378

In kürzester Zeit schwoll der Göstinger Bach, der sonst träge und wasserarm dahinschleicht, zum reißenden, alles verheerenden Strom an. Vor der Wucht der jäh anprallenden Wasser­massen gab es keine Rettung. Die gurgelnde Flut, die entwurzelte Bäume und große Steme mit sich führte, ergoß sich über das Thal, zerstörte die Straßenzüge, riß große Slücke fruchtbaren Ackerlandes fort, unterwusch Häuser, von denen viele einstürzten und verwandelte das gesegnete Thal in wenigen Augenblicken in einen Schauplatz gräulicher Verwüstung. Wie viele Menschenleben der Wut des ent­fesselten Elementes zum Opfer fielen, ist bis zur Stunde noch nicht festgestellt; daß es leider nur allzu viele waren, ist aber gewiß. So wurden in der Göstinger Mühle allein zwei Frauen und ein Knabe von der Flut ereilt und fanden ihren Tod. Die Wirtschaftsbe­sitzerin Anna Lorenz in Gösting wurde unter den Trümmern ihres einstvrzenden Hauses be­graben, während ihr 8 Jahre alter Sohn von wackeren Männern gerettet weroen konnte In der Thaler Mühle wurden die Pächters­leute von der Flut auf der Flucht überrascht; das Wasser schwemmte sich gegen das Haus, und sie fanden nur dadurch Rettung, daß es ihnen gelang, sich so lange an den Fenster­gittern festzuha ten, bis die Flut gesunken war. Der Jammer, den die furchtbare Katastrofe hervorgerufen hat, ist unbeschreiblich. Wer nicht um einen geliebten Toten zu klagen hat, sieht doch die Frucht seiner Arbeit, sein Hab und Gut vernichtet, verloren. Viele von den Armen sind zu Bettlern geworden.

Lemberg,14. Aug. Im Kurorte Ryma- now wurde von der Hochflut Alles zerstört. Den Kurgästen wurde die Rückkehr von Kur­hause abgeschnitten; Frauen und Kinder war­teten im Wald. Das Wasser drang in die Salzquellen und schwemmte die Vorräte weg. Die auswärts weilenden Kurgäste konnten nicht in ihre Wohnungen gelangen. Im Um­kreis ertranken Menschen und Vieh. In Turka schwemmte das Hochwasser 32 Häuser fort; mehr als 200 sind unterwaschen, und viele wurden durch Blitzschläge angezündet. Es ist bisher noch unbestimmbar, wie viel Menschen zu Grunde gingen. Der Schaden wird auf Millionen beziffert.

DerVolkszertung" zufolge hat der Schmuggel an der preußisch-russischen Grenze so zugenommen, daß bereits blutige Scharmützel zwischen der russischen Grenzwache und Schmugg­lertrupps stattfanden, wobei bedeutende Waaren- posten beschlagnahmt worden seien. Von letzteren erhält die Grenzwache zur Steigerung der Wachsamkeit ein Drittel.

Paris, 15. Aug. Gestern nachmittag um 2 Uhr gab ein der revolutionären Partei angehörendes Jndividum 2 Revolverschüsse auf Minister Locroy ab, als dieser in die Sitzung seines Wahlkomites sich begab. Locroy wurde an der linken Brust verwundet, scheinbar nicht erheblich.

London, 14. Aug. Reutermeldung aus Bombay: Der Aufruhr dehnt sich in den Vorstädten immer weiter aus. Bisher wurden 1200 Verhaftungen vorgenommen; 50 Per­sonen wurden getötet, es ist schwer, den wirklichen Verlust anzuzeben. Die Straßen und die Hospitäler sind voll von Verwun­deten. Selbst Leichenzüge werden wütend angegriffen und müssen von Tuippeuabteil- ungen geleitet werden. Weitere Kavallerie­lind Infanterie-Verstärkungen werden aus Ponnach herbeigezogen. Die Truppen lagern in den Straßen. Der Gouverneur wird morgen erwartet.

Vermischtes.

Die Cholera ist in Neapel! was fliehen kann, das läuft davon. Die Furcht ist so allgemein, daß die Nachrichten, welche davon sprachen, daß bereits mehr als 100 000 Per­sonen aus Neapel ausgewandert seien, nicht als übertrieben gelten dürfen. Die Flüchtlinge wenden sich vornehmlich nach den nördlichen Provinzen Italiens, und dabei liegt eine nicht zu unte,schätzende Gefahr, da ein großer Teil des italienischen Nordens trotz aller amtlichen Ab­leugnungen und Vertuschungen ohnehin schon als vollständig verseucht bezeichnet werden muß. Viele neapolitanischen Familien sind nach dem Auslande abgereist, besonders nach dem Berner Oberlanve und nach Tirol; noch andere suchen in Sizilien und Corsica Zuflucht. Behördliche Nachforschungen haben ergeben, daß die Cholera in Neapel nichts mit der in Frankreich herr­schenden Epidemie gemein hat, sondern daß sie auf direktem Wege aus Asien eingeschleppt wurde, und deshalb von besonderer Gefährlich­keit ist. Sie scheint von einem aus Massauah, dem italienischen Hafen am Roten Meer kom­menden Dampfer hierher gebracht worden zu sein. Massauah, wo ein großer Teil der Mekkapilger eingefasst wird, steht mft Neapel in beständiger Verbindung. Man muß aner kennen, daß die italaliemschen Behörden Alles thun, um eine weitere Ausbreitung der Epi­demie zu verhindern; sie müssen jedoch selbst zugeben, daß sie für die Wirksamkeit der von ihnen angewandten Mittel nickt entstehen können in einer Stadt, die, wie Neapel, eine im elen­desten Zustande befindlich- Kanalisation hat, und durch und durch verpestet ist."

Heber weiße Schwalben schreibt man derLipp. Landesztg." aus Wülferheide: Ein eigenes Naturspiel erregte seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit Großer und Kleiner, man sah nämlich in Gesellschaft der normal gefärbten Schwalben zwei schneeweiße Schwestern um­herfliegen, von denen die eine jetzt abhanden gekommen sein muß, weil man in diesen Tagen nur eine erblickte. Sie sollen auf einem Hofe in Bexterhagen dem Neste entflogen sein, in welchem sowohl voriges, als auch dieses Jahr vorher je eine weiße Schwalbe sich gezeigt habe.

Wichtig für unsere Jägerwelt, indessen noch keineswegs überall bekannt ist die Thatsache, daß die Jagdherren, oder deren verantwortliche Beamte verpflichtet sind, die als Treiber dienenden Personen i» der Alters- und Jnvaliditätsversicherung zu ver­sickern und daß die Unterlassung dieser Ver­pflichtung nach H 143 des Gesetzes Geld­strafe bis zu 300 Mk. zur Folge haben kann.

Tnkrhalikn-ks.

Geheilt.

Von Hugo Werth.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Der Maler hatte inzwischen die Wohnung Noldens erreicht, ohne diesen dort auzutressen. Er beschloß deshalb einen andere» Bekannten aufzusuchen, einen jungen, feurige», italienischen Künstler, welcher stets der Hauptgegeunand seiner Eifersucht gewesen war.

Aber auch diesen traf er nicht daheim an und ärgerlich über die vergeblichen Gänge begab er sich allein auf den Weg zu dem Kunstsalon, wo er die Beiden nun aber be­stimmt zu finden hoffte.

Aber auch in dieser Erwartung sah er sich getäuscht. Unlustig durchwanderte er des­halb die Säle und während seine Augen auf der bemalten Leinewand hafteten, weilten seine Gedanken nur bei den Freunden, die heute so sonderbarer Weise nirgends zu fin­den waren, und bei seinem schönen 'Weibe, das ihn so dringend auszugehen gebeten.

Aber war das vielleicht mehr als ein zufälliges Zusammentreffen? Fünvahr nur um ihn in Sicherheit zu wiegen, war es nötig gewesen, ihn zuvor heute morgen wieder einmal von ihrer Unschuld zu überzeugen. Nur deshalb! Ab-r pfui! Er wollte ja nicht mehr eifersücktig sein, wenigstens nicht bis zu seinem Geburtstag.

Unentschlossen betrat er ein Restaurant, ergriff ohne Wahl eine Zeitung und begann einen beliebigen Artikel zu lesen. Es wurde ausführlich über einen Skandal aus der feinen Gesellschaft berichtet, über einen betrogenen Ehemannn, einem Grafen A. Dem Leser wurde es heiß, als er sich in die Einzelnheilen vertiefte. Es war ja Alles wie auf ihn gemünzt. Man brauckte nur die Namen zu ändern. Z. B. gleich der Schlußsatz:Und wählend der leichtgläubige Graf vergebens auf seinen Freund wartete, vertrieb dieser der jungen Gräfin daheim auf das Galanteste die Zeit."

Paßte das nicht Wort für Worr auf ihn?

Kellner zahlen!" rief er, und in nächsten Augenblick schritt er seiner Wohnung zu.

Zitternd vor Erregung stand er einen Augenblick vor derselben still und blickte sinnend zu den erhellten Fenstern empor. - Aber ha, was war das? Sah er recht? All' sein Argwohn, all' seine Eifersucht be­gründet I

Trotz der den freien Einblick hem­menden Vorhänge unterschied er deutlich zwei Gestalten, eine weibliche das war Else und eine männliche das konnte Nie­mand anders sein, als der Italiener.

Hastig und polternd stürmte der Arme die Treppe empor. Jetzt halte er die Thür erreicht, jetzt . . . doch im selben Augen­blick wurde von innen der Riegel vorae- schoben.

Jäh schoß ihm das Blut in die Wangen und laut rief er:Mach' auf!"

Einen Augenblick," antwortete sein Weib. Und wie sie das sagte, mit wie furchtsamer unter den Qualen des bösen Gewissens er­zitternder Stimme!

Mach' auf, mach' auf!" wiederholte er wütend,ehe Du ihn in in den Schrank steckst."

Heftig trat er mehrmals mit dem Fuß gegen die Thür, endlich sprang sie auf und er stand seinem verwirrt errötenden Weibe gegenüber.

Wo hast Du ihn? fragte er kurz und rauh.

Wen?"

Den Italiener."

Pfm Walter!"

Pfui? ja pfui über Dich, Du hinter­listige Schlange! Aber wenn Dir Dein Le­ben teuer ist, wo steckt er?"

Sie wollte antworten, doch in diesem Augenblick entdeckte er den Nebenbuhler, sah er, wie die Gestalt desseben sich deutllich auf dem Vorhang abzeichnete, hinler welchem sie ihn in der Eile verborgen hatte. Wie der Schurke zitterte.

Schnell riß der betrogene Ehemann das