher die Werk­stätten verlassen. An anderen Orten kam es zu Widerstand. Die Gendamerie hatte Mühe, große Ausschreitungen zu verhüten.

Lyon, 30. Juni. Der Attentäter Ca- serio machte gestern Mittheilungen über die internationale Verschwörung, d.-ren Beschluß er zur Ausführung brachte.

Livorno, 2. Juli. Als Redakteur Bandi von derd-Etta livornsos" gestern im Be­griff war, sich von der Redaktion nach Hause zu begeben und eben den Wagen bestiegen hatte, näherte sich ihm ein Jndwidium unv versetzte ihm einen Dolchstoß. Die Aerzte, die bald zur Stelle waren, nahmen sofort eine Operation vor. Nach drei Stunden inoes starb Bandi. Man vermutet, daß der Thäter einer der sieben anarchistischen Verschwörer sei, die der französische Soldat in Lyon der Be­hörde namhaft gemacht hat. Man nimmt an, daß der Mörder an Bandi wegen eines j Artikels über die Ermordung Carnots hat Rache nehmen wollen. Bandi hat an dem berühmten Garibaldi-Zug der Tausend von Marsala teilgenommen.

Turin, 3. Juli. Ein reicher Gerberei­besitzer wurde gestern Abend das Opfer eines anarchistischen Dolchenattentates. Der Ermor­dete soll in einem öffentlichen Lokal erklärt haben, Jedermann habe die Pflicht, den ersten Anarchisten, der ihm begegne, niederzuschießen. Zwei Stunden später war er selbst den Anar­chisten verfallen.

Antwerpen, 3. Juli. Der Held des Tages ist der deutsche Kaffer. Die Begnadi­gung der zwei Franzosen bildet das Tages­gespräch und die That des Monarchen findet überall ungeteiltes Lob.

London, 3. Juli.Times" meldet aus Shanghai: Japan setzt die Vorbereitungen zum Kriege fort und forderte den König von Korea auf, sein Suzenränitätsverhältnis zu Chma aufzuheben, sich unter den Schutz Japans zu stellen und den chinesischen Residenten fortzu­schicken. Die unmittelbare Entsendung von 20 Bataillonen chinesischer Truppen nach Korea ist angeordnet, weil keine Hoffnung für eine I friedliche Lösung übrig scheine.

Petersburg, 3. Juli. Ein überaus seltener Fall hat sich dieser Tage auf der Station Ssenkowo ereignet. Ein Arbeiter der mit der Anbringung eines Telegraphendrathes auf einem Telegraphenpfosten beschäftigt war, stürzte plötzlich vom Blitz getroffen herab. Der Körper des Verunglückten wies 11 Brand­stellen auf. Im Augenblicke des Todes des Arbeiters war der Himmel über Ssenkowo überans rein und klar und keine Spur eines Gewitters war zu bemerken. Nach allen Rich­tungen hin telegraphisch angestellte Erhebungen ergaben, daß um jene Zeit in Wladimir, d. h. 107 Werst von Ssenkowo, ein sehr heftiges Gewitter niedergegangen war.

Valencia, 3. Juli. In einer hiesigen Papierfabrik explodirte eine Dynamitpatrone, wodurch großer Schaden angerichtet wurde. Der Urheber der Explosion ist ein anarchistischer Arbeiter aus Valencia namens Belloeir. Derselbe wurde bereits verhaftet.

Tanger, 3. Juli. Nach Meldungen aus Fez haben die verschiedenen Stämme dem Sultan bei dessen Durchreise ihre Unterwer­fung erklärt mit Ausnahme der Riffkabylen, welche sich gegen die Spanier zu erheben be­

ginnen. Man befürchtet ernste Unruhen in Melilla.

New york, 2. Juli. Der Dampfer des Norddeutschen LloydStuttgart", der bei Start Point an der englischen Küste zwischen zwei gefährlichen Klippen gestrandet, dann aber von dem LloydschiffeGera" wieder frei­gemacht worden war, ist hier wohlbehalten angekommen. Es befanden sich 335 Paffa­giere an Bord des Schiffes.

Chicago. 3. Juli. Die Lage verschlim­mert sich in Folge des Ausstandes. 32 Bah­nen sind durch denselben in Mitleidenschaft gezogen. Die Ausständigen haben einen Ex­preßzug im Weichbilde der Stadt zur Ent­gleisung gebracht. Der Verkehr auf mehreren Linien ist vollständig eingestellt. Die Lebens- imtiei steigen im Preise.

Lokales.

Wildbad, 3. Juli. Am letzten Sonn­tag von 122 Uhr fand im Conversa- tions-Saale des Kgl. Bad-Hotels die II. ordentliche General- Versammlung desSüddeuts ch.E isenbahn-Reform- Ver eins statt, welche, wohl hauptsäch­lich in Folge der herrlichen Witterung, leider etwas schwach besucht war. Es hatten sich u. A. Vertreter von Pforz- h e im. Neuen bürg, Karls ruh ^Mann­heim, Stuttgart und Ulm eingefun­den. Nach erfolgter Begrüßung durch den Vorstand der Sektion Wildbad (Stellver­treter: Hr. Ehr. Wildbrett, Buch­druckereibesitzer), welch' letzterem auch der Vorsitz übertragen wurde, erstattete der Vorstand der Sektion Pforzheim, Hr. Rechtsanwalt Jakob, Bericht über die bisherige Thätigkeit und Erfolge des Ver­eins, wohin die Einführung der lOtäg- igen Giltigkeit der Retour-Billete zu zählen ist und über die weiter zu erstrebenden Ziele verhandelt, namentlich über die Ver­billigung der Persouen-Fahrtaxen, durch Einführung von Kilometer-Billets und auch Vereinfachung des Bezugs durch Verkauf ähnlich den Postfreimarken. Auch Hr. Professor Böthlingk aus Karlsruhe, Vorstand der dortigen Sektion, hielt einen sehr gediegenen diesbezüglichen Vortrag, insbesondere über die Verbilligung der Personen- und Frachtgut-Taxen, wo­bei er praktische Beispiele aus dem Ge­schäftsleben anführte; derselbe wurde von den Anwesenden mit großem Beifall aus­genommen. Ferner wurde der Vorschlag gemacht, ein Vereins-Organ, welches alle 4 Wochen zu erscheinen hätte, zu gründen, worüber man sich Weiteres vor­behielt. Hierauf wurden die Wahlen vor­genommen und als Vorort für das lau­fende Geschäftsjahr Karlsruhe bestimmt. Nachdem der geschäftliche Teil erledigt war, begab man sich zum gemeinschaftlichen Mittagstisch in das Hotel Post, wo­bei eine sehr heitere Stimmung herrschte und mehrere Toaste ausgebracht wurden. Nach dem Mittagsmahle begaben sick> die Mitglieder zum Coucert der Kurkapelle in die Kgl. Anlagen, wobei Diejenigen, welche mit Vereinsabzeichen versehen wa­ren, freies Entroe hatten; hierauf folgte ein Spaziergang auf den Windhof und von hier aus ging es in den Garten des Gasthsfs zum Kühlen Brunnen, wel­cher dicht besetzt war. Mit dem 9 Uhr- Zug verließen unsere lieben Gäste Wild­bad, welches jetzt in lluuto suison steht.