Die deutsche demokratische Partei.
Die deutsche Demokratie und ihr „verfeinerter" Sohn, der deutsche Liberalismus, haben einen viel verschlungenen Weg hinter sich. Rein gefühlsmäßig kam die Idee der deutschen Demokratie schon in den Befreiungskriegen zum Ausdruck, als alle deutschen Stämme darin wetteiferten, das Joch der Unterdrücker des deutschen Volkes abzuschütteln. Die damals noch im Absolutismus befangenen Regierungen nützten wohl den patriotischen Meist aus, der jeder düinokratischen Bewegung in hohem Grade innewohnt, aber als die deutschen Lande befreit waren, da fürchtete man ein Uebergreifen der Ideen der französischen Revolution auf die. Völker Europas sind unterdrückte jede freiheitliche Aeutzerung oder Organisation volkstümlicher Art. Die „heilige Allianz", das Bündnis zwischen Rußland. Ocstreich-Ungarn und Preußen galt weniger der Außenpolitik, sie hatte vielmehr Len Zweck, sich gegenseitig bei etwaigen Revolutionen zu unterstützen. Anstatt dem Volke Freiheit zu geben, wurden in den Jahren nach den Befreiungskriegen die schärfsten Polizeimaßnahmen ergriffen. Die Iahn'schen Turnvereine und die Burschenschaften auf den Universitäten, die für die Einigung aller deutschen Volksstämme eintraten, aber auch für die Freiheit des Volkes, wurden als staatsgesährliche Elemente betrachtet und verfolgt, sodaß die Erbitterung im deutschen Bürgertum, das sich um seine im Kriege versprochenen Freiheiten betrogen sah. dauernd stieg. Und diese Erbitterung gegen das harte Beamten- und Polizeiregiment schaffte sich in der Revolution von 1848 Luft, in der so ziemlich das gesamte demokratisch gesinnte Bürgertum sich gegen das absolutistische Regiment auflehnte. Aber die 48er Bewegung hatte neben ihrem bürgerlich-freiheitlichen Charakter einen ausgesvrcchcn nationalen Meist. Man erstrebte wenigstens ideell die deutsche Republik mit Einschluß der österreichischen Stammesgenossen, die praktische Ausführung scheiterte allerdings an der militärischen Macht der Dy- nastieen. Diszipliniert und rechtlich denkend, wie das deutsche Bürgertum nun einmal war, begnügte man sich mit der Erreichung gewisser staatsbürgerlicher Rechte, und überließ im übrigen die staatliche Vollzugsgewalt wieder den bisherigen Machthabern. Die Einigung der deutschen Stämme mit Ausschluß Deutsch-Oesterreichs geschah dann unter Führung Preußens. Die Demokraten Süddeutschlands, die alle glühende Anhänger einer großdeutschen Einigung waren, betrachteten diese Lösung mit Mißtrauen, nicht deswegen, weil sie den Zusammenschluß des größten Teils der deutschen Stämme nicht gewünscht hätten, sondern weil man in dem preußischen Regierungssystem den Hort der Reaktion gegen jede freiheitliche Entwicklung sah. Ein Bismarck, der seinerzeit dein König angeboten hatte, die Revolution mit seinen Märkern zu ersticken, der die liberale Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses in der Konfliktszeit einfach übersehen, und seine Heeresreformen gegen sie durchgesetzt hatte, konnte ihnen natürlich nicht als das Ideal eines Volksführers gelten. Und dieses Gefühl, bei manchen ver- standesmäßig erfaßt, bei den meisten nur im Unterbewußtsein als Oppositionsgeist vorhanden, hat sich bei den Demokraten bis in die letzten Jahre erhalten, und der preußische Herrengeist wurde begreiflicherweise immer mit denselben parlamentarischen Mitteln bekämpft, wie zur Konfliktszeit, d. h. mit der Opposition gegen größere Heeresvcrmehrungen. weil man darin die Machtmittel der Regierung sah. Es ist nötig, daß man das einmal klar feststellt, weil neben den Sozialisten auch gerade den Demokraten in den letzten Jahrzehnten stets der Vorwurf gemacht wurde, sie hätten kein vaterländisches Gefühl. weil sie immer gegen die Forderungen für Heer und Marine gestimmt hätten. Nicht die Einrichtung des Heeres als solche, sondern das System war es, das die Demokraten bekämmten, weil sie der Ansicht waren, daß das Heer nicht zur Waffe des Volkes, sondern zum Selbstzweck herangezogen wurde, zum Paradestück, das durch äußeren Glanz und Kraftentwicklung imponieren sollte. Gerade aber diese Auffassung, die monarchistisch gesinnte Kreise als das wirkungsvollste Mittel zur Aufrechterhaltung des monarchischen Gedankens betrachteten, war es. die unfern Feinden die Handhabe für ihre Propaganda gegen den an sich nach außen hin harmlosen deutschen Militarismus bot, der die 44 Jahre seit Gründung des Reichs nur zur inneren Volks-„Erziehung" benützt worden war, während man ihn als wirkliches Instrument der Machtentwicklung hätte benützen können, sodo» Deutschland mit einem solchen Heere und solchen wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen tatsächlich an der Spitze der Großmächte hätte marschieren können.
Die 70er Jahre waren es denn auch, welche ideell und praktisch die Demokraten und Liberalen auseinan- derstreben ließen. Es waren dafür verschiedene Beweggründe maßgebend. Die Nationalliberalen, die größtenteils das besitzende Bürgertum, die Großindustrie umfaßten, machten die äußere Glanzzeit des mit Riesenschritten aufstrebenden Deutschen Reichs mit, die Demokraten, deren Anhängerschaft sich aus dem gewerblichen Mittelstand. Angestellten und den gehobenen Arbeitern zusammensetzte.' fühlten sich politisch in die Opposition gedrängt, weil sie prinzipielle Reformen und Sinnesänderungen vom Staatsorganismus verlangten. Die Fragen der Heeresvermehrung, steuer- und zollpolitische Gegensätze, sowie Meinungsverschiedenheiten über das Maß der sozialen Gesetzgebung, und eingestandenermaßen auch das gesellschaftliche Moment, das alles trug dazu bei. daß Demokraten und Liberale auseinanderstrebten, und dadurch andern Parteien zur Linken und zur Rechten bei den Wahlen wie bezüglich des politischen Einflusses nach- ftanden. Erst in den letzten Jahren merkten die Liberalen infolge des ungeheuren Anwachsens der sozialistischen Stimmen, daß der Liberalismus andere Wege ein-
schlagen mußte, um wieder zur Bedeutung zu kommen. Es entstanden die parteipolitisch neutralen, liberalen Vereine, die aber schließlich beim Zusammenschluß des norddeutschen Freisinns und der süddeutschen Demokraten in der Deutschen Volkspartei aufgingen. Auf nationalliberaler Seite machte sich ebenfalls das Bedürfnis bemerkbar, größere Schichten des Volkes zu erfassen, und diesem Bedürfnis trugen die jungliberalen Vereine Rechnung, die mehr das liberale Moment in den Kreis ihrer Aufgaben stellten, und dadurch öfters mit dem rechten Flügel der Partei in Kollision gerieten. Einen greifbaren Erfolg hatte dann das Stichwahlbündnis zu den Reichstagswahlen 1912. Und heute endlich, da das deutsche Volk -einen Führern blindlings ins Verderben gefolgt ist, haben sich die Liberalenn. Demokraten zusammengefunden. um gemeinsam am Wiederaufbau des zusammengebrochenen Vaterlandes zu arbeiten. Jetzt müssen wieder alle jene Ideale der Freiheitskriege und der 48er Jahre hcrvorgeholt werden, vermehrt durch die Forderungen einer neuen Zeit, die den sozialen Eemein- schaftsgedanken noch weiter ausgebaut hat. Und alle die Forderungen, die der Bürger eines modernen Staats zu stellen hat, sie hat auch die neue demokratische Partei auf ihr Programm geschrieben: Zuerst natürlich kämpft die Partei für ein freies, einiges, großes Deutschland, .für das angesichts der Blüte des schärfsten Nationalismus in Europa jeder Deutsche eintreten muß, der sich nicht selbst aufgibt. Die Partei stellt sich auf den Boden des Freistaats sder Republik), sie tritt für Volksbildung und Staatsvsreinfachung ein. für Fortschritt und Wirt- 'ckaftlichkeit, für Klassenversöhnung und schrittweise Sozialisierung, für guten Verdienst und menschenwürdiges Dasein, für Arbeiterschutz und gegenseitige Abrüstung, für Völkerbund und Vaterland. Das sind ^lles Forderungen, deren Zweck und Ziel klar ist, und die jeder wahrhaft deutsch Gesinnte und jede deutsche Frau im Interesse der Erneuerung unseres Vaterlandes zu ihrem eigenen Programm machen sollten. 0. 8.
Die Vertzewalügungspolttik
der EnLenie.
Pie Entente verbietet die deutsche Schiffahrt in der Ostsee.
Berlin, 7. Dez. England hat in Kopenhagen amtlich mitgeteilt, daß die deutsche Schiffahrt von her Entente in der Ostsee nicht inehr zugelassen wird. Dänische Schiffe können zwar fahren, aber es muß vorher eine Verständigung über die cinzunehincnde Ladung erfolgt sein. Nur Kali und Kohle, Halb- und Ganzfabrikate dürfen noch aus Deutschland' ausgeführt werden. Auch Dänemark darf nur jene Nahrungsmittel, die auf Grund der Wirtfchastsabirommen vereinbart find, ausführen. -Aehnliche Nachrichten liegen aus Holland vor. Die neue Maßnahme ist eine linerhörte, mit den Wilsons- Plänen nicht zu vereinbarende Verschärfung der Waffenstillstandsbedingungen. Sie bedeutet eine weitere Knebelung des Gegners, der zuerst entwaffnet wurde, und eine neue V s .'chterung unserer schweren Ernährungslage durch die una^oleibliche Erhöhung der Arbeitslosigkeit. Änd all dies, nachdem man immer nur von Recht und Gerechtigkeit sprach.
Der Waffeustillstandsvertrag von der Entente vollständig ausgeschaltet.
Berlin, 7. Dez. Von der Fortsetzung der Waffenstillstandsverhandlungen zur See und deren Ausführung erfahren wir von zuständiger Stelle folgendes: Die Alliierten verlangen nicht nur die Rückgabe aller in Deutschland internierten Schiffe, sondern auch aller Schiffe, die durch Prisengericht rechtskräftig zur Einziehung verurteilt sind. Nach den Bestimmungen des Völkerrechts sind diese Schiffe deutsch. Es ist daher gegen das Verlangen ihrer Auslieferung protestiert worden. Admiral Browning hat jedoch die Erörterung jeder Rechtsfrage abgelehnt und verlangt die Ausführung seiner Forderung. Die Abgabe aller feindlichen Handelsschiffe soll für England und Belgien in Tyne, für Frankreich in Dünkirchen erfolgen. Die Schiffe sollen mit Proviant und Kohle ausgerüstet sein. Nichtfahrbereite Schiffe und Segelschiffe sollen von deutschen Schleppern übergesührt werden. Trotzdem für die Ablieferung der Handelsschiffe kein Termin vorgesehen war und obwohl eine Klärung der Lage durch die Schuld des Gegners verzögert worden ist, verlangt die englische Kommission die Rückgabe sämtlicher Handelsfahrzeuge bis zum 17. Dezember. Gegen diese unberechtigte Forderung ist von deutscher Seite Protest eingelegt worden. Bemerkenswert ist, daß die Entente fordert, daß sobald die Unterbringungsverhältnisse an Land es gestatten, sämtliche Kriegsschiffe außer Dienst gestellt, die Besatzungen also an Land untergebracht werden. Eine ganz neue Forderung der Entente stellt das Verlangen dar, nach den neuesten Quellen eine Liste aller fertigen und im Bau befindlichen Kriegsschiffe einschließlich Ilutzfahrzeuge und Hilfskriegsschiffe, sowie aller fertigen und im Bau befindlichen U-Boote, die jetzt in deutschen Marinehäfen liegen, zu übergeben, ferner innerhalb 48 Stunden eine Mitteilung, bis wann der Panzerkreuzer „Mackensen" zum Geschlepptmerden nach einem bestimmten Hafen bereit sein werde. Weiter soll eine Erklärung abgegeben werden, daß seit Abschluß des Waffenstillstandsvertrags keine deutschen Handelsschiffe mit irgend einer neutralen Flagge übergesührt worden
sind. Ferner ist Besichtigung von Friedrichshofen wegen der dort liegenden Luftstreitkräfte verlangt. Diese Forderungen gehen weit über die Festsetzungen des Waffenstillstandsvertrags hinaus.
Französische Forderungen zur Aufrechterhaltung der Rheinschifsahrt.
^n Mannheim hat, nach dem Stuttgarter „Neuert Tagblatt" eine Besprechung von deutschen Rheinschifs, fahrts-Jnteressenten mit französischen Offizieren stattgefunden, die den Zweck hatte, die durch die feindliche Besetzung des linken Rheinufers und der Rheinfestungen entstehenden Fragen der Schiffahrt zu ordnen. Wir überall. wo feindliche Vertreter mit Deutschen Zusammenkommen, wurde von französischer Seite zunächst die Entfernung der Arbeiter- und Soldatenriitc in den Rhein« Hafenstädten als Grundlage für die ungestörte Abwicklung des Verkehrs gefordert. Wie unsere von besonderer Seite stammende Information weiter mitzuteilen weitztz verlangten die französischen Unterhändler die Abschaffung des Achtstundentags (der allerdings auch den Schiffsladedienst ungemein stark beeinträchtigt), ferner Einführung des Arbeitszwangs (wohl im Sinne des früheren Hilfsdienstes). Die Ordnung in den Hafenstädten der neutralen Zone soll nach französischer Forderung durch strengste Maßregeln, so auch durch Verhängung der Todesstrafe bei schweren Störungen der Arbeit, aufrecht erhalten werden. Ob diese französischen Bedingungen bereits zur Grundlage eines Echiffahrtsabkommens gemacht worden sind, ist noch nicht bekannt. Ihre Annahme wird wohl aber nötig werden, wenn man nicht die auch für unsere Rohstoff-, besonders Kohlenversorgung, so un- gemein wichtige Rheinschifsahrt will zum Erliegen kommen lassen. Jedenfalls zeigt das Vorgehen der Franzosen wieder deutlich, daß nur demokratisch gewählte Behörden Aussicht darauf haben, zu Unterhandlungen über bindende Abmachungen von unseren Feinden zugelassen zu werden. Woraus für jeden klare Folgerungen zn ziehen sind, der nicht mit den Politikern der Spartakusgruppe eine feindliche Okkupation für ganz erwünscht hält, da sie zur Vorbereitung der Weltreoolution beitragen könnte.
Der „Völkerbund".
London, 5. Dez.' In einer Rede in Dundee erklärte Churchill, die britische Regierung würde auf der Friedenskonferenz die allgemeine und vollständige Abschaffung der Militärdienstpslicht fordern. — Lord CecU teilte in einer Rede mit, daß die Regierung ihn aufgefordert habe, die Leitung des Teiles der britischen Friedensdelegation zu übernehmen, die sich mit der Organisation des Völkerbundes beschäftigen solle. Er habe die Aufforderung angenommen. — Natürlich, wenn die Militärdienstpflicht abgeschafft wird, und nur England und Amerika ihre Kriegsflotte beibehalten, dann können sie leicht die Welt beherrschen.
Deutschland soll nie mehr eine Großmacht werden.
Berlin, 3. Dez. Nachrichten aus Holland zufolg« wird die englische Negierung bei den Friedensverhandlungen fordern, daß Deutschland seine Flotte mehrere Jahre lang in den Verbandsländern interniert lasten müsse. England vertritt diese Forderung, um zu verhindern, daß Deutschland als Militärmacht nochmals Bedeutung erlangen kann.
Der englische Flotteubau während des Krieges.
London. 3. Dez. (Reuter.) Nach dem Marinekorrespondenten der „Times" wurden seit Beginn des Krieges 21 britische Schlachtschiffe gebaut, wovon einige einer Klasse angehören, über die das größte Stillschweigen bewahrt wird. Es verlautet, daß sie 800 Fuß lang seien, eine Wasserverdrängung von 30 000 Tonnen besäßen und eine Geschwindigkeit von 30 bis 35 Knoten erreichen könnten. Sie könnten auch in seichtem Wasser benutzt werden.
Die französische Sozialistenpresse gegen die Geheimverhandlungen der Enteniemachthaber.
(WTB.) Bern, 5. Dez. Die Geheimverhandlungen der Londoner Konferenz scheinen in den linksstehenden Kreisen Frankreichs außerordentlich verstimmt zu haben. Wenigstens läßt sich dies aus einem Artikel Cachins in der „Humanitee" entnehmen, in dem erklärt wird, daß die alliierten Regierungen während des Krieges den Völkern verkündet hätten, der Krieg werde geführt, damit sie über sich selbst verfügen könnten. Man habe diese feierliche Verkündung ernst genommen. Aber weder die Kammer, noch die Parlamentsausschüsse wurden jemals über die diplomatischen Machenschaften auf dem Lausenden gehalten. Gewisse Abmachungen wurden in den letzten Tagen stückweise eiirigen Deputierten und Journalisten enthüllt, aber angesichts der brutalen Zensur sei es unmöglich, sie auch des weiteren auszugeben. Dieser Zustand dürfe nicht länger geduldet werden. Dieser energische Mahnruf Cachins ist auch im „Populaire" bei einer kurzen Besprechung der Wilsonbotfchaft ausgenommen worden.
Warum neutrale Gesandte gehen muffen.
Amsterdam, 6. Dez. Aus einer Depesche des Reuterschen Bureaus aus Peking vom 30. 11. geht hervor, daß die Alliierten den niederländischen Gesandten in Siam und Peking ihre Deutschsreundlichkeit zum Vorwurf machen und offenbar eine systematische Hetze gegen die beiden ihnen unbequemen diplomatischen Vertreter de- aonnen haben.»