Nr. 148.

- Chronik "

DoruLsrslras, 14. Ds2sr»dsr 1833.

8»k«rhallk»dks.

Gnkel und Weffe.

Von M. Haber.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Es ist am folgenden Tage, abends 8 Uhr. Die Komptolrs der weitbekannten Weingroß- handlung H. u. Comp, sind soeben geschlossen. Der weitgeöffneten Hausthüre, von der in altmodischer Weise brerte Treppenstufen, seit­wärts mit Eiseagitter versehen, herabführen, entströmen die Angestellten des Geschäftes, vom Prokuristen bis herab zum jüngsten Lagerarbeiter.

Die hohe, vornehme Gestalt Hans Klugs zeigt sich im Thürrahme», wie ei» König überragt er die Andern alle an Wuchs und Leibesschönheit. Er knöpft die feinenZie­genledernen," sein Anzug ist gewählt, doch ohne geckenhaften Anstrich; stolz, wie gebietend schreitet er die Stufen herunter. Das Licht der Gasflamme» fällt voll auf sei» Gesicht, er sieht heute bleicher wie sonst aus wohl infolge der kurzen Nachtruhe aber i» den dunklen Augen blitzt es so sehnsüchtig und verlangend und ein freudiges Lächeln legt sich um den wohlgeformteu Mund. Mit unnachahmlicher Geberde dreht er seinen schönen schwarzen Schnurrbart, ihn an den Enden in einer Spitze auszwirbelnd und wendet sich nach rechts dem Thore zu.

Der schöne Hans geht wieder seine eigenen Wege," sagt der erste Buchhalter zu einem Kollegen.Er scheint riesig stolz zu werden, seitdem er an Stelle des kranken Müller, der ja doch ein Todeskandidat ist, den zweiten Buchhalterpvsten irme hat. Lieber Gott, was hat er denn da Großes mit seinen paar hundert Mark Mehreinnahmen; damit braucht er »och nicht dicke zu thun und von Haus aus ist er vermögenslos. Es wäre besser, er träte etwas bescheidener auf, als so stolz wie ein Spanier uns aus dem Wege zn gehen. Auch drängt er sich jetzt auf­fallend in die Kreise der sogenannten guten Gesellschaft."

Für stolz halte ich ihn nun gerade nicht," sagt jetzt der Andere,nur etwas apart ist er, anders wie wir, und dicke thut er auch nicht ich habe ihn noch nie mit etwas prahlen hören. Gegen mich ist er stets höflich, und auf seiner Bude soll er sich noch fleißig im Kaufmännischen weiterbilden, wie ich Hörle. Denn ein Onkel in K. der Inhaber der bekannten Steinfirma L. u. D. hat ihm Aussichten gemacht, ihn zum Erben einzusetzen, aber es ist eine Bedingung dabei wen» er sich nämlich nach den Wünschen dieses alten, wunderlichen Herrn verheiratet."

Den Teufel auch!" sagte der erste Sprecher.Das ist ja interessant. Also eine Erbschaft mit Hindernissen."

Sie schritten weiter und herüberfahrende Wagen übertönten ihren ferneren Gedanken­austausch.

Der Gegenstand ihres Gesprächs, der schöne Hans, eilte unterdessen jugendlich elastisch vor das Thor und kam bald zu einer eisenbegitterten Pforte, in deren Nähe er durch Auf- und Abgehen sich einige Zeit zu schaf­fen machte. Eifrig spähte er nach den Fenstern der steuerrätlichen Wohnung, doch die zus-

sammenfallendeu Zuggardinen und das matt hindurchschimmernde Lampenlicht verrieten ihm nicht, ob sein Mädchen da diinnen seiner gedenke und ihm die Bitte von gestern Abend erfüllen werde. Nur einen Guten­abendgruß wollte er ihr zuflüstern und sich überzeugen ob die gestrige Festlichkeit dem holden Geschöpf gut bekommen sei.

Den ganzen heutige» Tag war ihr Bild nicht aus seiner Seele gewichen sie war auch einzig in ihrer Art, so blumenhaft, so poetisch umhaucht, so lieblich und kindlich .... so, ja so hatte er sich sein Ideal ge­bildet, und dieses holde Geschöpf mußte er erringen um jeden Preis.

Welche Triumphe hatte er gestern ge­feiert, wie hatten die Assessoren und jungen Offiziere ihn beneidet ob des Vorzugs, den er bei July genossen, und die dicke Steuer- rätin, welch böses Gesicht hatte sie aufgesetzt. Nein, cs war doch besser, daß er sich nicht persönlich in der Familie erkundigt hatte

.Das junge Mädchen war ein

aufgehender Stern am Ballhimmel der guten Provinzialstadt, das stand fest eben erst ans dem Institut zurück und schon so um- fchwärmt von der^Mänerwelt.

Ein Geräusch weckte den schönen Hans mit dem ausgeprägten Schönheitssinn ans seinen Betrachtungen. Er befand sich bei seinem Ans- und Abwandel» just vor der Lhüre des Vorgärtchens, blickte ans und

in die Veilchenaugen seines Ideals.

Sie war im enganschließenden Haus­kleide, ein hellblauer Chenilleshawl lag ihr um Hals und Schultern. Ihre großaufge- schlagenen, dunkel bewimperten blaue» Augen blickten zu ihm auf, schüchtern und doch innig und vertrauensvoll.

Ich mochte Ihnen Ihre letzte Bitte nicht auch abschlagcn Herr Klug, da sie gestern alle so unfreundlich gegen Sie waren; aber gleich muß ich wieder ins Haus, denn ich bin etwas erkältet und Mama schilt, wenn ich mich der Abendluft aussetze. Auch muß ick unserem Franz noch lateinische Pokabel» überhören. Mama darf nämlich gar nicht wissen, daß ich hier draußen stehe, es schickt sich ja auch eigentlich nicht und - nun leben Sie wohl!"

Sie reichte ihm treuherzig ihre kleine, weiße Hand entgegegcn. Der junge Mann ergriff dieselbe unv im Feuer der ihm über- kommendea Leidenschaft bedeckte er sie mit unzähligen Kusse».

Süß und ahnungsvoll durchschauerte es das Mädchen. Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, aber der Ungestüme ergriff auch die andere und zog sie etwas seitwärts in den spärlichen Schutz eines noch fast blätter- losen Gesträuchs.

O, wenn sie mir treu sei» könnten, July!" flüsterte der schöne Hans. Seine Leidenschaft entlud sich um so mehr, als er die Stimme dämpfen mußte.Ich weiß, sie werden viel umworben werden, aber wrr gehöre» Beide zusammen, und ich darf hoffen, Ihre Blicke haben es mir gestern verrate», süße, angebetete.

St! St! ertönte es da vom Hause her.

Allmächtiger! unsere Minna giebt ei» Zeichen, ich muß fort, leben sie wohl, Hans

Herr Klug wollte ich sagen," und dann entschwand das bebende Mädchen durch die angelehute Gartenpforte in dem Hause. !

Wie im Traume ging der junge Mann »ach seinem Logis, nahm einen kleinen Abend­imbiß zu sich, und als dann der Gott des Schlafes ihn umfing, gaukelte er ihm die holdesten Traumbilder einer glücklichen Zu­kunft vor die Seele.

Am andern Morgen saß er pünktlich wie immer an seinem Pult im Comptoir und als später der Briefbote erschien und auch für Herrn Klug einen Brief hatte, griff er hastig nach dem Schreiben. Eine Ahnung durchrieselte ihn wie ein Frostschaucr und in nervöser Hast las er Folgendes:

»Lieber Neffe! Jetzt endlich ist die Zeit gekommen, wo ich erproben kann, ob ich meine Wohlthaten an keinen Unwürdigen verschwendete und meine Hoffnungen, die ich auf Dich setze, sich erfüllen werden. Du weißt ja, daß ich Dich gern nach meinen Wünschen verheiratet sehen möchte und nur unter dieser Bedingung Dich zum Erben cinsetzen werde. Dieser Zeit­punkt ist jetzt gekommen. Ein alter Freund von mir ist aus Ostpreußen m die Nähe un­serer Stadt gezogen, hat sich da ein kleines Gut gekauft, und dessen Tochter ist diejenige, welche ich Tür zur Gattin bestimmt habe. Ihre Mutter war nämlich meine erste und einzige Jugendliebe, ihretwegen bin ich Jung­geselle geblieben, nun soll die Tochter wenigstens in unsere Familie kommen."

Sie ist kein junges unerfahrenes Ding mehr, ungefähr in Deinem Alter oder auch ein paar Jahre älter. Ich habe sic zwar seit ihrer Kindheit nicht wieder gesehen neulich bei meinem Besuch auf dem Gute war sie nicht daheim aber dem Bilde nach ist es eine ansehnliche Figur, und wie der Vater mir versichert, eine ganz vorzügliche Kraft im Haushalt, kocht brillant ist sparsam und versteht sich beim Gesinde in Respekt zu setzen. Na, was meinst Du, alter Hans, das wäre so Eine für Dichl Ein schöner Bengel warst Du ja immer, aber ohne mich, den goldnen Onkel, beißen heutzutage die Frauenzimmer selbst beim Hübschesten nicht an Geld ist die Losung des Tages!

Ihr verheiratet Euch dann noch in diesem Jahr und zieht in mein Haus. Ich übergebe Dir gleich mein Geschäft und im Testamente figurierst Du als Universalerbe. Ich werde alt und freue mich, wenn ich erst in Eurer Pflege bi». Mein Podagra macht sich mehr wie je bemerkbar und es geht doch nichts über werbliche Pflege."

Komm nun morgen hieher, ein paar Tage Urlaub, wichtiger Familienangelegenheiten halber, kann Dir Dein Chef nicht abschlagcn. wir reisen dann zusammen nach dem Gute und die Sache wird perfekt. Es grüßt Dich bis dahin Dein Onkel

Johann."

Der schöne Hans war wie vor den Kopf geschlagen, er drehte und malträtierte seinen Schnurrbart auf eine gräßliche Weise.

Verkuppeln will mich der Alte, nach seinem bornierten Geschmack verkuppeln, mur­melte er ingrimmig zwischen den Zähnen.

Eme alte Landviole" er sah noch­mals in den Brief" ansehnliche Dame, Respekt einflößend sparsam gut kochen ha, ha, ha! welch eine Vogelscheuche mag das sein!"

Der erste Buchhalter sah verwundert zu ihm herüb.r, Hans hatte bei diesem Gedanken- gcspräch laut aufgclacht.

(Schluß folgt.)