Zur Lage.

- Mil dem Einzug der Fronttmppeii in die Heimat kommen immer mehr die gegensätzlichen Anschauungen zum Ausdruck, die unsere Krieger gegenüber der radi­kalen und für unser Vaterland gefährlichen Haltung ge­wisser revolutionärer Elemente kundgeben. Don Westen und Osten und seitens der einmarschierten Fronttruppen in der Heimat laufen Proteste ein gegen dies« Art i»ec Umwälzung, die «ns nicht nur im Innern, sondern bestmder« auch nach außen hin der vollständigen Kata­strophe zufvhrt. Wir brauchen geordnete Zustände, weil unter unfachmännischer Leitung nicht nur unsere inneren Verhältnisse zerrüttet werde«, sondern auch nach außen hin eine Vertretung unsere» Interesse« auf Grund des jetzigen Chaos unmöglich ist. Es ist deshalb z« begrü­ßen, daß die vorläufige Regierung so schnell wie möglich He gesetzgebende Reichsversammlung einberufen will, da- Blit diese eine Regierung ernennt, die dem Willen der Volksmehrheit entspricht. Wenn wir Frieden wollen, dann müssen wir baldigst mit dem provisorischen Regime nufräümen, denn die Entente hat keinen Zweifel gelassen, daß sie mit Arbeiter- und Soldatenräten niemals ver­handeln wird. Wo die Franzosen hinkommen, da setzen sie sofort die A.- u. S.-Räte ab; die Engländer verhan­dln mit den Soldatenräten der Marine ebenfalls nicht und die Ententepresse schreibt einmütig, mit einem Deutsch­land der Arbeiter- und Soldatenräte wird nicht ver­handelt. Nicht, weil man in Deutschland geordnete Zu­stände schaffen will, sondern weil man in diesen Ländern nicht geneigt ist, Deutschland als sozialistischen oder gar bolschewistischen Ansteckungsherd bestehen zu lassen, denn darüber dürfen wir uns wahrhaftig keiner Illusion hin- «eben, wie das vom Bolschewismus besessene Phantasten tun, die kapitalistischen und imperialistischen Ideen sitzen heute bei der Entente und ihren Anhängern fester als ie. und deshalb hat man in der Entente gar keine Neigung, in Deutschland ein rein sozialistischen Orga­nismus aufkommen zu lassen, in dem Augenblick, ln dem man sich anschickt, dem russischen Bolschewismus Das Leben auszublasen. Die Entente will in Rußland wieder die rein kapitalistische Wirtschaftsordnung einfüh­ren, und womöglich die Leute ans Ruder bringen, die deutschfeindlich gesinnt sind. Um den deutschen Einfluß im Osten auszuschalten, will man auch wieder ein Groß­rußland schaffen, und weiter will man den Polen Ge- Mietserweiterungen auf Kosten Deutschlands in Ober- Schlesien, Posen und gar in Westpreußen zugestehen. Um Nch einen Rechtstitel für Annexionen zu schaffen, haben «e Polen über 300 Millonen aufgebracht, und wollen «in in der Gegend von Danzig alle greifbaren Besitz­tümer aufkaufen. Clemenceau hat den Tschechen bayri­sches Land zugestanden und die französische Presse er­klärt, nicht nur Elsaß-Lothringen wolle man behalten, sondern das ganze linke Rheinufer. Es wird offen in der französischen Presse ausgesprochen, daß man Deutsch­land dauernd mit feindlichen Nachbarn umgeben müsse, das könne aber nur geschehen, indem man allen seinen Nachbarn deutsches Gebiet gäbe.

So sieht es um uns aus, und angesichts dieser schweren Bedrohung des Bestandes unseres Vaterlandes lassen es sich einige gewissenlose, von persönlichem Eitel­keitsdünkel und Rachsucht geleitete Persönlichkeiten, die zudem noch an chronischer Stupidität leiden, nicht nehmen, unserem Vaterlande noch größere Schwierig­keiten zu bereiten, indem sie trotz aller offenkundigen Tatsachen auf Grund bruchstückartiger Stimmungsberichte behaupten, die frühere deutsche Regierung sei schuld am Weltkriege. Man schlägt sich vor den Kopf ob solcher Narrheit, die natürlich insgeheim ein wieherndes Lachen auf feindlicher Seite zur Folge hatte, wenn man selbst­verständlich auch nach außen hin Würde wahrte, und mit pharisäischer Miene jetzt gerechte Bestrafung verlangt. Deshalb ist der Vorschlag der deutschen Regierung zu begrüßen, daß man eine neutrale Kommission zur Prüfung der Schuldfrage einsetzen möge, der alles einschlägige Material znr Verfügung gestellt werden Müßte, und die auch das Recht hätte, die damals leiten­den Staatsmänner der kriegführenden Parteien zu ver­nehmen. Es wird natürlich bei der Anregung bleiben, denn darauf lassen sich die Sieger, die auf diesem Ge­biet ein sehr schlechtes Gewissen haben, natürlich nicht ein. Der Vorschlag aber beweist doch, daß unsere derzeitigen Leiter keine Furcht davor haben, die Haltung unserer da­maligen Regierung vor aller Welt klar zu legen. o. 8.

Verfügung des ''Irbeitsministertums über Änderungen der Arbeitszeit vom 18. November 1918.

(Staatsanzeiger Nr. 274.)

Nach einer Mitteilung der Eisenbahnverwaitnng ist es unter den gegenwärtigen Berhältnissen unmöglich, den Fahrplan der Arbeiterzüge jeder plötzlichen Ände­rung der Arbeitszeit sofort «nzupassen. Auch können Änderungen, wodurch di« Loksmotiv und Personal- leistungen »ermeyrt würden, in nächster Zeit überhaupt nicht mehr erfolgen.

T» «ird d'her c.ljügr. «iiderunL-n der Ar­beitszeit in Betrieb»». deren Arbeiterschaft ganz oder teilwoise «uf B»h»1»e»»ttz«n§ «UO«Wiesen ist. «ur nach rechtzeitige» Vsrstänbizun, der (-eneraldirrttion der Etaat»eise«b»«nen statthaft sind, wenn die Regelung der Arbeitszeit « ch ein- Zuzverlegung notwondig machen würde. Lindemann.

Vorstehende Verfügung wird hiemit zur Kenntnis der beteiligten Betriebe gebracht.

Talw, den U. Nov. 1918. Oberamtman» Bös.

Die Schuldfrage.

Der frühere Staatssekretär Zimmermann zur Vorgeschichte des Krieges.

(WTB.) Berlin, 29. Nov. Zur Frage der Kriegs­schuld sagte der im bayerischen Gesandtschaftsbericht als Gewährsmann genannte frühere Staatssekretär Zimmer­mann zu einem Vertreter derD. Allg. Zig.": Wir sind in der Tat der Ansicht, daß mit der Bluttat von Sarajewo für Oesterreich-Ungarn die Schicksalsstunde ge­schlagen hatte. Die während des Krieges bekanntgewv" denen serbischen Urkunden beweisen, daß Rußland schc seit Jahren der serbischen Regierung den Erwerb ös> » rrichischer und ungarischer Gebietsteile zugesichert hatte.

Daß Oesterreich-Ungarn sich gegen die großserbischen Machenschaften zur Wehr setzte, war nicht nur sein gutes Recht, sondern lag im Interesse einer Gesundung der Verhältnisse in Europa. Wir haben Oesterreich-Ungarn zu seinem Vorgehen gegen Serbien weder zugeredet, noch es aufgestachelt, uns vielmehr lediglich darauf beschränkt, ihm davon ausdrücklich abzuraten. Der Inhalt des Ultimatums an Serbien war uns unbekannt. Das von uns zu scharf gehaltene österreich-ungarische Ultimatum ist uns erst sehr spät von Wien mitgeteilt worden, so daß uns eine Möglichkeit, auf eine Milderung hinzuwirken, nicht mehr gegeben war. Unsere auf Lokalisierung des Konflikts zwischen unseren Bundesgenossen gerichteten Bemühungen wären wohl erfolgreich gewesen, wenn Eng­land seinen großen Einfluß auf Petersburg ebenso ener­gisch geltend gemacht hätte, wie wir unseren in Wien. Schließlich hat dann die russische Gesamtmobilmachung, die von zum Kriege drängenden Gewaltpolitikern in Petersburg überstürzt wurde, unsere Bemühungen zum Scheitern gebracht. Deutscherseits muß hiernach die Ver­antwortung für die Entwicklung des österreich-serbischen Konflikts zum Weltkonflikt abgelehnt werden. Die historische Wahrheit wird erst dann festgelegt werden können, wenn einem Staatsgerichtshof oder noch besser einem intetnationalen Gerichtshof das einschlägige Mate­rial gewissenhaft unterbreitet wird. Die Untersuchung der Echuldfrage durch einen solchen unparteiischen Gerichtshof würde zweifellos allen unter schweren Verdächtigungen leidenden deutschen Staatsmännern enviinscht sein.

Neu« E«Hii»»»»e« «wer die Vorgeschichte des Krieges.

Die Enthüllungen über die Vorgeschichte und den Anfang des Krieges mehren sich. Nun veröffentlicht auch der frü­here Botschafter Graf Monts bisher unbekannte Einzel­heiten. Grobe Fahrlässigkeit unterstellt er den Spähern unseres und des k. k. Eeneralstabs, weil ihnen die schon Monate vor Kriegsausbruch vorgenommen« Mobilisierung der sibirischen, transkaukasischen und turkestanischen Armee­korps entgingen und man sich infolgedessen in unserm Eene- ralstab in der Hoffnung wiegte, .nach rascher Niederwerfung Frankreichs mit den dort freiwerdenden 30 Divisionen recht­zeitig zu den österreichisch-ungarischen Armeen in Polen stoßen zu können. Nach Ansicht unseres Generalstabs er­schien aber die schnelle Erledigung der französischen Republik nur durch Umgehung der Sperrfortslinte und einen Einbruch über Belgien erreichbar. Die Nachfahren der Moltke und Schlieffen beriefen sich auf Hefte dieser beiden bedeutenden Generale. Fürst Bismarck dagegen behauptete, daß Moltke der Meinung gewesen,Deutschland könne im Fall eines Zweifrontenkrieges im Besitz von Metz und Straßburg mit MainzKölnKoblenz dahinter die Defensive gegen Frank­reich auf unbestimmte Zeit hinaus aufrechterhalten und in­zwischen ruhig den russischen Krieg zum Abschluß bringen." Angeblich hätten Schlieffens Denkschrift anders gelautet. Aber zu des letzteren Lebzeiten war die ruffische Heeres­verstärkung auf eine Friedensstärke von 1)4 Millionen noch nicht durchgeführt. Ebensowenig war damals das westliche Festungs- und das an unsere Grenzen führende strategische Bahnnetz mit Hilfe der französischen Milliarden der Vol­lendung nahe. Es scheint Monts zweifelhaft, ob Graf Schlieffen bei so gänzlich veränderten Umständen den Russen die offene Flanke geboten hätte. Nach seiner Kenntnis der Dispositionen Schlieffens rechnete dieser auch niemals mit einer Mitwirkung Italiens. Unser Eeneralstab und wohl auch unsere politische Leitung waren trotz aller Warnungen in diesem Punkte unbelehrbar. In Freiburg war schon Quartier gemacht für die als Vorhut der italienischen 4. Arme« gedachte Kavalleriedivision. Auch war unsere Militärmiffion, die dieser eingebildeten Arme« beigegebrn werden sollte, schon bis Florenz gereist, wo sie unverrichteter Dinge umkehren mußte. Vielleicht noch mehr wie die im Elsaß entbehrte Hilfe fiel das Ausbleiben der Festhaltung von 300 000 Franzosen an der Alpengrenze ins Gewicht.

Me deutsche Regierung für die Klärung der Schuldfrage.

W.T.B. Berlin, 29. Nov. Die deutsche Ne­uerung hat durch Vermittlung der Schweizer Regstnmg .olgende Note an die englische, französische, belgische, italienische und amcrikanische Regierung übermittelt-

Für die Herbeiführung eines Weltfriedens, für die Schaffung dauernder Sicherungen gegen künftige Kriege und für die Wiederherstellung des Vertrauens der Völker untereinander, erscheint es dringend geboten, die Vor­gänge. die zum Kriege geführt haben, bei allen kriegführenden Staaten und in allen Einzelheiten aufzuklären. Ein vollständig wahrheitsgetreues Bild der Weltlage und der Verhandlungen zwischen den Mächten im Juli 1914 und der Schritte, welch« die einzelnen Regierungen in dieser Zeit unternommen haben, könnte und würde viel dazu beitragen, die Mauer des Hasses und der Mißdeutung niederznreißen, die während des langen Kriege» zwischen den Völkern errichtet worden ist. Eine gerechte Würdigung der Hergänge bei Freund und Feind ist di« Vorbedingung für di« kiinstige Ver­söhnung de»Bölker, ist die einzig mögliche Grundlage für einen dauernden Friede« und für den Bund der Völker. Die deutsche Regierung schlägt daher vor, daß eine neutrale Kommission zur Prüfung der Frage der Schuld am Kriege eingesetzt wird, die aus Männern be­stehen soll, deren Charakter und politische Erfahrung einen gerechten Urteilsspruch gewährleisten. Die Re­gierungen sämtlicher kriegführenden Mächte müssen sich bereit erklären, einer solchen Kommission ihr gesamtes Urkundenmaterial zur Verfügung zu stellen. Die Kom­mission soll befugt sein, alle jene Persönlichkeiten zu ver­nehmen, die zur Zeit des Kriegsausbruches die Geschicke der einzelnen Länder bestimmt haben, sowie alle Zeugen, deren Aussagen für die Beweiserhebung von Bedeutung sein könnte.

Auch von ostreich-ungarischer Seite Veröffent­lichungen bevorstehend.

Berlin, 30. Nov. Die bevorstehende Veröffent­lichung diplomatischer Dokumente aus der Vorkriegszeit und der Kriegszeit, die im Aufträge des deutsch-öster­reichischen Staatsrats im Einvernehmen mit der tschecho­slowakischen Regierung und der ungarischen Republik erfolgen soll, wird lautBoss. Ztg." auch den Grafen Czernin veranlassen, öffentlich zu sprechen und insbe­sondere zu den bereits erfolgten Teiloeröffentlichungen Stellung zu nehmen.

Niemals ein ernsthaftes Friedensangebot von feindlicher Sette erfolgt.

Berlin, 29. Nov. Wie uns von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, ist in keinem Zeitpunkte des Krieges von feindlicher Seite in amtlicher oder hinrei­chend beglaubigter Form mit einem Friedensangebot an uns herangetreten worden.

Z»r WaffenstWiinds- md Niedenssmge.

Offizieller Thronverzicht des Kaisers.

(W.T.B.) Berlin, 29. Nov. W.T.B. veröffent­licht die kaiserliche, gestern in Amerengen gezeichnete Berzichtnrkunde, worin der Kaiser auf den Thron verzichtet, alle Beamten und Offiziere des Treu-Eides entbindet und von ihnen erwartet, daß sie bis zur Neu­ordnung des Deutschen Reiches den Inhabern der tat­sächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das deutsche Volk gegen die drohende Gefahr der Anarchie, der Hun­gersnot und der Fremdherrschaft zu schützen.

Me Entente verhandelt nicht mit Arbeiter- und Soldatenräten.

Kiel, 29. Nov. Das englische Geschwader hat um 28. November morgens 6.30 Uhr Skagen passiert und wird nachmittags in Kopenhagen erwartet. Wie ver­lautet, wird das Geschwader am Samstag vormittag in Kiel einireffen. Gouverneur Noske teilte in einer Ver­sammlung mit, der Führer der zu erwartenden Entente­kommission, der englische Admiral Browning, habe es abgelehnt, mit dem Kieler Arbeiter- und Soldatenrat zu verhandeln.

Keine Aufhebung der Blockade gegen Deutschland.

(WTB.) London, 28. Nov. Reuter ist gegenüber Tele­grammen aus Kopenhagen, die in der Presse erschienen sind, und Mitteilen, daß nach Berichten aus Berlin die Blockade gegen Deutschland von den Alliierten aufgehoben sei, in der Lage mitzuteilen, daß diese Berüchte in keiner Weise autori­siert seien und daß die Waffenstittstandsbedingungen aus­drücklich bestimmten, daß die Blockade fortdauern werd -

Die Auslieferung unserer Flotte.

(WTB.) Berlin, 28. Nov. Von zuständiger Seite wird uns über den weiteren Fortgang der Abrüstung der Marin* mitgeteilt: Die 8. Unterseebootsstaffel von 27 Untersee­booten ist am 27. November abgegangen. Der Begleitdamp­ferScharnhorst" ist aus dem Rückmarsch. Trotz großer Per­sonalschwierigkeiten war es gelungen, 7 Dampfer bereitzu­stellen, die voraussichtlich morgen in See gehen, um die Mannschaften der internierten Schiffe aus England aüzu- holen. Diese Dampfer nehmen gleichzeitig die erste Post für die Besatzung der internierten Schiffe und Lebencnm-tel.

100 Milliarden Kriegsentschädigung.

London, 29. Nov. (Reuter.) Der Finanzrcm'k- leur derDaily Chronicle" schreibt: Die Sachverständi­gen glauben, daß Deutschland fünftausend Millionen Pfund Sterling als Entschädigung mindestens zahlen Könne und wenn es notwendig sei, müsse es Hypotheken